Mit der Sommerhitze kommt der Stress: Was ist die richtige Temperatur im Büro? Die einen wollen die Fenster aufreissen, damit Zugluft reinkommt. Im Kühlschrank liegt die Glace. Die Schuhe sind ausgezogen. Andere hingegen machen den Sommer zum Klimaanlagen-Winter: Das Thermostat steht auf frischen 19 Grad. Sensible Zeitgenossen bibbern und kramen im Schrank nach dem Pullover, der seit Februar noch da liegt. 

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Dieser Zweikampf wird sich in Zukunft noch verschärfen. Auguren, die jeden Tag unser Klima erforschen, sprechen bereits vom Zwei-Jahreszeiten-Jahr. Angesichts der globalen Veränderungen verschwinden Herbst und Frühling. Das Jahr besteht künftig, so die Voraussage, nur noch aus Sommer und Winter. Und der Sommer wird immer heisser.

Kopfschmerzen wegen der Hitze 

Was die «richtige» Wohlfühltemperatur ist, darüber streitet eine ganze Phalanx von Experten. Architekten, Baugestalter, Gebäudetechniker, Arbeitswissenschafter und immer wieder Professoren sind auf der Suche nach den optimalen Arbeitsbedingungen. Auch in Hitzesommern soll es nicht zu heiss sein. 

Zu hohe Temperaturen führen zu Kopfschmerzen, Müdigkeit bis hin zu Übelkeit und Irritationen an Augen, Nase und Hals. Die Produktivität der Arbeitnehmenden sinkt rapide. «Wird es 28 Grad warm, sinkt die Performance um 5 Prozent. Bei 31 Grad ist sie schon um 10 Prozent niedriger», sagt Christian Monn, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Bern

Eine Reihe von Studien belegt die Aussage. Eine der umfangreichsten Analysen zu diesem Thema machte eine interdisziplinäre und länderübergreifende Forschergruppe aus der Schweiz und Schweden. Experten der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), der ETH Zürich und der schwedischen Chalmers University eruierten in einem mehrjährigen Projekt den Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Raumklima. Die Credit Suisse, die Zürcher Kantonalbank und der Büroausstatter Witzig haben das Vorhaben unterstützt. Die Forscher befragten 6000 Personen in 26 Gebäuden und analysierten 700 000 Messwerte. 

Das Ergebnis: Zu warme, schlechte und trockene Luft ist der zweitwichtigste Faktor für das Begünstigen von Erschöpfungssymptonen wie Trägheit, Schlaffheit, Konzentrationsschwierigkeiten und Schwindel. Im Vergleich dazu spielt das Alter eine untergeordnete Rolle. 

Das Geschlecht dagegen ist ein zentraler Faktor, was von der Populärkultur immer wieder auf die Schippe genommen wird. Auch in diesen Tagen kursiert wieder das Satirevideo «Why Summer is Women’s Winter». Das Youtube-Stück ist ein Internet-Blockbuster mit fast vier Millionen Klicks und einer nicht enden wollenden Online-Diskussion dazu. Der Plot des Filmchens: Kommt die Hitze, machen es sich die Männer im Büro im T-Shirt gemütlich und die Frauen fangen an, blaue Lippen zu bekommen. 

 

Die Forschungsergebnisse haben auch schon bei den Paragrafenzimmerern in Bern Echo gefunden. Das Arbeitsgesetz steckt den Rahmen dessen ab, was erträglich ist. In der «Wegleitung zur Verordnung 3», die die Umsetzung des Gesetzes regelt, heisst es in Artikel 16 unter der Überschrift «Raumklima»: «Raumtemperatur, Luftgeschwindigkeit und relative Luftfeuchtigkeit sind so zu bemessen und aufeinander abzustimmen, dass ein der Gesundheit nicht abträgliches und der Art angemessenes Raumklima gewährleistet ist.» 

Technisch ist die Hitzebeseitigung kein Problem. Jeder Raum lässt sich heute mit einer Klimaanlage ausstatten. Das geht auch für wenig Geld. Bei der Micasa gibt es für überschaubare Franken-Beträge ein ganzes Sortiment von Klimaanlagen auf Rollen. Der 30-Kilo-Bolide mit dem programmatischen Produktnamen Pinguino etwa kann einen Büroraum runterkühlen, in dem acht Mitarbeiter Platz haben. 

Politisch und umweltmässig korrekt aber sind Klimaanlagen nicht. Der Pinguino saugt mehr Strom aus der Leitung als Bügeleisen, Staubsauger und alle Energiesparbirnen zusammen. Hochgerechnet auf die Belegschaft eines 350-Mitarbeiter-Betriebes ist das ein CO2-Fussabdruck, der nicht mehr unter die Überschrift «nachhaltig» passt.

Maximaltemperatur: 26,5 Grad 

Das ist inzwischen auch in der Rechtsetzung angekommen. «In Gebäuden darf nicht einfach eine Klimaanlage eingebaut werden. Der Betreiber muss gemäss gültigen Normen und kantonalen Vorgaben nachweisen, dass ein Bedarf nach Kühlung besteht – und er muss die Energiebestimmungen einhalten», sagt Seco-Mitarbeiter Monn. Deshalb soll die Temperierung von Räumen heute nicht mit maximalen, sondern mit angemessenen Mitteln betrieben werden. 

Tipps fürs Büro 

  • Kontrolle geben: Bei gleicher Temperatur wird Hitze als angenehmer empfunden, wenn Mitarbeiter die Kontrolle haben. Ventilator hochdrehen, Storen bedienen, Klimaanlage regeln. 
  • Örtlich flexibel: Wenns am Schreibtisch so richtig warm wird, Alternativen prüfen: In den Stockwerken in Erdgeschossnähe und auf der Schattenseite ist es oft kühler, teilweise auch im Homeoffice. 
  • Richtig lüften: Wenn die Sicherheit es erlaubt, ist Nachtlüftung gut. Starker Luftzug tagsüber kann negativ sein. Nur bei Hitzeperioden empfiehlt das Seco Zugluft mit mehr als 0,2 Meter pro Sekunde. 
  • Trockenheit messen: Laut Seco erstreckt sich die ideale Luftfeuchtigkeit von 30 Prozent relativer Feuchte (im Winterbetrieb bei 19 bis 24 Grad) bis 65 Prozent (im Sommerbetrieb bei 22 bis 28 Grad).

«Wer in einem Jugendstil-Altbau mit nicht zu grossen Fenstern sitzt, kann sich glücklich schätzen», sagt Urs-Peter Menti, Professor mit Schwerpunkt Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern. Hier können Wissensarbeiter völlig ohne energiefressende Technik für ein gutes, sprich hitzearmes Raumklima sorgen. Dafür gibt es eine Anleitung, die so einfach wie wirksam ist: «Fenster auf, solange es noch frisch ist, also morgens, abends oder auch nachts. Sobald die Sonne brennt, Fenster zu und Jalousien runter oder die Vorhänge zuziehen», rät Lukas Windlinger, Professor an der ZHAW. 

Auch eine andere Massnahme ist fast gratis zu bekommen, verlangt allerdings Zugeständnisse bei der Etikette: die Wahl der richtigen Kleidung. Nicht immer ein ganz einfaches Thema, wie ein Beispiel von den Zürcher Tramchauffeuren zeigt: «Bis vor etwa zehn Jahren herrschte dort Uniformzwang mit langen Hosen, obwohl es in den Führerständen manchmal bis zu 38 Grad heiss wurde», berichtet Seco-Experte Monn. Heute hingegen dürfen die Tramchauffeure im Sommer in kurzen Hosen zur Arbeit kommen. 

Ein interessantes Detail in diesem Zusammenhang: Der Verzicht auf die Krawatte ist besser als das Hochdrehen der Klimaanlage, wenn es heiss wird. Diese Einsicht ist sogar juristisch verankert. In den Empfehlungen zur Umsetzung des Arbeitsgesetzes heisst es, dass eine Lockerung der Kleiderordnung den als erträglich empfundenen Temperatur-Korridor um 3 Grad nach oben erweitern kann. 

All das kann entscheidend zum Wohlgefühl beitragen. Ziel sollte es sein, die Temperatur im Innenraum des Büros auch im Hochsommer unter 26,5 Grad zu halten – denn ab diesem Schwellenwert wird es laut Forschungsresultaten ungemütlich. Das Seco empfiehlt für Büroarbeit im Winter ein Temperaturband von 21 bis 23 Grad. Im Sommer kann das auch nach oben angepasst werden auf Werte zwischen 23 und 26 Grad. «Ein ideales Leistungsprofil im Büro ergibt sich bei Werten um 22 Grad», sagt Monn.