Einen deutlichen Sprung nach oben hat der Frauenanteil in den Teppichetagen 2016 gemacht. Bei den 100 grössten Schweizer Unternehmen war mehr als jeder fünfte Neuzugang in die Geschäftsleitungen eine Frau. Wie der Schilling-Report zeigt, beträgt die Zunahme damit so viel wie das Plus über die gesamten zehn Jahre zuvor. Mit einem Mal von 6 auf 8 Prozent. Einerseits ist das ermutigend: Es geht also doch. Andererseits ist da auch Ungeduld: Wenn es doch geht, warum hat es dann so lange gedauert?

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Auch die Verwaltungsräte der Schweizer Firmen sind mit diesem Frühjahr weiblicher geprägt, der Frauenanteil steigt um 2 Prozentpunkte auf 18 Prozent. Das zeigt eine exklusive Auswertung von Executive Searcher Guido Schilling für die «Handelszeitung». Schilling hat die besten 150 Firmen an der Schweizer Börse und die 30 grössten nicht börsenkotierten Unternehmen darauf untersucht, wer in die Kontrollgremien eingezogen ist. Resultat: 30 Frauen haben neu ein VR-Mandat übernommen. Die «Handelszeitung» stellt sie alle vor.

Trend oder Ausreisser?

Die Frage aber ist: Bedeutet das Plus nur einen Ausreisser nach oben? Guido Schilling sieht die Entwicklung positiv, er deutet sie als Trendwende. «2016 ist ein Durchbruch geschafft worden, der Anteil von Frauen in Verwaltungsräten und im Top-Management wird künftig schneller zunehmen», sagt er. Für ihn wird es auch höchste Zeit, liegt die Schweiz international doch im hinteren Mittelfeld. Bei deutschen Dax-Firmen zum Beispiel ist die 30-Prozent-Marke fast erreicht. Schilling sagt: «Wir müssen uns enorm anstrengen, um nicht abgehängt zu werden.» 

In seinem Glauben an den Wandel bestärkt Schilling, dass sich die Biografien der Frauen verändern, die es an die Spitze schaffen. Als Berater unterstützt er seit vielen Jahren Firmen bei der Suche nach CEO und Verwaltungsräten. Seit zwölf Jahren erhebt er im Schilling-Report jährlich den Frauenanteil in Schweizer Konzernspitzen.

Hier zieht er den Vergleich: «Frauen sind heute stärker darauf fokussiert, auch im Kerngeschäft Karriere zu machen», sagt er. Weibliche Angestellte mit Ambitionen konzentrierten sich nicht länger allein auf die Bereiche Recht, Personal und Kommunikation. «Sie sind auch häufiger bereit, den Einstieg über das zeitintensive Consulting zu suchen – ein hervorragendes Sprungbrett.»

Männer kennen Männer, keine Frauen

Den Verwaltungsräten nützt, dass immer mehr Frauen mit operativer Erfahrung ein Mandat übernehmen. Managerinnen wie Monique Bourquin oder Maya Bundt, die den Aufstieg bei Grosskonzernen bewältigt haben und damit hochkarätige Erfahrung mitbringen. Monique Bourquin war bis 2016 Finanzchefin bei Unilever Deutschland. Nach ihrem Ausscheiden hat sie mehrere VR-Mandate übernommen, eines davon bei Straumann. Sie ist damit neben Regula Wallimann eine der zwei ersten Frauen, die neu in den Verwaltungsrat beim Dentaltechniker einziehen. Dieser war bisher rein männlich besetzt.

Topshot Maya Bundt ist 2003 bei der Swiss Re als Senior-Projektmanagerin eingestiegen und hat sich hochgearbeitet. Der Sitz im Verwaltungsrat der Bank Valiant ist ihr erstes Mandat. Zu den erfahrenen Top-Managerinnen zählt auch die langjährige Xerox-Chefin Ursula Burns, die künftig bei Nestlé die Chefs beaufsichtigt.

Fünf Unternehmen haben zum ersten Mal eine Frau

Premiere feiern aber nicht nur viele der Frauen auf der Liste. Auch fünf Unternehmen haben zum ersten Mal eine Frau in den Verwaltungsrat gewählt: Neben Straumann sind das Basilea, Coltène, Fenaco und die SFS Group. Jetzt fehlen noch 37 Unternehmen, bis bei allen der 180 grössten Firmen mindestens einmal eine Frau ein VR-Mandat innehatte. Darunter sind neben Energiekonzern Alpiq, der allerdings seit 2013 mit Jasmin Staiblin von einer Frau geführt wird, vor allem Industrieunternehmen.

Von Autoneum über Burkhalter bis Stadler Rail und Rieter haben diese Firmen noch nie eine Frau in den Verwaltungsrat geholt. «Viele Industrieunternehmen haben Nachholbedarf», sagt Guido Schilling. «Diese kommen aus einer Vergangenheit, wo sie den kleinen Frauenanteil in den Top-Etagen damit erklären konnten, dass wenige Frauen überhaupt technische Berufe ergreifen. Das gilt heute auch nur noch bedingt.»

Er selbst mache immer wieder die Erfahrung, dass es in der Branche qualifizierte Frauen gibt, diese aber den Entscheidern nach wie vor unbekannt sind. Schilling sagt: «Neulich konnte ich bei einer Managementsuche zehn Frauen für eine VR-Position vorschlagen. Neun von zehn Frauen waren den Suchenden unbekannt, obwohl sie topqualifiziert waren.»

Die neuen Top-Frauen in den Schweizer Verwaltungsräten sehen Sie oben in der Bildergalerie.