Miese Stimmung bei drei Bankern, Ende vierzig, die sich nach Feierabend in einer Zürcher Bar treffen. Gestern waren sie noch Hoffnungs- und Leistungsträger der Bank – «Masters of the Universe». Ab heute sind sie «Old Boys», wie ihr Chef salopp sagte, aber eigentlich «altes Eisen» meinte.

Eine noch deutlichere Sprache sprechen die Fakten. Wer über 50 ist, braucht doppelt so lange wie jemand in der ersten Hälfte seines Berufslebens, um eine neue Stelle zu finden. In seinem Job graue Haare zu bekommen, ist aber auch kein Spass.

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Überleben sichern. «Ältere werden seltener zu Weiterbildungen geschickt, es wird weniger in sie investiert, und sie fühlen sich weniger gebraucht», sagte Roman Obrist von Swiss Re beim World Demographic & Ageing (WDA) Forum, das letzte Woche in St. Gallen stattfand. «Das wollen wir ändern.» Eine Arbeitsgruppe des Rückversicherers entwickelt derzeit Vorschläge, wie man die Altersgruppen 40 plus, 50 plus und 58 plus bei Laune und bei der Stange halten kann. Swiss Re gehört zu den wenigen Grossunternehmen, die sich in der Organisation Demographie Netzwerk Schweiz austauschen, um Programme für ihre älter werdenden Mitarbeitenden zu entwickeln. Mit dabei sind zum Beispiel auch Post, Swisscom, Axa-Winterthur, Helsana oder UBS. Hinter diesem Engagement steht weniger ein grosses Herz als grosse Sorge um die Zukunft der Unternehmen. «Das Überleben wird eher von den erfahrenen Alten als von den dynamischen Jungen abhängen», sagt Günter Pfeiffer, Präsident des Demographie Netzwerks Schweiz und bei Alpiq für Reorganisation verantwortlich.

Trendwende. Nach dem Jugendwahn der letzten Jahrzehnte könnte sich eine Trendwende abzeichnen – die demografische Entwicklung erzwingt sie. Der letzte Jahrgang der Babyboomer wird im nächsten Jahr fünfzig. «Die nachfolgenden Generationen sind weniger stark», sagt Ruth Meier, Vizedirektorin beim Bundesamt für Statistik in Neuenburg. Sie rechnet damit, dass der Schweiz in Zukunft Arbeitskräfte fehlen. «Das ist eine Gefahr für den Wohlstand der Schweiz», sagt Hans Groth, Verwaltungsratspräsident des St. Galler WDA Forum. In Deutschland wird der jährliche Umsatzausfall auf 35 Milliarden Euro beziffert, weil Stellen nicht besetzt werden können.

Die Älteren sollen es richten. Das Volkswirtschafts- und das Innendepartement haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Rolle der Älteren auf dem Arbeitsmarkt zu stärken. Sie sind schliesslich schon da, haben Know-how und passen auch zu einer generell älter werdenden Gesellschaft. Wenn die Kunden älter werden, braucht es auch auf Seiten der Unternehmen, egal ob bei Banken oder Versicherungen, ältere Berater. Kaum ein Fünfzigjähriger will von einem Mittzwanziger Anlagetipps.

«Man hat das Problem in der Schweiz lange ignoriert», sagt Günter Pfeiffer. «Was man heute macht, reicht aber bei weitem nicht aus, um sie zu halten.» Auf breiter Front fehlt es an einem altersgemässen Umgang mit den Mitarbeitenden, um deren Potenzial für die Unternehmen zu nutzen. Zum Beispiel Weiterbildungsangebote speziell für Leute jenseits der 50? «Fehlanzeige. Es gibt an den Schweizer Fachhochschulen nichts für diese Zielgruppe», sagt der Human-Resources-Berater Matthias Mölleney von Peoplexpert. An der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) hat er Anfang des Jahres ein Forschungsprogramm gestartet, das untersucht, wie die Weiterbildung für die Babyboomer-Generation aussehen müsste. «Spezielle Inhalte sind nicht nötig, aber Ältere brauchen eine andere Pädagogik und Didaktik», sagt er. Aufgrund ihrer Berufs- und Lebenserfahrung müssen sie woanders abgeholt und anders angesprochen werden als Jüngere. «Viele von ihnen wissen, dass sie in bestimmten Bereichen etwas tun sollten, und würden sich entsprechende Angebote ausserhalb der heutigen Studiengänge heraussuchen», sagt Mölleney. Der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas lancierte im Juni ein Postulat, um die Weiterbildung von älteren Arbeitnehmern sicherzustellen.

Zumindest theoretisch winkt hier ein gutes Geschäft. Heute konzentrieren sich die Fachhochschulen auf die Zielgruppe 25 bis 45 Jahre. «Wenn man sie bis 55 ausweiten würde, wäre der Markt schlagartig anderthalbmal so gross», sagt Mölleney. Ob sich solche Angebote nicht finden, weil sie nicht nachgefragt werden, oder ob sie nicht nachgefragt werden, weil sie nicht angeboten werden, ist unklar. Mölleney empfiehlt den Älteren, nicht zu warten, sondern selbst aktiv zu werden, sich ständig weiterzubilden und den Vorgesetzten klar zu machen, dass das Unternehmen von ihnen mit einer zusätzlichen Qualifikation noch mehr profitieren könne. «Sich defensiv zurückzuziehen, bringt nichts», sagt Mölleney. Die Unternehmen bräuchten den Druck von innen. «Man muss offen und neugierig bleiben», meint Günter Pfeiffer. Das sei aber keine Frage des Alters. «Mental vergreisten 25-Jährigen begegnet man ja auch.»

Sonntagsreden. Die Begeisterung für die Altersgruppe 50 plus hält Ton Koper allerdings für Sonntagsreden. «Es herrscht nach wie vor ein Jugendkult in den Unternehmen», sagt er. Die Babyboomer haben ihn vor dreissig Jahren begründet – heute fallen sie ihm zum Opfer. Koper hat die Stiftung PowerAge ins Leben gerufen, die Unternehmen das Potenzial der Altersgruppe 50 bis 75 predigt. Zwar findet Koper durchaus offene Ohren bei den HR-Abteilungen, doch CEOs überzeugt er selten. «Einer hat mir gesagt, er wolle seine Marke nicht mit Älteren kontaminieren.»