Die anhaltend negative Inflation setzt die Europäische Zentralbank (EZB) zunehmend unter Handlungsdruck. Die Teuerung im Euro-Raum rutschte im September bereits den zweiten Monat in Folge ins Minus. Die Verbraucherpreise sanken binnen Jahresfrist um 0,3 Prozent, wie die Europäische Statistikbehörde Eurostat am Freitag mitteilte. Das ist die niedrigste Rate seit mehr als vier Jahren.

Im August waren die Preise um 0,2 Prozent gesunken. EZB-Vize Luis de Guindos rechnet damit, dass die Inflation auch im Rest des Jahres negativ sein wird, wie er am Freitag in einer Rede sagte. Volkswirte erwarten nun, dass die EZB bis Jahresende weitere Lockerungsschritte beschliessen wird.

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Energie verbilligte sich im September stark

Die Währungshüter streben knapp unter zwei Prozent Teuerung als Optimalwert für die Wirtschaft an. Diese Marke wird aber bereits seit Jahren verfehlt. Ökonomen erwarten bei der Inflation keine raschen Wende. «Solange das Coronavirus die Wirtschaft im Bann hält, Unternehmen mit Investitionen zurückhaltend umgehen und private Verbraucher verunsichert sind, wird sich keine höhere Inflation einstellen», prognostizierte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel.

Ulrike Kastens, Volkswirtin beim Vermögensverwalter DWS, erwartet jetzt eine Ausweitung des billionenschweren EZB-Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP im Dezember, wenn den Währungshütern neue Projektionen zu Wachstum und Inflation vorliegen. «Eine Aufstockung und zeitliche Verlängerung des Pandemic Emergency Purchase Programmes (PEPP) rückt damit nicht mehr in weite Ferne.» Frederik Ducrozet vom Schweizer Bankhaus Pictet geht davon aus, dass die EZB im Dezember ihr PEPP-Programm um 500 Milliarden Euro aufstockt und die Käufe bis Ende 2021 verlängert.

Der Preisrutsch im September wurde vor allem durch Energie getrieben. Sie verbilligte sich binnen Jahrsfrist um 8,2 Prozent. Die Preise für Industriegüter ohne Energie sanken um 0,3 Prozent. Dagegen verteuerten sich insbesondere unverarbeitete Lebensmittel. Sie kosteten 3,1 Prozent mehr als vor Jahresfrist. Dienstleistungen verteuerten sich um 0,5 Prozent.

(reuters/gku)