Der 12. Mai war ein Blatter-Tag. Fifa-Präsident Sepp Blatter war in Moskau, um den Zeitplan für die WM 2018 zu besprechen. Am Abend dinierte er mit Wladimir Putin, der ihm volle Rückendeckung zusicherte. Der Ministerpräsident will sich als Dank für die WM-Vergabe an Russland erkenntlich zeigen und Blatter im Kampf ums Fifa-Präsidium die Stimmen der GUS-Staaten zuhalten. Am Weltkongress vom 1. Juni in Zürich geht es für den Putin-Intimus ums Überleben. Dann wird der Weltfussballkönig für die nächsten vier Jahre gewählt.

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Der kleingewachsene Machiavelli-Bewunderer aus Visp hat gute Chancen, die Mehrheit der 208 Stimmen zu erhalten und sich zum vierten Mal den Präsidentenstuhl zu sichern. Dafür greift der 75-Jährige tief in die eigene Tasche: Blatter lässt sich den Wahlkampf rund 600 000 Franken kosten – ein halbes Jahressalär, exklusive Bonus und Kleiderzulage.

Dank Offensivgeist, Lobbying und Goodies weiss Sepp Blatter fünf der sechs Kontinentalverbände in der Mehrheit hinter sich (Südamerika, Europa, Zentralamerika, Ozeanien, Afrika). Sein Widersacher Mohammed Bin Hammam, Geschäftsmann aus Katar und Präsident des Asiatischen Fussballverbandes, darf auf den integralen Support des asiatischen Kontinentalverbandes und von Dissidenten zählen.

Die Freunde

Langjähriger Weggefährte ist Wirtschaftsanwalt Peter Nobel (Nobel & Hug), der Blatter einen rechtlichen 24-Stunden-Service bietet. Ein Mann der ersten Stunde ist auch Fritz Peter, ehemaliger Präsident des Grasshopper Club und Schweizer Leasingpionier. Peter orchestriert aus dem Off Blatters Präsidentenwahlkampf.

Eng verbandelt ist Blatter mit einflussreichen Funktionären des europäischen Fussballs, darunter Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fussballbundes und Neumitglied im Fifa-Exekutivkomitee. Michel Platini, Präsident des europäischen Fussballverbandes Uefa, sichert Blatter die Mehrheit der Uefa-Landesverbände ab. Der Franzose, ehemaliger Spielmacher der «Bleus», hat eigene Ambitionen: Er will Blatter in vier (oder zwei?) Jahren als Fifa-Präsident beerben. Support geniesst der Schweizer neuerdings von Issa Hayatou, Präsident des Afrikanischen Fussballverbandes. 2002 noch wollte der Kameruner Blatter aus dem Amt kippen; nun, da er wieder einmal unter Korruptionsverdacht steht, sucht er Blatters Rückendeckung.

Die präsidiale Tafelrunde steht im Zürcher Restaurant Sonnenberg, das Freund Freddy Burger, Gastro- und Kulturmanager, betreibt. Herr der Kochtöpfe im «Sonnenberg» ist Jacky Donatz, der an den Fifa-Anlässen das Catering besorgt. Ein Akkordant ist auch Eventmanager Hans-Jürg Rufener. Rufener Events, seit 2009 zur MCH Group gehörig, organisiert weltweit die Fifa-Kongresse.

Die Feinde

Galle spuckt beim Stichwort Blatter der Südkoreaner Chung Mong Joon, Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees und Sohn von Hyundai-Gründer Chung Ju-Yung. Pikant: Hyundai ist Millionensponsor der Fifa. Chung ermunterte den Katarer Mohammed Bin Hammam, gegen den Schweizer zu kandidieren. 1998 und 2002 hatte dieser noch Blatter die nötigen Stimmen in Afrika und Asien besorgt. Leidenschaftlicher Blatter-Basher ist der britische Journalist Andrew Jennings, der via Website «Transparency in Sport» im Stundentakt keilt. Jüngstes Beispiel: ein Foto von Blatter mit Charles Taylor, dem früheren Diktator Liberias («Blatter und der Serien-Killer»). Zum Anti-Blatter-Lager zählt SVP-Nationalrat Roland Büchel, Ex-Mitarbeiter der Sportvermarktungsfirma ISL, die nach Schmiergeldzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe pleiteging (Büchel: «Fifa-Funktionäre sind korrupt»). Besorgt um die Reputation der Fifa sind das langjährige Exekutivmitglied Franz Beckenbauer und FC-Bayern-CEO Karl-Heinz Rummenigge. Sauer sind schliesslich Politiker, deren Länder bei der WM-Vergabe leer ausgingen, zuvorderst Grossbritanniens Premier David Cameron.

Die Fendant-Connection

Im Geburtsort Visp steht das Joseph-Blatter-Schulhaus, in Ulrichen wird jährlich das Sepp-Blatter-Turnier bestritten. Relaisstation der Fendant-Connection ist René Imoberdorf, Visper Stadtpräsident, CVP-Ständerat und Präsident der Sepp Blatter Foundation. In der Foundation sitzt auch Jean-Paul Brigger, Ex-Fussballnationalspieler. Ihn machte Blatter zum Präsidenten der Technischen Studiengruppe, welche die Trends auf den Fussballplätzen analysiert. Die beiden Heimwehwalliser beissen gelegentlich am «Sternen-Grill» beim Zürcher Bellevue in einen Cervelat. Zur Diaspora zählt Martin Werlen, Abt im Kloster Einsiedeln. Er und Blatter sind Ehrenburger von Obergoms.

Die Karriere

Blatters Vater Benjamin Blatter, ein Velomechaniker, arbeitete im Lonza-Werk in Visp. Der bilingue Filius studierte an der Universität Lausanne Wirtschaftswissenschaften und arbeitete beim Walliser Verkehrsverband, dann im Marketing der Uhrenmarke Longines. Eng verbunden war er mit den Brüdern Marco und Peter. Der Jüngere, Marco, war CEO von Swiss Olympic und Lobbyist des Schweizer Spitzensports. Peter, der ältere, studierte Elektroingenieur in Burgdorf und war in der Energiewirtschaft tätig.

Über Swiss Timing kam Sepp Blatter mit João Havelange, Fifa-Präsident aus Brasilien, in Kontakt. 1975 heuerte er als Chef des Fifa-Entwicklungsprogramms an; 1981 löste er Helmut Käser als Generalsekretär ab. Blatters formidable Geschäftskontakte zu Coca-Cola und Adidas trugen dem Fussballverband Sponsorengelder und Ausrüstungsmaterial ein.

Mit 82 Jahren trat Havelange zurück. Endlich, dachte sich Blatter, der seit längerem mit den Hufen scharrte. 1998 liess er sich zum Havelange-Nachfolger und achten Präsidenten des Weltfussballes küren. Blatter war Oberst der Armee.

Die Frauen

Der Hobbytänzer gilt als Charmeur alter Schule. Aus erster Ehe stammt Tochter Corinne, Englischlehrerin in Visp und Sekretärin der Sepp Blatter Foundation. Seine zweite Frau war die Tochter von Fifa-Generalsekretär Helmut Käser, der gegen die Heirat war und nicht zur Hochzeit erschien. Für Heiterkeit sorgte die Ehe mit der zwanzig Jahre jüngeren Delfin-Trainerin Graziella Bianca. Vor der Hochzeit bat Blatter den Bischof von Sion (ein Militärkollege), für eine kirchliche Trauung im Vatikan zu lobbyieren. Nach einem Jahr scheiterte die Ehe. Zwischenzeitlich fand er Trost bei der 25 Jahre jüngeren Polin Ilona 
Boguska. Derzeit wohnt er solo und unter dem Pseudonym «Von Ulrichen» in 
einer Fifa-Liegenschaft am Zürichberg. Nachbarn sind Swiss-Re-Präsident Walter Kielholz, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Financier René Braginsky.