Angesichts von Ivo Adams Lebenslauf wird einem schwindlig: gebürtiger Seeländer, ausgebildeter Koch und Hotelier, Kochweltmeister, Produzent der CD «Räpzept», auf der er in fulminanter Hip-Hop-Manier Kochrezepte herunterrappt und mit der er durch Schulhäuser tourte, Träger des Milestone 2003, des Schweizer Tourismuspreises als beste Nachwuchskraft, seit März 2005 Geschäftsführer der «Apropos – Kaltenherberge» im oberaargauischen Roggwil und ganze 27 Jahre jung. Ein Tausendsassa, ein wahrer Hansdampf, denkt man sich und ist erstaunt, nicht über die Eloquenz, das Selbstbewusstsein des jugendlich wirkenden Mannes, sondern über seine Reife und die Zündkraft seiner Ideen.

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In Roggwil ist Ivo Adam daran, ein Gastronomiezentrum aufzubauen, das, falls ihm Erfolg beschieden ist (und die ersten Monate deuten ganz darauf hin), wegweisend für die serbelnde Schweizer Gastroszene wirken dürfte. Das Schicksal meinte es dabei natürlich gut mit ihm. Es liess ihn mit René Brogli zusammentreffen. Der Aargauer Imobilienhändler hatte das Gelände der ehemaligen «Kaltenherberge» erworben. Die geschichsträchtige Wirtschaft war im November 2002 komplett niedergebrannt. Brogli wollte nicht einfach ein weiteres Gourmetrestaurant schaffen, sondern ein hedonistisch-gastronomisches Begegnungszentrum mit unterschiedlichen Angeboten, offen für die ganze Bevölkerung. Das architektonisch anspruchsvolle, mutige Projekt – einen verschachtelten Betonkubus – liess er sich von der Münchner Architektin Marie Aigner entwerfen. Ivo Adam zog er schon im frühen Planungsstadium bei. Der Koch entwarf die Küche und redete bei der Gestaltung von Inhalt und Form der verschiedenen Teilbereiche mit.

Nun bewegt man sich in der neuen «Kaltenherberge» wie in einem Warenhaus des kulinarischen Genusses. Ins Untergeschoss lockt die elegante Swisswine-Bar, in der in Zusammenarbeit mit der Marketingorganisation des Schweizer Weins feinste einheimische Tropfen ausgeschenkt werden. Im Erdgeschoss wählt man zwischen dem Bistro mit einer günstigen, gutbürgerlichen Küche, dem Gourmetrestaurant und der Raucherlounge. Der breiten Einblick gewährenden Küche angebaut ist ein grosszügiger «Chefstable». Im Garten mit seinen würfelförmigen Bungalows serviert eine eigene Brigade Grillspezialitäten. Und im zweiten Geschoss liegen moderne Seminarräume.

Uns interessiert natürlich vor allem das Restaurant. Schliesslich ist Ivo Adam vor allem anderen Koch. Er holte den Feinschliff bei Daniel Bumann in der Engadiner «Chesa Pirani» und steht während der Servicezeiten als Dirigent am Pass, während die topmotivierte Brigade unter seinem Stellvertreter Lukas Kuster schuftet. Adam nennt seine Kochphilosophie etwas modisch «transparentes» Kochen. Ein Hauptanliegen ist ihm, den Geschmack des Rohprodukts möglichst unverfälscht ins Gericht zu integrieren. Er will kein Fruchtsalatkoch sein, der alles mit allem kombiniert, sondern wenige, manchmal durchaus überraschende und herausfordernde Akzente setzen und den Gast für feinste Nuancen sensibilisieren.

Hohe Ansprüche in der Tat – die Adam bravourös erfüllt. Fabelhaft gelingt ihm die Mariage verschiedenster Geschmäcker. Die Ziegenkäseravioli (leider leicht unterkühlt) harmonieren gut mit dem Rucola, den selbst getrockneten Tomaten und der Apfelvinaigrette. Ein Volltreffer der zweite Gang: Taubenbrüstchen auf mariniertem Randen-Feigen-Salat mit Waldpilzen und Geflügelschaum. Jedes Element für sich ein Genuss, als Kombination eine gelungene Sinfonie. Das Orangen-Fenchel-Kompott mit Couscous an Weissweinsauce bildet die spannende Unterlage für das leicht nussige Saiblingsfilet. Und beim Milchkalbsentrecôte mit glacierten Zucchettistreifen löffelt man mit Genuss den wunderbar sähmigen Kalbsrahmjus zur luftigen Basilikum-Mousseline. Gut, dass danach die Rhabarber-Mousse mit Himbeer-Spiess an Limonengras das beschwingte Essen so leicht wie eine frische Frühlingsbrise beendet.

Restaurant Apropos – ehemalige Kaltenherberge

Ivo Adam, Landstrasse 53, 4914 Roggwil BE,Tel. 062 918 80 90, www.apropos-kaltenherberge.ch, Menü 65 bis 108 Franken, montags und dienstags geschlossen.

Martin Kilchmann ist Weinspezialist und testet für BILANZ regelmässig die guten Restaurants des Landes