Griechische und türkische Zyprer sondieren wieder die Möglichkeiten für eine Wiedervereinigung ihrer seit 1974 geteilten Insel. Diesmal in Genf, auf neutralem Schweizer Boden. Woran scheiterte bislang eine Einigung? Und: Kann es überhaupt noch eine Lösung geben?

Seit fast 43 Jahren wird über eine Lösung der Zypern-Frage verhandelt. Wie eine Fata Morgana scheint sie immer wieder nahe zu sein - und rückt bei näherem Betrachten doch in weite Ferne. Nun gibt es einen neuen Anlauf: In Genf kommen diese Woche hochrangige Vertreter der Konfliktparteien, der UNO und der EU zusammen. Kann die Teilung der drittgrössten Mittelmeerinsel doch noch überwunden werden?

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Was ist das Problem auf Zypern?

Auf der Insel leben griechische und türkische Zyprer. Sie haben nicht nur unterschiedliche Sprachen und Religionen. Die ethnischen Konflikte zwischen Griechen und Türken gehen bis in die Zeiten des Byzantinischen und Osmanischen Reiches zurück. Zudem streiten sich die «Mutterstaaten», die Türkei und Griechenland, um geopolitische Themen in der Region.

Auch Grossbritannien, bis 1960 Kolonialmacht, hat Zypern nicht ganz aus ihrem Griff entlassen: London unterhält auf der strategisch wichtigen Insel im östlichen Mittelmeer zwei grosse Stützpunkte. Sich von diesen Einflüssen zu lösen, ist für die Zyprer - egal ob griechischer oder türkischer Abstammung - nicht leicht. Denn Ankara, Athen und London sind Garantiemächte für die Insel und haben ein Mitspracherecht bei allen Themen, die die Sicherheit betreffen.

Wie ist es zu der Trennung gekommen?

Die Verfassung Zyperns zementierte ein Vetorecht der türkischen Minderheit zu fast allen Themen. Die Mehrheit der griechische Zyprer strebte eine Vereinigung mit Griechenland an und unterdrückte die türkischen Zyprer, die zu Bürgern zweiter Klasse wurden. Viele mussten nach Übergriffen griechisch-zyprischer Freischärler ihre Dörfer verlassen. Die Türkei trat dagegen für eine Teilung der Insel ein und lieferte Waffen und Militärexperten an ihre Landsleute. Es kam zu ethnischen Unruhen mit Hunderten Opfern.

Als griechische Offiziere 1974 versuchten, die Vereinigung mit Griechenland mit einem Putsch durchzusetzen, machte die Türkei von ihrem Eingriffsrecht als Garantiemacht Gebrauch und besetzte den Inselnorden. 160'000 griechische Zyprer und 40'000 türkische Zyprer wurden in den jeweils von der eigenen Volkgruppe kontrollierten Teil umgesiedelt. Seitdem leben griechische und türkische Zyprer getrennt. Die UNO forderte von Ankara 1974 einen Abzug der Besatzungstruppen - bisher vergeblich.

Wer vertritt denn die Republik Zypern?

Praktisch sind es die griechischen Zyprer. Da die UNO die abtrünnige Türkische Republik Nordzypern nicht anerkennt, vertritt die Regierung in «Nikosia-Süd» die Insel. Den Stempel «Republik Zypern» haben die griechischen Zyprer. Die ganze Insel ist seit 2004 Mitglied der EU. EU-Regelwerk und -Recht gelten aber nur im Südteil der Insel, der unter der Kontrolle der international anerkannten Regierung ist.

Was gilt für die türkischen Zyprer? Welchen Status haben sie?

Sie sind als Bürger der EU anerkannt. Mehrheitlich haben sie bereits Pässe und Ausweise der international anerkannten Republik Zypern und können so als EU-Bürger problemlos reisen. Seit 2003 ist die Trennlinie zwischen dem Norden und dem Süden der Insel passierbar. Zyprer und Besucher können auf die jeweils andere Seite fahren.

Kann es unter diesen Bedingungen eine Wiedervereinigung geben?

Das ist angesichts des herrschenden diplomatischen und geopolitischen Wirrwarrs schwer vorhersagbar. Die Republik Zypern erkennt den Norden nicht an. Der Norden erkennt den Süden nicht an und spricht von der Verwaltung der griechischen Zyprer im Süden.

Der griechisch-zyprische Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, versteht sich in erster Linie als Vertreter der Republik Zypern und erst danach als Volksgruppenführer der griechischen Zyprer. Der türkisch-zyprische Präsident der nicht anerkannten Republik im Norden, Mustafa Akinci, sagt, die Republik Zypern sei «gestorben»; eine neue Republik - mit einem türkisch- und einem griechisch-zyprischen Bundesstaat - solle alle Verträge unterzeichnen - falls es zu einer Einigung komme.

Und was sagen die Zyprer?

Viele Menschen auf Zypern meinen, ohne den Einfluss der Mutterstaaten wäre es gar nicht zur Trennung der Insel gekommen. Inzwischen haben allerdings die türkischen Zyprer Angst, dass sie ohne den Schutz der Türkei wieder unterdrückt werden könnten. Und die griechischen Zyprer fürchten eine Übermacht der Türkei und lehnen sowohl die türkischen Truppen auf der Insel als auch den Status der Türkei als Garantiemacht ab. Die Generation der Zyprer, die einst zusammen mit der jeweils anderen Volksgruppe lebte, stirbt langsam aus.

(sda/ccr)