Schweizer Konzerne tun etwas für ihre Digitalkompetenz: Die Credit Suisse holte 2014 Informatik-Koryphäe Sebastian Thrun in den Verwaltungsrat. Der allerdings bereits nach zwei Jahren wieder aus dem Gremium ausschied und seitdem für die Credit Suisse im Silicon Valley wirkt. Immerhin, sein Nachfolger im Banken-VR ist Fintech-Geek Jacob Sisk

Richemont ging sogar noch weiter und wählte 2016 den ehemaligen Hacker Jeff Moss in den Verwaltungsrat. Derer Beispiele gibt es noch mehr, und doch: Unter dem Strich ist in den Schweizer Verwaltungsräten die Digitalkompetenz unterrepräsentiert. Das zeigt eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern und der Beratungsfirma Deloitte, für die 448 Verwaltungsrats-Mitglieder befragt wurden. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Mehr als drei Viertel der befragten VR-Mitglieder wünschen sich eine stärkere Diversität im Gremium. Diese soll vor allem einen Fokus im Bereich Digitalisierung und Informatik beinhalten. Die personelle Neubesetzung zur Steigerung des Know-hows bei der Digitalisierung hat für 71 Prozent der Befragten eine hohe Priorität.

Mehr Frauen ja, Quote nein

Andere Zielkriterien wie die Verjüngung des Verwaltungsrates oder die Steigerung des Frauenanteils werden als weniger dringend erachtet. Zwei Drittel der Befragten würden einen höheren Frauenanteil zwar begrüssen, lehnen aber Geschlechterquoten ab. 

Zu der Studie gibt es in diesem Zusammenhang anzumerken: 88 Prozent der befragten Studienteilnehmer waren Männer und 12 Prozent Frauen. Das entspricht annähernd der Geschlechteraufteilung. Es wurden VR-Mitglieder von börsenkotierten Schweizer Konzernen sowie von KMU befragt.

Digital Natives im Verwaltungsrat?

Weitere relevante Themen bei dem dritten «swissVR-Monitor» sind neben Digitalisierungauch Prozessoptimierung oder die Überarbeitung der Strategie. Auf dem vierten Rang bei der Priorität taucht das Thema Rekrutierung auf. Das hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, wie in der Studie erläutert wird.  

Die Suche nach digitalem Wissen verdrängt die anderen Themen aber. Dies hängt wiederum mit der Alterszusammensetzung des VR zusammen. Schliesslich beträgt das Durschnittsalter eines VR-Mitglieds in der Schweiz 59 Jahre. Nicht gerade das Alter eines «Digital Natives». 

Experten beiziehen

Dass die Themen «Digitalisierung, Robotik und Automatisierung» zu den Top-Themen der Schweizer VR zählt, verwundert Headhunter Guido Schilling nicht. Schilling gehört seit über 30 Jahren zu den führenden Headhuntern in der Schweiz und setzt sich dabei vor allem auch für mehr Frauen an Unternehmensspitzen ein. Für die Studie hat er als Experte mitgewirkt.

«Die Digitalisierung erfordert ein ganz neues Expertenwissen und beinflusst die Unternehmensführung fundamental. Es liegt deshalb auf der Hand, dass es dazu zu wenig erfahrene Persönlichkeiten gibt, welche auch gleichzeitig die strategische Führungskompetenz für den VR mitbringen», sagt Schilling in der Studienauswertung. Dabei weist der Headhunter vor allem daraufhin, dass in einem modernen Verwaltungsrat vor allem Persönlichkeiten gefragt sind, die mit «disruptiven Veränderungen» umgehen können.

Bei Unternehmen würden dabei drei Strategien angwendet: Der Verwaltungsrat kann neue, digital-affine Mitglieder aufnehmen, einen Beirat mit Kenntnissen in der Digitalisierungeinsetzen oder die bestehenden Mitglieder weiterbilden. Obwohl fachspezifisches Wissen für ein Gremium unabdingbar sei, müsse man deshalb nicht gleich den ganzen VR auswechseln, sagt Schilling: «Dieses Wissen kann man sich zum Beispiel auch über einen Beirat an Experten aneignen, ohne dabei den VR auszuweiten». 

Anforderungen von VR

Schilling appelliert an die Offenheit von Verwaltungsräten in der Schweiz. Mitglieder, die neue Wege gehen können, bekommen einem solchen Gremium demnach. «Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem früheren Nestlé-VR-Präsident Peter Brabeck. Er ergänzte seinen VR früh mit Persönlichkeiten, welche es verstanden, diesen Perspektivenwechsel einzunehmen, und nicht primär wegen ihrer persönlichen Netzwerke.» Eine neue unabhängige Persönlichkeit müsse schlussendlich auch das Gremium ergänzen und nicht nur ideal zum Präsidenten oder zum Nominationskommittee passen, so Schilling.

Nach seiner Erfahrung rät er Unternehmen, die ihren VR «digitalisieren» möchten: «Es braucht nicht nur Digital Natives, also Leute, die unter 40 Jahre alt sind und aus dem Startup-Umfeld kommen, für einen Know-how-Zuwachs.» Wer noch nie im Topmanagement eines Grossunternehmens gearbeitet habe, dem fehle das Verständnis für die Komplexität und geringere Manövrierbarkeit von Konzernen, so Schilling.