Wer die Unternehmensleitsätze grosser Firmen studiert, stolpert immer wieder über ein interessantes Konzept: Mitunternehmertum. So schreibt etwa IBM in ihren Grundsätzen: «Alle arbeiten unternehmerisch, unbürokratisch und produktiv.» ABB fordert: «Unser Erfolg gründet auf der Selbstständigkeit und Eigeninitiative jedes Mitarbeitenden.» Helvetia wird noch deutlicher: «Wir fördern Eigenverantwortung, indem wir unternehmerisches Denken und Handeln belohnen.»

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Was heisst das aber konkret, wenn Firmen von Mitarbeitern dieses Mitunternehmertum einfordern? Warum sollen Mitarbeiter plötzlich genauso unternehmerisch denken wie der Firmeninhaber? Warum sollen sie sich mit ihrem geringeren Gehalt genauso viele Gedanken machen wie jene, die Chefgehälter beziehen?

Bindung wird gestärkt

Die Befürworter des Konzepts Mitunternehmertum führen an, dass dadurch die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen gestärkt wird. Gleichzeitig soll das Risiko des Mitarbeiterwechsels zu Konkurrenten reduziert werden.

Mitarbeiter, die sich so stark mit dem Unternehmen identifizieren und durch Anreizsysteme stark an das Unternehmen gebunden sind, seien zudem weniger anfällig für korruptes oder firmenschädigendes Verhalten. Auch das Klima im Betrieb soll durch Mitunternehmertum besser werden, weil Frustration durch das Gefühl, keinen Einfluss zu haben, vermieden wird.

Mitarbeiter wollen miteingebunden werden

Dass Mitarbeiter für das Konzept Mitunternehmertum offen sind, zeigt eine Studie der Beratungsfirma Haufe aus dem Jahr 2014. Damals wurden fast 12'000 Arbeitnehmer mit und ohne Führungsverantwortung in Deutschland, Österreich und in der Schweiz befragt. Rund drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie entscheidend zum Erfolg ihrer Unternehmung beitragen könnten, wenn sie sich stärker in Entscheidungen der Firma einbringen könnten. 77 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Einbindung in Unternehmensentscheidungen positiv auf ihre Motivation und Leistungsbereitschaft auswirkt. 70 Prozent der Befragten wünschen sich, stärker in Unternehmensentscheidungen eingebunden zu werden.

Wie sieht Mitunternehmertum aber konkret aus? Ein einheitliches Modell gibt es nicht. Vielmehr besteht die Möglichkeit, Führungsstrukturen so umzubauen, dass weniger Hierarchien übrig bleiben und Handlungsspielräume von Mitarbeitern gezielt erweitert werden können. Und natürlich können auch finanzbasierte Beteiligungsmodelle erprobt werden, die auch performanceorientiert ausgerichetet sein können. Ziel solcher Modelle ist es, die Motivation der Mitarbeiter über finanzielle Anreize, die an den Erfolg der Firma geknüpft sind, zu steuern. Für Arbeitgeber besteht durch diese Konzepte auch der Vorteil einer Flexibilisierung der Personalkosten.

Höhere Identifikation durch Gewinnbeteiligung

Dieter Frey, der an der Universität München Sozialpsychologie lehrt, erklärt: «Gewinnbeteiligung führt eindeutig zu einer höheren Identifikation mit der Arbeit. So werden Mitarbeiter motiviert, Verantwortung zu übernehmen. Es werden weniger Ressourcen verschwendet und mehr innovative Ideen entwickelt.»

Bei rein finanziellen Beteiligungsmodellen wird zwischen Erfolgsbeteiligungen und Substanzbeteiligungen unterschieden. Erfolgsbeteiligungen bezeichnen jene Modelle, die etwa Boni aufgrund der Entwicklung eines Aktienkurses beinhalten. Substanzbeteiligungen hingegen sind etwa Aktien, die Mitarbeiter erhalten.

Finanzielle Beteiligung ist nicht alles

Ob eine Mitarbeiterbeteiligung jemanden zum Mitunternehmer macht, wird immer wieder bezweifelt. Die finanzielle Beteiligung sei kein ausreichender Schritt, meint der Autor Rolf Wunderer, ein Doyen bei Fragen zu Mitarbeiterbeteiligungen: «Neben finanziellen Anreizen muss vor allem ein entsprechendes unternehmerisches Umfeld geschaffen werden.» Das heisst, gegenseitige Unterstützung von Ideen, Vertrauen, Möglichkeiten zur Initiative und die Würdigung auch kleiner Innovationen.

Die Motivation einer Firma, Mitunternehmermodelle einzuführen, sollte jedenfalls nicht nur darin liegen, Risiken auszulagern oder etwa die Personalkosten zu flexibilisieren und damit in Wirklichkeit die Gehälter zu drücken. Dann empfinden Mitarbeiter die oft feierlich aufgelegten Mitarbeiterbeteiligungen nämlich nur mehr als Hohn. Zu bedenken ist auch, dass reine Aktienprogramme nicht für alle Mitarbeiter gleich passend sein können. Wie definiert eine Firma beispielsweise die jeweilige Risikobereitschaft der Angestellten, auf die die Höhe von Beteiligungen für Mitarbeitende ja abgestimmt sein sollte?

Führung gefordert

Ein mögliches Konzept ist, Zielgruppen von Mitunternehmertum zu definieren und nicht alle über den gleichen Kamm zu scheren: Also beispielsweise eine Gruppe festlegen, die ein höheres Risiko einzugehen bereit ist, und eine, die nur ein geringes Risiko trägt. Anderen Mitarbeitern ist eher geholfen, wenn ihr Umfeld motivierender gestaltet wird.

Rolf Wunderer schreibt: «Da Mitunternehmer primär eigenmotiviert sind, bevorzugen sie statt ausgereizter Anreizsysteme den Abbau von Motivationsbarrieren.» Mitunternehmertum ist als Motivationsfrage zu verstehen, die nur durch respektvolle und vertrauensvolle Führung erreicht werden kann. Nur finanzielle Instrumente reichen jedenfalls nicht.

Stefan Mair
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