BILANZ: Das Studium ist anstrengend genug, weshalb sollten sich Studierende mit einem Praktikum quälen?

Nadine Nöhmaier: Studenten sollten Praktika machen, um sich für ihren späteren Beruf noch besser zu qualifizieren. Sie sollten lernen, das praktisch umzusetzen, was sie im Studium in der Theorie erarbeitet haben. Ausserdem gilt es, im Praktikum das Arbeiten unter Berufsbedingungen zu erlernen. Es ist eine riesige Umstellung, von 9 bis 18 Uhr in einem Büro zu sitzen und nicht, wie oftmals im Studentendasein, den Tag erst langsam beginnen zu lassen. Ausserdem ist ein Praktikum eine gute Gelegenheit, Kontakte zur Wunschbranche zu knüpfen. Ein Netzwerk hilft später beim Berufseinstieg weiter.

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Was zeichnet ein gutes Praktikum aus?

Vor allem die eigenverantwortliche Arbeit: Der Praktikant sollte nach Möglichkeit ein eigenes Projekt bearbeiten, das ihn fordert – aber nicht überfordert. Ein Praktikantenbetreuer sollte ihm dort helfen, wo er nicht weiterkommt, aber im Grunde muss der Praktikant zum Beispiel den Pressespiegel über eine Ausstellung nach einer kurzen Einführung selbst auswerten können.

Wie viele Monate vor Arbeitsbeginn sollte man sich bewerben?

Das unterscheidet sich von Firma zu Firma. Es schadet aber nie, frühzeitig anzuklopfen, das heisst in der Regel drei bis sechs Monate vor Praktikumsbeginn.

Mit welchen Schwierigkeiten muss man beim ersten Arbeiten rechnen?

Ein Problem ist, dass Praktikanten oft unterbeschäftigt sind, dass keiner der Kollegen eine Aufgabe für sie hat. Das können die Praktikanten aber auch als Chance begreifen. Sie erhalten die Gelegenheit, sich selber einzubringen: Sie sollten sich überlegen, wie sie sich nützlich machen könnten, sich selbst Arbeit suchen. Ein anderes Problem entsteht, wenn Praktikanten überfordert sind und der Vorgesetzte dies nicht erkennt: In diesem Fall gilt es für die Praktikanten, ihren ganzen Mut zusammenzunehmen und um ein klärendes Gespräch mit dem Vorgesetzten zu bitten.

Kann aus einem Praktikum ein fester Job werden – und wenn ja, wie?

Natürlich, das ist die grosse Chance. Nach dem Praktikum gilt es, mit der Firma in Kontakt zu bleiben. Wenn die Firma kleiner ist, kann der Praktikant ab und zu auf einen Kaffee vorbeischauen. Er kann die Firma über sein Studium auf dem Laufenden halten und etwa per E-Mail mitteilen, dass er jetzt die Zwischenprüfung geschafft hat. Im besten Fall kann er nach dem Praktikum sogar als freier Mitarbeiter in der Firma arbeiten. Und irgendwann, spätestens nach Abschluss des Studiums, sollte er nachfragen, ob eine Stelle zu besetzen ist.

Wie siebt man ausbeuterische Angebote aus?

Beim Vorstellungsgespräch merkt man meist bereits, ob man Ausbeutern gegenübersitzt. Wenn die Firma Praktikanten sucht, damit diese für wenig Geld einfach erlernbare Arbeit machen, zum Beispiel den ganzen Tag nur Adressen abtippen und Briefe falten müssen, sollte man die Finger davon lassen. Entscheidend ist, dass man beim Praktikum etwas lernt, es sollte im Grunde eine «Mini-Stifti» sein. Wenn es also Wissenserwerb bringt und einen beruflich weiterqualifiziert, dann ist es in Ordnung, wenn man für das Praktikum nicht fürstlich bezahlt wird.

Was sollen Studenten machen, die in die Praktikumsfalle «kopieren, kuschen, Kaffee kochen» getappt sind?

Als Erstes ein Gespräch mit den Vorgesetzten führen: «Ist es möglich, dass ich andere Aufgaben kriege? Ich möchte im Praktikum gerne etwas lernen, beim Kopieren aber lerne ich nichts.» Falls die Gesprächspartner nicht darauf eingehen, würde ich das Praktikum abbrechen: Kopieren und Kaffee kochen – das ist vergeudete Zeit, in einer solchen Firma hat man nichts verloren.

Wie verhält man sich im Unternehmen passend?

Eine wichtige Regel ist: Man sollte die Kollegen anfangs siezen und nicht duzen. Lachend darauf hingewiesen zu werden, dass man natürlich «Du» sagen darf, ist besser, als darauf hingewiesen zu werden, dass ein «Sie» ja wohl angebrachter sei. Eine weitere wichtige Regel: Nett zu allen sein, alle grüssen, auch Putzfrauen und Sekretärinnen. Gerade Sekretärinnen sind oft die heimlichen Machtzentralen der Firma: Sie wissen oft, wie sie die Chefs um den Finger wickeln können. Sie sind es vielleicht auch, die einem netten Praktikanten den entscheidenden Tipp geben und ihm verraten, wo demnächst eine feste Stelle zu besetzen ist. Auch wichtig ist: Nicht am Rockzipfel der Vorgesetzten hängen, versuchen, selbständig zu arbeiten, und nur bei wichtigen Fragen, die man selbst nicht durch einen Klick ins Internet klären kann, die Kollegen stören.

Nadine Nöhmaier, Heidi Keller: PraktikumsKnigge – Der Leitfaden zum
Berufseinstieg.

Clash Verlag, München. www.praktikumsknigge.de