Wie keinem zweiten Land ist es der Schweiz gelungen, sich als attraktiver Standort für alles zu positionieren, was mit Blockchain zu tun hat. Nirgendwo sonst warben Regierungsmitglieder stärker für die Sache als Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit seinem Slogan «Crypto Nation».

Doch die Realität ist ebenso: Bislang ist die Schweiz vor allem Hort für das Verwalten von Hunderten Millionen Dollar, die in die neuen oft global verstreuten Projekte und Startups geflossen sind. Jeden Tag schiesst hierzulande eine Gesellschaft aus dem Boden, deren Ziel die Verwaltung der neuen Token und Kryptowährungen ist. Abgesehen von Ausnahmen findet die tatsächliche Entwicklung von neuen Apps und Plattformen dagegen überall in der Welt statt, nur nicht in der Schweiz.

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Das beginnt sich mit einer gewichtigen Ansiedlung zu ändern. Das viel beachtete Projekt Dfinity lässt sich in Zürich in der Nähe des Bahnhofs nieder. «Zürich wird für uns zur Basis in Europa», sagt Dfinity-Gründer Dominic Williams. «Wir bauen fortlaufend aus. Ende Jahr arbeiten 10 bis 15 Leute in unserem Zürcher Research Lab. Ein Jahr darauf werden es 40 sein.»

Die Ambitionen sind gigantisch: Dfinity will nichts weniger als das Internet erweitern. Es soll zu einer öffentlichen Infrastruktur mutieren, auf der nicht nur wie heute Daten herumgeschoben, sondern direkt auch Apps und Dienstleistungen angeboten werden. Williams spricht denn auch vom «Internet-Computer». Es wäre die nächste Stufe in der Entwicklung des Computing. Zuerst waren da die isolierten Personal Computer, dann die zentralisierte Cloud-Welt und nun mit Dfinity ein globaler Supercomputer, der aus dem Zusammenspiel von Tausenden weltweit verteilter Rechner entsteht und auf den alle zugreifen können.

So weit ist es noch lange nicht. Aber grosse institutionelle Anleger vor allem aus dem Silicon Valley investierten bereits 200 Millionen Dollar. Inzwischen ist Dfinity mit knapp 2 Milliarden Dollar bewertet. Die Gelder werden von der bereits vor zwei Jahren in Zug gegründeten Dfinity-Stiftung verwaltet. Diese finanziert die Weiterentwicklung des Projekts und damit auch das Research Lab in Zürich.

«Zürich ist vor allem wegen der ETH ein ausgeprägt guter Standort für unser Vorhaben. An der ETH ist viel Expertise im Bereich Kryptografie und Distributed Computing vorhanden», sagt Williams. Die Forschungszentren von Google und IBM in Zürich machten die Stadt ebenfalls attraktiv. «Wir werden Talente brauchen», sagt er. Vorderhand hat das Startup Bürofläche für fünfzig Arbeitsplätze gemietet.

Sparen beim Faktor Mensch

Im Kern dreht sich auch bei Dfinity alles um die neue Blockchain-Technologie. Sie steht im Zentrum der Bemühungen, im digitalen Raum verlässlich miteinander interagieren zu können, ohne auf eine einzelne Institution angewiesen zu sein. Zum Beispiel, einander Dinge von Wert wie Kryptowährungen im sogenannten Internet of Value zu überweisen. Aber die Technologie erlaubt eben mehr. Ganze Programme – und hinter jeder App und jeder Website stehen solche – können auf Blockchains und angehängte Systeme geladen werden. Es braucht dann keine zentralen Server mehr. Der Clou ist, dass alle Daten, Transaktionen und Programme mehrfach auf verschiedenen Computern weltweit gesichert sind. Dank Kryptografie und ökonomischen Anreizen kann niemand – auch kein Übeltäter – diese Daten, Transaktionen und Programme unberechtigterweise verändern.

Dfinity erfindet das Rad nicht ganz neu. Mit Ethereum existiert bereits eine erste rudimentäre Plattform für diese neue Form des Computing. Dfinity verallgemeinert das Konzept und will mit seiner Lösung vor allem die Businesswelt ansprechen. «Wir konkurrenzieren nicht mit Ethereum, wir versuchen mit Amazon Cloudcomputing und Google Cloud und der klassischen Technologie zu konkurrenzieren. Wir wollen vollständig neu erfinden, wie die Menschen Software entwickeln und laufen lassen», sagt Williams.

Natürlich sind die reinen Rechnerkosten höher als bei einem zentralisierten Cloud-Dienst, da eben alle Transaktionen von mehreren Computern durchgerechnet und die Daten mehrfach gespeichert sind. Trotzdem ist Williams überzeugt, am Ende eine günstigere Variante anbieten zu können, weil es weniger Personal für den Unterhalt braucht. «Es wird eine grosse Vereinfachung für alle geben, die eine Dienstleistung im Internet lancieren wollen. Keine Speicherplatz-Sorgen und Server-Probleme mehr, der Computer läuft immer», so Williams. Zudem sinke die Macht von monopolartigen Internetfirmen.

Kleinere Anwendungsbeispiele wären Apps zum Einkassieren von Parkgebühren wie auch das Auftragsmanagement eines KMU. Aber die Vision ist, dass Firmen letztlich ganze IT-Systeme auf Dfinity auslagern, so wie das heute bei Cloud-Anbietern gemacht wird.

Die Herausforderung auf diesem neuen Feld der Computerwissenschaften sind enorm. Die entscheidenden Fragen sind dabei: Wie kann ein solcher Internet-Computer regiert und weiterentwickelt werden, wenn es keine Zentrale mehr gibt? Und wie könnte er mit steigender Nachfrage umgehen, also skalieren? Dfinity hält Antworten bereit, die in der Blockchain-Branche auf grosse Resonanz stossen. Der Teufel liegt im Detail und in der Umsetzung. Ende Jahr geht eine erste rudimentäre Version von Dfinity live. Es wird aber Jahre dauern, bis die Infrastruktur für die breite Masse von Firmen bereitsteht.

Konkurrenz Dfinity ist nicht das einzige Projekt, das mittels Blockchain-Tech eine neue Infrastruktur für Transaktionen und Software auf die Beine stellen will. Seit 2014 sind mehrere Plattformen in Entwicklung. Das sind die wichtigsten:

Ethereum Diese Blockchain ist die Vorreiterin und noch immer die am weitesten verbreitete Plattform für Smart-Contracts, also Programme, die mit Geld und Token umgehen können. Die Kapazität ist allerdings arg begrenzt. Updates sollen 2019 bis 2021 Abhilfe schaffen.

Tezos Die Plattform ging diesen Sommer in einer Betaversion live. In der Praxis wird sie noch kaum gebraucht, Apps stehen erst in Entwicklung. In die Schlagzeilen kam Tezos wegen Ungereimheiten innerhalb der Stiftung in Zug.

Polkadot Dieses Projekt ermöglicht es Firmen, eigene Blockchains aufzusetzen, die miteinander interagieren können. Der Start ist für 2019 geplant. Polkadot erlebte die Risiken von neuen Technologien selbst: Ein Grossteil der eigenen Finanzmittel ist wegen eines Fehlers in einem Smart Contract vorderhand blockiert.

Corda Das Startup hinter Corda wird vor allem von Banken gestützt. Corda ist eine Plattform, die sich nahtlos in die Systeme und auch in die rechtlichen Gepflogenheiten der klassischen Finanzwelt einbinden lässt.