Einen derart kräftigen Preisauftrieb haben die USA seit November 1990 nicht mehr erlebt. Auch von Reuters befragte Experten wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Sie hatten lediglich mit einem Wert von 5,8 Prozent gerechnet, nach einem bereits satten Preisauftrieb im September von 5,4 Prozent. "Die Inflation scheint ausser Rand und Band zu sein", sagte Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank.

Die USA sind dabei nicht allein auf weiter Flur, da die Preise praktisch weltweit auf dem Vormarsch sind. Grund sind aus der Corona-Krise resultierende Lieferengpässe und ein weit verbreiteter Materialmangel bei Halbleitern, Stahl, Holz und Kunststoff, der die Preise treibt. In China stiegen die Erzeugerpreise auf den höchsten Stand seit 26 Jahren.

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Steigende Energiekosten

Auch in den USA heizen die hohen Energiekosten die Inflation an. Die Spritpreise an den Zapfsäulen sind auf ein Sieben-Jahres-Hoch gestiegen. Der Ölpreis hat dieses Jahr bereits mehr als 60 Prozent zugelegt. Und zudem geben Unternehmen die steigenden Kosten zunehmend an ihre Abnehmer weiter.

"Dieser Überwälzungsprozess erfasst mehr und mehr Güter, da vor allem die Probleme auf der Angebotsseite sich nicht rasch auflösen", sagte ein anderer Ökonom. In der Tat haben die US-Produzenten ihre Preise im Oktober erneut kräftig angehoben. Diese stiegen wie schon im September um 8,6 Prozent zum Vorjahresmonat. Einen kräftigeren Zuwachs hat es seit Beginn dieser Statistik im Jahr 2010 noch nicht gegeben.

Doch auch statistische Effekte spielen bei der rasch anziehenden Inflation eine gewichtige Rolle. Im Zuge der Corona-Pandemie waren im März 2020 viele Preise eingebrochen: "Die geringe Vergleichsbasis des Vorjahres ist noch immer der zentrale Treiber für die hohen Inflationsraten von nun über sechs Prozent", erläuterte Gitzel weiter.

Geldpolitische Straffung erwartet

Auch vor dem Hintergrund der rasant steigenden Preise hatte die US-Zentralbank jüngst die Abkehr von der extrem lockeren Geldpolitik eingeleitet: "Das ist gut so, denn die Zeit für expansive geldpolitische Massnahmen ist abgelaufen", sagte Gitzel.

Die US-Notenbank fährt ihre Anleihenkäufe ab Mitte dieses Monats zurück, so dass die Zukäufe von einem monatlichen Volumen von derzeit noch 120 Milliarden Dollar bis Mitte nächsten Jahres komplett abgeschmolzen sein dürften. Das Ende der Zukäufe gilt zugleich als Voraussetzung für eine Zinserhöhung.

"Die Fed dürfte sich spätestens Ende nächsten Jahres gezwungen sehen, ihre zögerliche Haltung aufzugeben und eine Leitzinswende einzuleiten", meinte Volkswirt Dirk Chlench von der LBBW. Derzeit liegt der Leitzins noch fest zementiert in der Spanne von null bis 0,25 Prozent.