Auf ersten Blick zeigt das Rating ein Bild, das der spitzzüngige britische Nationalökonom Walter Bagehot (1826–1877) vor über hundert Jahren schon so umschrieben hat: «Der Höhepunkt des Schauspiels von Macht ist die Königin. (…) Ihr folgen die wirklichen Herrscher in zweitklassigen Karossen.» Doris Leuthard verbindet Kommunikation und Macht, und sie kann mit der CVP die komfortable Position des Züngleins an der Waage ausspielen. Ueli Maurer, Christoph Blocher und Hans-Jürg Fehr bleiben aber ungebrochen stark. Ihren Worten folgen wählerstarke Parteien, die mehr und mehr die Mitte aushöhlen. Pascal Couchepin fehlt zwar eine starke Partei im Rücken, doch sein wichtiges Departement macht den Walliser zum unübersehbaren Mitherrscher. Trotz der Schwäche ihres Departements hält sich auch Micheline Calmy-Rey im Rating gut platziert an sechster Stelle – hier sind Parteirückhalt, Medienresonanz und starke Persönlichkeit als Einfluss zu werten. Die folgenden Positionen widerspiegeln die Priorität der anstehenden politischen Probleme: Thomas Zeltner und Felix Gutzwiller gelten als wichtige und unübersehbare Akteure in der Gesundheitspolitik. Dass Samuel Schmid und Moritz Leuenberger unter den ersten zehn fehlen, erstaunt nur oberflächlich. Beide Bundesräte sind wohl geschickt genug, um nicht zu sehr ins Augenmerk der Öffentlichkeit zu treten. Denn wirkliche Macht repräsentiert sich nicht.

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Leuthard Doris (43)
Nationalrätin und Präsidentin CVP

Die Frau ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat innert Rekordzeit eine steile Politkarriere hingelegt. Sieben Jahre war sie im Parlament, zwei Jahre Parteipräsidentin – und schon winkt ein Job in der Landesregierung. Leuthard ist gut vernetzt, kommt via elektronische Medien bestens an und hat aus dem disparaten CVP-Häufchen eine Partei gemacht, die sich auch einmal auf eine klare Linie einschwören kann. Dazu hat sie das Zeug zur Hoffnungsträgerin für die moderne Schweiz: sachlich, jung, zielstrebig, unideologisch und sympathisch. Note 8,03

2 (1)
Maurer Ueli (55)
Nationalrat und Präsident SVP

Hält man dem SVP-Parteichef ein Mikrofon hin, ist er in seinem Element. Schlagfertig kontert der Zürcher Oberländer jede Frage mit knackigen, oft auch aggressiven Antworten. Seit zehn Jahren führt er die Partei und ist damit der dienstälteste Parteichef. Leiser ist er aber nicht geworden. Mit heiligem Zorn wettert er gegen alles, was nach Establishment und links riecht. Seit die SVP mit zwei Vertretern im Bundesrat sitzt, ist seine Rolle schwieriger geworden. Einen Dämpfer hat die Partei letztes Jahr mit den verlorenen Abstimmungen zu den bilateralen Abkommen erhalten. Note 7,92

3 (9)
Blocher Christoph (65)
Bundesrat SVP

Die Katze kann das Mausen nicht lassen: Christoph Blocher bleibt omnipräsent. Und bringt geschickt allerlei Positionen unter einen Hut. Einmal macht er sich für den Freihandel mit den USA stark, ein andermal ist er gegen das Agrarfreihandelsabkommen mit der EU. Freier Markt ist zwar gut, aber nicht überall – Pharmaindustrie und Landwirtschaft sollen ausgenommen bleiben. Gleich nach seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren hat er sich «freigeschaufelt, um der bürokratischen Maschinerie zu entkommen», wie er vor dem Schweizerisch-Deutschen Wirtschaftsclub in Frankfurt am Main Ende Mai betonte. Damit bleibt mehr Zeit zum Mitregieren. Vor den deutschen Wirtschaftsvertretern warb er auch für den Kanton Obwalden mit seinen tiefen Steuern. Note 7,61

4 (11)
Fehr Hans-Jürg (57)
Nationalrat und Präsident SP

Die Marschrichtung ist klar. Im Wahljahr 2007 will der Schaffhauser einen dritten Bundesratssitz für das rot-grüne Lager gewinnen. Im Visier hat der SP-intern unangefochtene Parteichef den zweiten Sitz der FDP. Seiner Meinung nach stehen der SVP weiterhin zwei Sitze zu, Blocher soll aber nicht mehr gewählt werden. Dadurch werde die Position der CVP gestärkt, und sie könne wieder das Zünglein an der Waage spielen. Nicht glücklich agiert hat die SP, als die Obwaldner letztes Jahr für degressive Steuern votierten. Fehr schlug grosse Töne an, blieb aber zahnlos. Diesen Herbst will er eine Steuerharmonisierungsinitiative lancieren, die degressive Steuern verbietet. Note 6,89

5 (9)
Couchepin Pascal (64)
Bundesrat FDP

Auf dem roten Teppich in Cannes sonnt er sich. Als erster Bundesrat hat Kulturminister Couchepin das Filmfestival an der noblen Mittelmeerküste besucht, um sich für den Schweizer Film stark zu machen und sich mit seinen EU-Kollegen auszutauschen. Innenpolitisch ist sein Stern am Sinken. Es gibt Parteikollegen, die seinen Rücktritt fordern. Die Baustellen AHV und Krankenversicherungsgesetz harren seit Jahren einer Lösung. Nicht so die Reorganisation des Bundesamts für Kultur: Mit Jean-Frédéric Jauslin hat er einen Gewährsmann an der Spitze, der vorwärts macht. Ebenfalls voran treibt er die Schaffung eines Bildungsdepartements. So soll das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) aus dem EVD ausgegliedert und mit der Bildung zu einem eigenständigen Departement zusammengeführt werden. Note 6,75

6 (7)
Calmy-Rey Micheline (60)
Bundesrätin SP

Die erklärte Feministin erhält bei Umfragen regelmässig Bestnoten. Konsequent setzt sich die Aussenministerin in ihrem Departement für Quoten ein. Mit ihren ausländischen Aussenminister-Kolleginnen hat sie sich gut vernetzt. Die gewiefte Politikerin und Macherin hat Erfolge vorzuweisen: Die EU-Abstimmungen (Schengen/Dublin und Personenfreizügigkeit) hat sie mit Hilfe des Kollegen Deiss gewonnen, die aus ihrem Departement stammende Idee eines Menschenrechtsrats der Uno hat sich durchgesetzt – und die Schweiz ist im Rat vertreten. Probleme gibt es weiterhin mit Visa-Missbräuchen. In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad hat sie das gesamte Personal ausgewechselt. Einiges an Überzeugungsarbeit muss sie leisten, will sie das Referendum gegen den Finanzbeitrag an die zehn neuen EU-Mitglieder (Kohäsionsbeitrag) erfolgreich bekämpfen. Note 6,72

7 (14)
Zeltner Thomas (58)
Direktor Bundesamt für Gesundheit

Seit 15 Jahren ist Zeltner im Amt, drei Bundesräte hat er erlebt: Cotti, Dreifuss und Couchepin. Die Vogelgrippe und die neuen Anti-Rauch-Kampagnen bescheren ihm hohe Medienpräsenz. Fettleibige Kinder, Rinderwahnsinn, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Aids, Drogen-, Alkohol- und Nikotinmissbrauch: Die Themen für Kampagnen gehen dem smarten Berner mit juristischer und medizinischer Ausbildung nicht aus. Er setzt sich für die Straffreiheit von Cannabiskonsum ein und äussert sich zu allen möglichen Gesundheitsthemen. Wenn es aber um die Krankenkassenprämien und die Streichung von Leistungen, etwa der Alternativmedizin, geht, schickt er gerne den Chef der Abteilung Krankenversicherung vor. Dieser hat erst kürzlich, nach knapp einem Jahr im Amt, den Bettel entnervt hingeworfen. Note 6,67

8 (4)
Gutzwiller Felix (58)
Nationalrat und Fraktionschef FDP

Der Präventivmediziner geht mit gutem Beispiel voran. Schliesslich kann man nicht nur Gesundheit predigen, man muss diese auch vorleben. Mit Kickpower reagiert sich der viel beschäftigte Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich ab, geht oft zu Fuss, achtet auf ausgewogene Ernährung, raucht nicht. Die Schweiz sei ein Land mit hoher Suchtbereitschaft, Alkohol und Tabak seien weit verbreitet. Gegen Tabak geht er jetzt vor. Seine parlamentarische Initiative, die einen umfassenden Nichtraucherschutz in öffentlichen Räumen und Gebäuden verlangt, wird voraussichtlich im Winter im Nationalrat behandelt. Die Messer werden bereits gewetzt: Statt die Luftverschmutzung zu bekämpfen, führe er einen Kreuzzug gegen die Raucher, werfen ihm Gegner vor. Note 6,50

9 (25)
Deiss Joseph (60)
Bundesrat CVP

Sieben Jahre sind für den eher farblosen und zögerlichen, aber menschlichen Bundesrat genug. Ab 1. August wird der frühere Freiburger Ökonomieprofessor zu den Alt-Bundesräten gehören. Seine grössten Erfolge feierte er als Aussenminister: Er hat die Schweiz in die Uno geführt und den bilateralen Verträgen zum Durchbruch verholfen. Als Volkswirtschaftsminister punktete er bei den Gewerkschaften mit seinem Einsatz für die flankierenden Massnahmen. Economiesuisse lobt ihn für die Reformen bei der Exportrisikogarantie und dem Kartell- und Binnenmarktgesetz. Einen schlechten Eindruck hinterliess er in der Affäre Borer, die zur Abberufung des Schweizer Botschafters in Berlin geführt hat. Bei vielen Frauen wird er zudem als Ladykiller negativ in Erinnerung bleiben. Note 6,42

10 (12)
Gerber Jean-Daniel (59)
Staatssekretär Seco

Der Berner Ökonom, seit sage und schreibe 33 Jahren im Staatsdienst, ist überzeugt davon: Da das Freihandelsabkommen mit den USA gescheitert sei, werde der Druck, ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU abzuschliessen, erhöht. Öffnung der Märkte und positive Imagewerbung im Ausland – nur so profitiere der Wirtschaftsstandort Schweiz. Mit Druck und Anreizen hat der Seco-Chef keine Mühe. So sollen Arbeitnehmende mit Anreizen dazu gebracht werden, länger zu arbeiten, Frühpensionierungen sollen finanziell nicht mehr unterstützt werden. Hingegen kann er sich vorstellen, dass Teilzeitarbeit im Alter über die Sozialversicherungen gefördert wird. Wer etwa von 100 auf 80 Prozent reduziere, soll den ganzen Lohn bei der zweiten Säule versichern können. Note 6,39

11 (16)
Spuhler Peter (47)
Nationalrat SVP

Dieser Politiker ist ein Phänomen. Ohne Abstriche an seiner Glaubwürdigkeit kann er sich für die erweiterte Personenfreizügigkeit mächtig ins Zeug legen, im selben Atemzug für eine Verschärfung des Ausländer- und Asylgesetzes eintreten und sich gegen Kohäsionsmilliarde und Parallelimporte stellen. Einem Selfmademan, der mit null Franken Eigenkapital einen Kleinbetrieb zu einem internationalen Zugbauunternehmen mit 1800 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 740 Millionen umgebaut hat, verzeiht man vieles. Auch weil Spuhler, ehemaliger Eishockeyspieler, Vizepräsident der ZSC Lions, Betriebswirtschafter HSG und seit zwei Jahren im Gehaltsausschuss der UBS, zum Werkplatz Schweiz steht. Zusammen mit Hans-Jürg Fehr und Viktor Giacobbo sitzt er zudem im Verwaltungsrat des Lokal-TV-Senders Tele Diessenhofen. Note 6,33

12 (23)
Siegenthaler Peter (58)
Direktor Eidgenössische Finanzverwaltung

Nach dem Grounding der Swissair hat Siegenthaler beim Aufbau der neuen Swiss eine wichtige Rolle gespielt. Heute sitzt er als Vertreter des Bundes im Verwaltungsrat. Seine finanzpolitischen Kompetenzen sind unbestritten: Seit 24 Jahren arbeitet er für die Eidgenössische Finanzverwaltung. Seit 2000 ist er Direktor. Mit SBB-Chef Benedikt Weibel und Post-Chef Ulrich Gygi hat er in Bern studiert und teilweise zusammengearbeitet. Viel Kopfzerbrechen wird Siegenthaler die Sanierung der Pensionskassen von Post, SBB und Bund bereiten. Im Gespräch ist er auch als möglicher Nachfolger von Benedikt Weibel. Note 6,31

13 (3)
Frick Bruno (53)
Ständerat CVP

Als Vizepräsident einer Partei, welche die nächste Bundesrätin stellt, steht der Schwyzer Anwalt wieder vermehrt in der Öffentlichkeit. Als Präsident des Gläubigerausschusses der SAirGroup wird er sich im kommenden Jahr über Medienpräsenz nicht beklagen können. Und als Mann appellierte er im letzten Monat an die Wirtschaft, Vaterschaftsurlaube zu gewähren und vermehrt Teilzeitstellen für Väter einzurichten. «Mann, Vater und Sohn: neue Herausforderungen, neue Rollen» heisst das schöne CVP-Papier, das er der Öffentlichkeit präsentierte. Selbstverständlich ist auch der Staat angesprochen, von diesem werden nämlich einige Rahmenbedingungen gefordert: Die «Heiratsstrafe» sei endlich abzuschaffen, und die geschiedenen Väter seien beim Sorgerecht und Steuerzahlen nicht mehr zu benachteiligen. Note 6,27

14 (24)
Leuenberger Moritz (59)
Bundesrat SP

Bereits zum zweiten Mal ist der Achtundsechziger Bundespräsident. Der dienstälteste Bundesrat polarisiert. Er ist der Busenfeind der SVP, allen voran von Parteichef Ueli Maurer, der bei den Zürcher Regierungsratswahlen 1991 gegen Leuenberger unterlegen ist. Aus «grosser Sorge um das Departement» empfahl Maurer im vergangenen Jahr, ihn nicht wiederzuwählen. Leuenberger wurde glänzend wiedergewählt. Und wird nach eigener Aussage im Amt «bleiben, bis die Gletscher wieder wachsen». Lange Zeit war der feinsinnige Uvek-Chef in den eigenen Reihen umstritten. Als er vor vielen Jahren vorschlug, die Swisscom zu verkaufen, hagelte es Proteste. In seinem Departement sind wichtige Weichen gestellt worden: LSVA, bilaterales Landverkehrsabkommen, Neat. Vorläufig gescheitert ist er mit dem Staatsvertrag und der CO2-Abgabe. Note 6,25

15 (5) Sommaruga Simonetta (46)
Ständerätin SP
Note 6,22

16 (27) Roth Jean-Pierre (60)
Präsident Direktorium Schweiz. Nationalbank
Note 6,19

17 (29) Merz Hans-Rudolf (63)
Bundesrat FDP
Note 6,17

18 (*) Strahm Rudolf (62)
Preisüberwacher
Note 6,14

19 (*) Schneider-Ammann Johann Niklaus (54)
Nationalrat FDP
Note 6,11

20 (6) Pelli Fulvio (55)
Nationalrat und Präsident FDP
Note 6,06

21 (*) Schmid Samuel (59)
Bundesrat SVP
Note 6,00

22 (28) Rechsteiner Paul (53)
Nationalrat SP
Note 5,94

23 (14) Schmid-Sutter Carlo (56)
Ständerat CVP
Note 5,81

23 (8) Fust Walter (61)
Direktor Deza
Note 5,81

25 (26) Mörgeli Christoph (45)
Nationalrat SVP
Note 5,78