Eigenartig: Da feiert die rechte britische UKIP-Partei beim Brexit-Referendum Ende Juni den grössten Triumph ihrer Geschichte. Doch kaum ist der Jubel verhallt, schlittert die Partei in eine tiefe Identitäts-Personalkrise. Die zentrale Frage lautet: Was tun, nachdem das grösste Ziel erreicht ist?

Auch für Parteien gilt: Erfolg ist mitunter schwer verdaulich. Erfindet sich UKIP beim Parteitag am 16. und 17. September neu?

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«Ich hoffe, wir schaffen das»

Dann drückt da noch einen weiterer Schuh. Nach dem Rückzug von Parteichef Nigel Farage («Ich will mein Leben zurückhaben») fehlt der Partei das Gesicht. Gleichwertigen Ersatz für den Medienmann zu finden, der für die breite Öffentlichkeit UKIP fast zehn Jahre lang praktisch im Alleingang repräsentierte, scheint so gut wie unmöglich. Allein das drückt heftig aufs Gemüt.

«Wir sind eine Anti-Establishment-Partei», meint Douglas Carswell, der einzige UKIP-Mann im Londoner Unterhaus. «Wir müssen erwachsen und zu einer Partei werden, die grösser ist als nur ein Mann.» Er fügt hinzu: «Ich hoffe, wir schaffen das.»

Seelenverwandt mit Donald Trump

Unterdessen jettet Farage («Mr. Brexit») um die Welt und macht Schlagzeilen. Da tritt er im US-Wahlkampf auf und greift Donald Trump unter die Arme. Als eine «Botschaft der Hoffnung und des Optimismus» preist er seinen eigenen Brexit-Triumph an. Beide Männer geben sich, als seien sie Seelenverwandte.

In der Heimat gibt sich Farage eher zurückhaltend. Immerhin, durch die Blume verdächtigt er die neue Premierministerin Theresa May des «backsliding». Im Klartext: Sie könne bei den Austritts-Gesprächen mit der EU schwach werden, schliesslich hatte sie im Wahlkampf für einen EU-Verbleib plädiert. Einige Medien spekulieren, sollte May nicht bald energisch auf Austritt drängen, könnte Farage aus dem Ruhestand zurückkehren und persönlich ein Auge auf die Verhandlungen werfen.

Kandidaten ohne Profil

Die Krux im Personalgerangel: Allen fünf Kandidaten, über die fast 40'000 Parteimitglieder derzeit abstimmen, mangelt es heftig an «nationalem Profil», wie das die Medien ausdrücken. Sie können Farage nicht das Wasser reichen.

Als klare Favoritin gilt Diane James, eine Europaabgeordnete. Doch auch sie sorgt bereits für Irritationen. Sie weigert sich, klare programmatische Bekenntnisse abzugeben und will nicht gemeinsam mit anderen Kandidaten auftreten. Kommt beides nicht gut an.

Auf Chaos-Modus umgeschaltet

Tatsächlich hat die Partei nach dem Brexit-Votum praktisch auf Chaos-Modus umgeschaltet, Ränkespiele und Machtkämpfe sind angesagt. So wurde etwa Steven Woolfe, der die Partei modernisieren wollte und als Favorit für die Nachfolge galt, auf dubiose Weise ausgeschaltet: Weil er seine Online-Bewerbungsunterlagen 17 Minuten zu spät einreichte, liess ein Parteigremium den Kronprinzen und Farage-Liebling nicht zur Wahl zu.

Von «Putsch» war die Rede, von «Bürgerkrieg» in der Partei. «Eine echte Schande», zitiert die «Financial Times» einen hohen UKIP-Funktionär. «Das Beispiel, dass es erlaubt ist, die besten Leute um die Ecke zu bringen, hat sich wie ein Buschfeuer ausgebreitet.»

Künftige Ausrichtung unklar

Dann drückt da noch ein strategisches Grundproblem: Wie soll sich die Partei künftig ausrichten, welche Wählerschichten ins Visier nehmen? Einige tippen auf enttäuschte Labour-Anhänger in wirtschaftlichen Problemzonen. Tatsächlich gab es in Labour-Hochburgen erstaunlich hohe Stimmanteile für den EU-Austritt.

Doch das stösst auch auf Widerstand. «Die Partei steht vor der Herausforderung, ihre Reichweite zu vergrössern, ohne dabei die eigene Basis zu irritieren», beschreibt die Zeitung «The Guardian» das Dilemma.

(sda/ccr)