Der starke Anstieg an in der Schweiz durchgeführten oder geplanten Initial Coin Offerings (ICOs) habe zu zahlreichen Unterstellungsanfragen geführt, schreibt die Finma in einer Mitteilung. Weil die Rechtslage zu ICOs unklar ist, hat die Finanzmarktaufsicht Mindestangaben für die Bearbeitung solcher Anfragen definiert und die Prinzipien dafür festgelegt, wie sie diese beantworten wird.

Mit einem ICO wird auf Basis der Blockchain-Technologie in digitaler Form öffentlich Kapital für unternehmerische Zwecke beschafft. Dabei handelt es sich um eine Form der Kapitalaufnahme, bei der Investoren im Gegenzug sogenannte Tokens erhalten. Weil ICOs sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, ist nicht bei allen Finanzmarktrecht anwendbar und eine Unterstellungspflicht gegeben. Es bestünden zwar verschiedene Berührungspunkte von ICOs zum geltenden allgemeinen Finanzmarktrecht, doch spezifische regulatorische Anforderungen zu ICOs habe es bislang nicht gegeben, ebenso wenig wie eine einschlägige Rechtsprechung oder eine übereinstimmende juristische Lehrmeinung, so die Finma.

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Fokus auf Funktionalität und Übertragbarkeit der Token

Bei ihrer aufsichtsrechtlichen Beurteilung von ICOs folgt die Finma einem Ansatz, der auf die wirtschaftliche Funktion und auf den Zweck der Token fokussiert. Token sind die Blockchain-basierten Einheiten, die vom ICO-Organisator ausgegeben werden. Zentral dabei ist die Klassifizierung der Token und die Frage, ob diese Token bereits von Beginn des ICOs an handelbar oder übertragbar sind. Weder in der Schweiz noch international besteht derzeit eine allgemein anerkannte Klassifizierung von Token. Die Finma unterscheidet funktional drei Arten, wobei auch Mischformen auftreten können:

Zahlungs-Token sind mit reinen «Kryptowährungen» gleichzusetzen, ohne dass sie mit weiteren Funktionalitäten oder Projekten verknüpft sind. Token entwickeln in gewissen Fällen erst mit der Zeit die notwendige Funktionalität und Akzeptanz als Zahlungsmittel. 


Nutzungs-Token sollen einen Zugang zu einer digitalen Nutzung oder zu einer Dienstleistung vermitteln. 


Anlage-Token repräsentieren Vermögenswerte wie Anteile an Realwerten, Unternehmen, Erträgen, oder einen Anspruch auf Dividenden oder Zinszahlungen. Der Token ist damit hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Funktion wie eine Aktie, Obligation oder ein derivatives Finanzinstrument zu werten. 


Geldwäscherei und Effektenhandel stehen im Zentrum 

Die häufigsten Berührungspunkte von ICOs zu den Finanzmarktgesetzen gebe es im Bereich der Geldwäschereibekämpfung und des Effektenhandels, führt die Finma weiter aus. Anwendungen, die eine Unterstellung unter das Bankengesetz oder unter das Kollektivanlagengesetz erforderten, seien nicht typisch. Das Geldwäschereigesetz sieht für Finanzintermediäre Pflichten wie die Feststellung der wirtschaftlich Berechtigten vor. 

In einem dezentral organisierten System auf der Basis der Blockchain, in dem sich Vermögenswerte anonym übertragen lassen, sind Geldwäschereirisiken jedoch besonders hoch. Regeln zum Effektenhandel sollen sicherstellen, dass Marktteilnehmer ihre Entscheide für Anlagen wie Aktien oder Anleihen auf der Grundlage verlässlicher Mindestangaben treffen können. Darüber hinaus soll erreicht werden, dass der Handel fair, zuverlässig und mit einer effizienten Preisbildung abläuft. 


Die Finma kommt zu folgender aufsichtsrechtlicher Beurteilung von ICOs:

ICOs, deren Token als Zahlungsmittel dienen und bereits übertragbar sind, sollen den Geldwäschereibestimmungen unterstellt werden. Die Finma wird solche Token aber nicht als Effekten behandeln.

Nutzungs-ICOs bzw. Nutzungs-Token werden nicht als Effekten (am Kapitalmarkt handelbare und fungible Wertpapiere) qualifiziert, wenn der Token ausschliesslich einen Anspruch auf Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermittelt und wenn der Nutzungs-Token zum Zeitpunkt der Ausgabe in diesem Sinn einsetzbar ist. In allen Fällen jedoch, in denen Nutzungs-Token nur oder auch Anlagen sind, behandelt die Finma diese als Effekten (wie Anlage-Token). 


Anlage-ICOs bzw. Anlage-Token betrachtet die Finma als Effekten mit entsprechenden finanzmarktrechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf deren Handel. Diese Betrachtungsweise schliesst für ICOs in der Regel auch entsprechende obligationenrechtliche Pflichten mit ein (z.B. Prospektpflichten). 


ICOs können auch Mischformen von diesen Kategorien bilden.

Finma sieht das Innovationspotenzial

Die Finma sieht das grosse Innovationspotenzial der Blockchain-Technologie, behält sich aber auch vor, nach weiterer Vertiefung ihrer Aufsichtspraxis in konkreten Fällen die Auslegung der geltenden Finanzmarktgesetze betreffend ICOs in einem Rundschreiben zu publizieren. Mark Branson, Direktor der Finma: «Blockchain-Projekte, die analog zu bewilligungspflichtigen Aktivitäten funktionieren, dürfen nicht den bewährten regulatorischen Rahmen umgehen.» Der Ansatz der Finma, wie sie ICO-Projekte und Anfragen behandle, erlaube es seriösen Innovatoren, sich in der Regulierungslandschaft zurechtzufinden und ihre Projekte so zu lancieren, dass die bestehenden Gesetze respektiert und somit die Investoren wie auch die Integrität des Finanzplatzes geschützt würden. 


Hinweise auf Risiken für Anleger

Im Sinn des Anlegerschutzes warnt die Finma auch vor den mit ICOs verbundenen vielfältigen Risiken für Anleger, wie etwa vor der hohen Preisvolatilität eines im Rahmen eines ICOs erworbenen Token und vor den zahlreichen Unsicherheiten bezüglich der zu finanzierenden und durchzuführenden ICO-Projekte. Die Finma nimmt derzeit Abklärungen in mehreren Fällen von ICOs vor. Erhält sie Hinweise, dass ICO-Geschäftsmodelle Aufsichtsrecht verletzen, eine Umgehung der Aufsichtsgesetze darstellen oder sogar in betrügerischer Absicht aufgesetzt worden sind, wird sie Enforcementverfahren einleiten.