Hohe Gehälter, schöne Natur, stabiles Umfeld. Eigentlich müsste die Schweiz von Expats als Paradies wahrgenommen werden. Dem ist aber nicht so. Immer wieder gibt es Berichte über Schwierigkeiten im Sozialleben und die angebliche Kühle des Schweizers gegenüber Expats. Eine Befragung von 18 000 Expats durch das Expat-Online-Portal Internations, das weltweit 2,7 Millionen Mitglieder hat und in 390 Städten vertreten ist, gibt der Schweiz erstaunlich schlechte Noten auch in anderen Bereichen wie Familienleben und Karrierechancen. Seit 2017 ist die Schweiz in der globalen Rangliste um 17 Plätze gefallen und belegt Rang 44 von 68.

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Schlechtere Chancen

Besonders verschlechtert haben sich die Bewertungen in Bezug auf Arbeit und Familienleben – seit 2014 büsste die Schweiz hier 16 beziehungsweise 14 Plätze ein. Waren 2014 beispielsweise noch 63 Prozent der Studienteilnehmer mit ihren Karrierechancen in der Schweiz zufrieden, so hat sich dieser Anteil über die Jahre auf 55 Prozent reduziert. Ähnlich gesunken ist der Anteil an Expats, die mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden sind: von 67 Prozent in 2014 auf 59 Prozent in 2018. Eltern in der Schweiz hingegen sind beispielsweise weniger zufrieden mit ihrem Familienleben im Allgemeinen (75 Prozent positive Bewertungen im Jahr 2018 versus 81 Prozent in der Studie 2014) sowie mit dem Betreuungsangebot für Kinder im Allgemeinen (43 Prozent negative Bewertungen 2018 versus 36 Prozent 2014).

Neben solchen tatsächlichen Verschlechterungen lässt sich das Resultat für das Familienleben in der Schweiz aber teilweise auch mit der steigenden Anzahl an Ländern, die es in den Index schaffen, erklären: Waren es 2014 noch 34 Länder im Index zum Familienleben im Ausland, so sind es 2018 ganze 50.

Buddy-System als Lösung

Viel besser als die Schweiz schneiden etwa Bahrain, Taiwan, Singapur, Spanien und Costa Rica ab. Viel schlechter als die Schweiz werden immerhin Saudi-Arabien, Indien, die Türkei, Ägypten und Griechenland wahrgenommen. Zu den Aufsteigern im Ländervergleich gehören etwa Israel, Australien und lateinamerikanische Länder wie Panama, wo sich Expats besonders wohl fühlen.

Ähnlich schlecht wie in der Schweiz scheinen sich Expats in Schweden, Malta oder Rumänien zu integrieren. Auch dort wird die negativ-kritische Einstellung gegenüber Expats hervorgehoben und Freundschaften mit Einheimischen gestalteten sich als schwierig bis unmöglich. Co-CEO von Internations, Malte Zeck, sagt, dass sich jeder siebte Studienteilnehmer in der Schweiz mit seinem Leben hierzulande «unglücklich» fühle. Was aber tun gegen den Blues, den viele Expats beim Leben in der Schweiz und mit Schweizern befällt? Ist mehr Anstrengung vonseiten der Expats gefordert oder sollen die Schweizer ihre Haltung gegenüber Expats überdenken?

Soziale Integration

«Vielleicht könnte hier so etwas wie ein Buddy-System für Expats helfen, zum Beispiel in einem Betrieb oder sogar auf Gemeindeebene. Neuankömmlinge aus dem Ausland könnten sich dabei mit einem ehrenamtlichen Schweizer ‹Mentor› etwa einem ihrer neuen Kollegen oder Nachbarn, zusammentun», sagt Zeck.Das könne bei Eingewöhnungsschwierigkeiten helfen. Immerhin stimmen 63 Prozent der Studienteilnehmer der Aussage zu, dass sie «nicht genügend Möglichkeiten haben, um soziale Kontakte zu knüpfen.»

53 Prozent der befragten Expats in der Schweiz sind hauptsächlich nur mit anderen Expats befreundet. Weltweit liegt dieser Wert nur bei 34 Prozent. Erschreckenderweise geben fast 60 Prozent zudem an, dass sie keinen Freundes- und Bekanntenkreis mit starken sozialen Bindungen im Land haben. Das Problem wurde in den letzten Jahren immer wieder von Expats und Medien thematisiert. Es scheint sich in der Wahrnehmung und im Alltag der ausländischen Arbeitskräfte in dieser Hinsicht erstaunlich wenig verändert zu haben.

Neben dem Problem der sozialen Eingliederung wird das Thema Kinderbetreuung als problematisch und vor allem überteuert angesehen: Trotz den grosszügigen Gehältern bezeichnen zirka drei von vier Expat-Eltern (74 Prozent) Kinderbetreuung in der Schweiz als wenig erschwinglich. Mehr als drei von fünf (61 Prozent) empfinden auch das Betreuungsangebot als unzureichend. Das ist gerade für Dual-Career-Paare ein Problem, die sich vielleicht darüber freuen, dass beide eine hoch bezahlte Stelle gefunden haben, aber so viel für Kitas ausgeben müssen, dass sich der Unterschied zu anderen Ländern relativiert.

Stefan Mair
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