Deutlich fällt das Urteil von Andrew Popplewell Mitte Monat aus. Der Richter am High Court of Justice  of England and Wales spricht von einer «unfairen Darstellung», die weit über «unbeabsichtige Versehen» hinausgehe und zentrale Elemente des Verfahrens betreffe. «Die Pflichtverletzungen sind ausreichend schwerwiegend, um das Einfrieren der Vermögenswerte aufzuheben und keine neuen Massnahmen mehr zu gewähren.»

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Das Verdikt aus London ist die jüngste Wendung in der juristischen Schlacht zwischen Jean-Claude Bastos, dem Ex-Staatsfonds-Verwalter mit Heimatort Welschenrohr, der ohne Pass in Angola festsitzt, und den dortigen Behörden. Noch im April hatte der «High Court» vorsorglich das weltweite Einfrieren von drei Milliarden Dollar an Staatsfond-Geldern angeordnet, die in von Bastos kontrollierten Private-Equity-Vehikeln auf Mauritius und anderswo lagen.

Die globale Kontensperre entzog Bastos und seiner Zuger Quantum Global auf einen Schlag die flüssigen Mittel. Die Sperre basierte unter anderem auf dem Verdacht des «Vertragsbruchs und der Verschwörung mit unrechtmässigen Mitteln». Nur drei Monate später erfolgt nun die Rolle rückwärts, nachdem Richter Popplewell die Eingabe materiell geprüft hat. Er kommt zum Schluss, dass Bastos Fondverwaltung zumindest handelsrechtlich einer ersten Prüfung standhält. Dafür dürften Geschäftspartner und Anwalt Thomas Ladner, aber auch ehemalige Weggefährten wie der Zuger Wirtschaftsadvokat Martin Neese oder die Ex-Walder-Wyss-Frau Rahel Rosenow gesorgt haben.

Rückschlag für Angolas Präsidenten

Der jüngste Entscheid ist ein Rückschlag für Angolas Präsidenten João Lourenço, der seit Amtsantritt im letzten Jahr gegen die Getreuen seines langjährigen Vorgängers José Eduardo dos Santos ins Feld zieht. Darunter gegen dessen Sohn Zenú als Ex-Staatsfond-Präsidenten und seinen Freund Jean-Claude Bastos.

Gerungen wird um den 5-Milliarden-Dollar schwere Staatsfond namens FSDEA, deren Verwalter Bastos ab 2013 war. Seit dieser Zeit bezogen er und sein weitverzweigtes Firmengeflecht Gebühren von 560 Millionen Dollar, wie aus dem Urteil hervorgeht. Darin eingerechnet sind 49 Dienstleistungs-Kontrakte für über 150 Millionen Dollar, die der FSDEA an Bastos-eigene Firmen vergab, die auch in der Schweiz ansässig sind. Beispielsweise flossen zehn Millionen an die PR-Firma Djembe oder 36 Millionen an die Afrikanische Innovations-Stiftung mit Sitz in Zürich, deren Präsident der Ex- DEZA-Chef Walter Fust ist. 

Machtwechsel bringt Wende

Die enge und lukrative Geschäftsbeziehungen zum FSDEA kam mit dem Machtwechsel in Angola letzten Sommer rasch unter Beschuss. Im Nachgang zu den «Paradise Papers»-Enthüllung liess die neue Regierung im Dezember vom Beratungsunternehmen EY einen Report erststellen, der die Verwaltung des «Fundo» durchleuchtete. Danach entliess man Zenú als FSDEA-Präsidenten und machte sich daran, Quantum Global als Verwalterin abzusetzen. Zunächst entzog der Staatsfonds im Frühjahr dem Zuger Finanzdienstleister ein liquides 2-Milliarden-Dollar Portfolio.

Ein Mandat, das Bastos über die Jahre rund 80 Millionen Dollar eintrug, und dessen Verwaltungsgebühr der EY-Report  als «hoch angesichts der Portfoliogrösse» taxiert. «Hoch» sei allerdings eine «verhältnismässig geringfügige Basis für einen Betrugsvorwurf», meint Richter Popplewell.  Solche und ähnliche Relativierungen ziehen sich wie ein roter Faden durch das 34-seitige Urteil, mit dem der «High Court Judge» die globale Kontensperre aufhob. Popplewell zerzaust Angolas Klage, die von der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright erarbeitet wurde, und zwar formal wie materiell.

So sei London gar nicht der geeignete Gerichtsstand, und die Kontensperre sei sowieso unnötig, weil keine Gefahr der Veruntreuung bestehe. Denn von den 3 Milliarden an Private-Equity-Geldern, die Bastos hätte investieren sollen, liegen 2,2 Milliarden Dollar unangetastet und flüssig bei Northern Trust. Und das US-Finanzhaus billigt seit Frühjahr nur noch Transaktionen, wenn Quantum und «Fundo» gemeinsam zustimmen.  

Verschwörung nicht stichhaltig

Weiter sieht der Richter keine stichhaltigen Punkte für eine Verschwörung zwischen Zenú und Bastos mit dem Ziel, den Staatsfonds zu plündern. Und auch der Auswahlprozess der Quantum Global als Fondmanager sei damals - prima vista - professionell abgelaufen. Weder die Investments selbst, die vereinbarten Fees, noch die in den «Paradise Papers» enthüllten Offshore-Strukturen seien besonders ausgewöhnlich oder verdächtig. Strukturen, in denen auch SBB-Präsidentin Monika Ribar als VR einer Offshore-Hafenfirma  aufgetaucht ist. Und selbst der von der Regierung in Auftrag gegebene EY-Report bezeichnet die Gebühren der Bastos Private-Equity-Vehikel als «traditionell».

Hingegen kritisiert Richter Popplewell mehrfach, dass die Kläger wichtige Fakten unterschlagen oder sogar falsch dargestellt hätten. In dieser Pflichtverletzung resultiert die nun erfolgte Aufhebung der Kontensperre. Denn selbst bei heiklen Geschäftskonstellationen sicherte sich der Fondverwalter juristisch ab: In ein Hotelprojekt in Luanda flossen 157 Millionen Dollar Staatsfond-Geld. Bastos agierte als Co-Investor. Quantum legte diesen und andere «potential conflict of interest» 2016 offen und der FSDEA erliess eine Verzichtserklärung auf betroffene Projekte.

Angola-Verfahren ist entscheidend

Auch wird im UK-Urteil betont, dass der Staatsfonds bis im Mai 2013 gar nicht vom Bastos-Freund Zenú präsidiert wurde, sondern vom späteren Finanzminister Armando Manuel. Als britischer Richter mag dies Beweis genug sein für die personelle Unabhängigkeit des «Fundo». Doch: «Popplewell ist ein Handelsrichter, der Verträge liest und interpretiert», schreibt der regimekritische Journalist Rafael Marques: «Nur ein Experte in angolanischer Realität versteht, dass Manuel stets ein Protégé von Zenú war, aber dies vor einem britischen Gericht zu beweisen ist unmöglich.»

Matchentscheidend wird deshalb das Strafverfahren in Angola sein, das der Generalstaatsanwalt gegen Zenú und Bastos anstrengt. Will der Schweizer den Kopf aus der Schlinge ziehen, werden wohl massive finanzielle Konzessionen nötig. Nicht zuletzt, weil Präsident Lourenço seine Macht konsolidiert. Bald schon übernimmt er den Vorsitz der Staatspartei MPLA. Seine Rücksichtnahme gegenüber Dos Santos und seinen Getreuen dürfte weiter schwinden. 

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