«Wir sprechen in Unternehmen oft von Zahlen, Projekten und Budgets. Aber es wird wenig über die Einsamkeit gesprochen, die die Mitarbeiter vor den Bildschirmen belastet, und die traurigen Mahlzeiten, die sie alleine einnehmen», sagt Marie Schneegans. Die 24-jährige Lausannerin hat sich zum Ziel gesetzt, das tägliche Leben der Mitarbeitenden von Grossunternehmen in aller Welt zu verbessern. Nach dem Erfolg einer ersten Anwendung, Never Eat Alone, einer Software für die einfache Vermittlung von Mittagslunchs in Firmen, wiederholt sie dies nun mit ihrem neuen Projekt Workwell.

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Das Ziel der jungen Innovatorin: Menschen sollen bei der Arbeit glücklicher sein, als sie es heute sind. Ihre App Never Eat Alone hat bereits in vielen Büros Einzug gehalten. Heute verwenden grosse Firmen wie BNP Paribas, Danone und L’Oréal ihre Anwendung. Workwell, ihr neues Projekt, beinhaltet die Funktionen von Never Eat Alone und ergänzt diese noch.

Diese zweite Anwendung, die für Giganten wie American Express entwickelt wurde und von diesen übernommen wird, zielt darauf ab, alle für die Mitarbeiter nützlichen Dienstleistungen auf einer Plattform zu zentralisieren: Besprechungsräume, Fahrgemeinschaften, Concierge-Services, Sportkurse und – natürlich – Mittagspausen mit den Mitarbeitern. Das alles mag sehr banal klingen, aber bisher hat niemand daran gedacht, die Organisation aller dieser Dinge zu zentralisieren. Und genau in diese Lücke stösst Schneegans und kommt ihrem Ziel von mehr Mitarbeiterglück damit näher. Warum aber beschäftigt sich eine junge Frau so intensiv damit, Mitarbeiter zufriedener zu machen?

Verkaufs- und Marketingtalent

Die junge Unternehmerin begrüsst uns im «Beau-Rivage Palace» in Lausanne mit einem entwaffnenden Lächeln. Sie erklärt uns, dass sie spontan einen ihrer Mitarbeiter mitgebracht hat, damit er das Interview beobachten kann und in Kommunikation geschult wird.

Kaum sitzend, präsentiert sie ihr Konzept, entwirft ihre Vision einer neuen Arbeitswelt und sprüht vor Energie. Sie weiss, dass sie Menschen überzeugen kann. «Im Leben bin ich immer mit mündlichen Prüfungen davongekommen», lacht Schneegans. Schreiben war nie ihre Stärke, «ich bin Legasthenikerin», sie beschreibt sich als durchschnittliche Studentin. «Aber ich habe gelernt, alles durch Reden wiedergutzumachen.»

Die Schweizerin wuchs aufgrund des Berufs des Vaters, Manager bei Manor und viel unterwegs, in einer sehr mobilen Familie auf. Von den Ufern des Genfersees bis zu den Kühen von Engelberg im Kanton Obwalden über St. Gallen und Zürich hat diese unaufhörliche Entwurzelung sie gleichzeitig zu einer geselligen Person gemacht. Von ihrer Mutter, einer Krankenschwester, hat sie die Willensstärke geerbt. «Als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich Präsidentin der Schweiz werden. Ich wollte einen Einfluss auf die Menschen haben, das ist es, was mich glücklich macht. Aber die Politik schien zu langsam, unwirksam, um die Welt zu verändern.» Sie orientiert sich daher in Richtung Wirtschaft und interessiert sich für ein Studium in diesem Bereich.

Mit 17 Jahren wird sie an der HSG St. Gallen aufgenommen. Sie verbrachte genau einen Tag dort, bevor sie zur grossen Verzweiflung ihrer Eltern entschied, dass sie diesen Weg auf keinen Fall gehen kann. «Ich konnte mir kaum vorstellen, in einem so geschlossenen, sozial einheitlichen Umfeld zu bleiben. Ich konnte meine Werte dort nicht finden. Ich hatte eine echte Teenager-Krise und folgte meiner Intuition: Ich ging nach Paris, um zu modeln», erinnert sie sich.

Ein Agent übergab ihr seine Visitenkarte, sie solle sich melden, falls sie sich dafür interessiere. Eine perfekte Gelegenheit für Schneegans, frische Luft zu schnappen, sich neu zu orientieren und Bilanz über bisherige Projekte zu ziehen. «Ich hatte einige sehr nette Begegnungen. Aber ich hatte es schnell satt.» Sie interessierte sich für mehr als das, was die Welt der Mode ihr zu bieten hatte.

Kein Raum für Enttäuschungen

Was kann man also noch tun als 20-jährige, die etwas bewegen will? Sie reist, lernt zu meditieren, interessiert sich für Mikrofinanz, ist inspiriert von den Projekten von Unternehmerinnen und Unternehmern, die sie auf ihren Reisen kennengelernt hat. Dann geht es wieder nach Paris, wo sie ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Université Paris-Dauphine wieder aufnimmt.

Der Schlüsselmoment für ihre Erfolgsprojekte Never Eat Alone und Workwell: Im letzten Studienjahr absolviert sie ein Praktikum bei der UBS in Zürich. Eine Erfahrung, die ihr Leben verändern wird, so schlimm ist es: In der gemeinsamen Einsamkeit des offenen Raums entsteht die Idee von Never Eat Alone. Erarbeitet hat sie sie mit ihrem Freund und Mentor Paul Dupuy.

Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete sie hart an diesem neuen Projekt. Um die grösseren Unternehmen davon zu überzeugen, die Lizenz ihrer Anwendung zu kaufen (die Applikationen werden Mitarbeitern angeboten, um sie neugierig zu machen), hat sie viel Zeit aufgewandt. Oftmals musste sie erklären, warum es überhaupt ein Problem ist, wenn Mitarbeiter im Büro nicht besonders glücklich oder sogar einsam sind. Das braucht Nervenstärke – daran hat es Schneegans aber nie gefehlt.

«Wenn mir die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, gehe ich durch den Schornstein. Ich weiss, dass das funktionieren wird, ich konzentriere mich auf das Ziel und gebe entmutigenden Situationen oder Gefühlen keinen Raum.»

In ihren Pariser Räumlichkeiten, in denen sie jetzt an der technischen und kommerziellen Entwicklung beider Anwendungen arbeitet, gibt es zwar auch Krisen und Tränen. «Aber das ist gut. Warum solle ich das verstecken.» Immer überwiegt die Entschlossenheit. Die junge Frau beschäftigt heute 23 Mitarbeiter in Paris. Wovon träumt sie heute? «Viele Dinge. Eine bessere Welt, in der die Menschen mit einem Lächeln aufstehen und das Leben von Millionen Menschen leichter wird.»