Eigentlich war die diesjährige Vermehrung der Vermögen absehbar: Die Aktienmärkte haussierten kräftig, der Goldpreis zog an, mit Immobilien sind immer noch gute Renditen zu holen, Kunst und Luxus gehen immer. Da kann es nicht verwundern, dass die Vermögen der 300 Reichsten in der Schweiz 2019 nach der Stagnation im Vorjahr kräftig angezogen haben: plus 27 Milliarden auf total 702 Milliarden Franken. Das sind durchschnittlich 2340 Millionen pro Kopf. Fast schon müssig zu erwähnen, dass die 300 Reichsten – dazu zählen Schweizer sowie Ausländer, die sich hierzulande niedergelassen haben und Steuern bezahlen – noch nie so reich waren.
Auf die Vermögensentwicklung aller 300 Reichsten abgestellt, war 2019 für die Mehrzahl jedoch kein allzu ergiebiges Jahr. Bei 223 der aufgeführten Personen und Familien hat das Vermögen stagniert, 29 verzeichneten Einbussen. Nur 48 oder 16 Prozent der 300 Reichsten registrierten einen Zuwachs. Das ist ein eher bescheidener Anteil. Zudem konzentrieren sich innerhalb dieser Gruppe die kräftigsten Zunahmen auf einige wenige Köpfe.
Geldsegen dank Börse
Allein die zehn Personen mit dem grössten Kapitalzuwachs haben zusammen 27 Milliarden Franken dazugewonnen (siehe Liste «Die grössten Aufsteiger»). Für den Geldsegen sorgte in erster Linie die Börse. So hat Telekom-Mogul Patrick Drahi dank der Hausse seiner Altice-Aktien 5 Milliarden Franken mehr auf dem Konto. Geld, das der Franko-Israeli ebenso schnell wieder ausgibt; so kaufte sich der Kunstversessene im Sommer das Auktionshaus Sotheby’s für 3,7 Milliarden Dollar, laut Experten ein überrissener Preis.
Um ebenfalls 5 Milliarden reicher geworden ist Gennadi Timtschenko. Nur schon seine wichtigste Beteiligung am russischen Gasproduzenten Novatek brachte ihm gut 4 Milliarden mehr ein.
Der Wahlgenfer Gérard Wertheimer als Dritter im Bunde jener Reichsten, die um 5 Milliarden hochgestuft wurden, hat seinen Geldsegen Chanel zu verdanken. Der Luxuskonzern, den er mit seinem in New York wohnenden Bruder Alain besitzt, war jahrelang höchst verschwiegen. Als 2018 die Ertragszahlen veröffentlicht wurden, ging ein Raunen durch die Branche: Der Gewinn lag weitaus höher, als selbst Optimisten geschätzt hatten.
Nach der kräftigen Erhöhung seines Vermögens im Vorjahr muss BILANZ nochmals nachbessern. Nicht nur stieg der Gewinn um 16 Prozent, es wurde auch bekannt, dass das Haute-Couture-Haus schuldenfrei dasteht – ein bemerkenswerter Umstand in Zeiten der Niedrigstzinsen und der Schuldenmacherei.
Nicht weniger beachtlich der Vermögenszuwachs von 4 Milliarden bei den Gebrüdern Kamprad: Der ihnen gehörende Möbelgigant Ikea ist in Sachen Wert und Ertrag ein Powerhaus der Extraklasse.
Top Ten legen 18 Milliarden zu
Nach diesen Ausführungen kann es kaum noch erstaunen, dass die zehn Reichsten in der Schweiz den Grossteil der Vermögensvermehrung für sich in Anspruch nehmen. Die Top Ten haben ihre Vermögen um 18 Milliarden Franken hochgeschraubt. Zusammen besitzen sie 221 Milliarden. Als BILANZ 1989 erstmals heimischem Reichtum auf den Zahn fühlte, besassen die damals aufgeführten 100 Personen zusammen 66 Milliarden. Die seitherige Akkumulation lässt sich am Pro-Kopf-Vermögen ablesen: Wurden 1989 jedem Reichsten 660 Millionen zugerechnet, ist es heute das 3,5fache.
300 Reichste: Das sind 2019 die zehn Reichsten
Platz 10: Familien Schindler, Bonnard
Vermögen: 12-13 Milliarden (Vorjahr: 12-13 MIlliarden)
Das Schindler-Geschäft mit Aufzügen und Rolltreppen wächst weiter, obschon es im Vorjahr schon Spitze war. Patriarch Alfred Schindler (70) hat zwar das Präsidium vor zwei Jahren an den Schindler-erprobten Silvio Napoli abgetreten, sitzt allerdings selbstverständlich als «Chairman emeritus» weiterhin im Verwaltungsrat.
An der Spitze der Allerreichsten stehen unverändert die Kamprads, seit dem Tod des Patrons Ingvar (1926–2018) repräsentiert durch das brüderliche Trio Peter, Jonas und Mathias. Sie führen das weitverzweigte Ikea-Reich, das einen Wert von rund 55 Milliarden Franken hat. Sie leben zwar im Ausland, besitzen aber den roten Pass.
Unverändert an zweiter Stelle rangieren mit 27 bis 28 Milliarden Franken die Familien Hoffmann und Oeri. Auch hier hat die Börse dem Vermögen auf die Sprünge geholfen; ihr Anteil am Pharmakonzern Roche ist 2 Milliarden mehr wert. Mit 23 bis 24 Milliarden neu auf Rang drei steht Chanel-Gross-aktionär Gérard Wertheimer.
Glimpflich davongekommen
Die Verlierer unter den 300 Reichsten sind in diesem Jahr relativ glimpflich davongekommen (siehe Liste «Die grössten Absteiger»). Bei vielen Vermögen hat die Börse trotz Hausse negative Spuren hinterlassen. So bei Ivan Glasenberg, dem obersten Lenker von Glencore: Der Wert seines Aktienpakets am Baarer Rohstoffkonzern schmolz innert Jahresfrist um 1,25 Milliarden. Darben muss der gebürtige Südafrikaner trotzdem nicht, denn allein an Dividenden fliessen jährlich 242 Millionen in seine Haushaltskasse.
Bei den Familien Hayek und Jacobs haben fallende Kurse bei den Hauptbeteiligungen ihre Vermögen um je eine Milliarde Franken geschmälert.
Bei drei von vier Reichsten war bei der Vermögensentwicklung Stagnation angesagt. Vor allem die Besitzer mittelgrosser Industriefirmen konnten selten zulegen. Waren ihre Unternehmen bis im Frühling ertragsmässig noch gut unterwegs, trübte sich der Geschäftsgang mehr und mehr ein. Das ist zwar überwiegend auch bei Konzernen mit kotierten Aktien der Fall – nur wird das Vermögen ihrer Grossaktionäre am Kursverlauf der Wertpapiere gemessen. Und die Börsen haben sich zu einem guten Teil von der wirtschaftlichen Realität losgelöst und haussieren primär wegen der Liquiditätsschwemme.
139 Milliardäre in der Schweiz
Unter den 300 Reichsten in der Schweiz führt BILANZ 139 Milliardäre auf; das sind fünf mehr als im Vorjahr. Das US-Magazin «Forbes» zählte im März weltweit 2153 Milliardäre, die zusammen ein Vermögen von 8,7 Billionen Dollar besassen. Damit lebt jeder 15. Milliardär in unserem Land oder hat einen Schweizer Pass.
In diesem Jahr präsentiert BILANZ insgesamt 13 neue Reichste, denen ein Vermögen von 100 Millionen Franken und mehr zugerechnet wird. Denn so viel ist mindestens nötig, um in der Reichsten-Liste aufgeführt zu werden. Mit 2 bis 2,5 Milliarden der Vermögendste unter den Neulingen ist Lars Förberg, der sich als aktivistischer Investor sogar mit Weltkonzernen anlegt. Erstmals aufgeführt mit 100 bis 150 Millionen sind die drei Top-Manager Paul Bulcke, Sergio Ermotti und Walter Kielholz (siehe Liste «Die Neuzugänge»).
Comeback mit 82 Jahren
Gleich vier neue Reiche haben, höchst zeitgemäss, in der Kategorie Digital Einzug gehalten. Darunter ist mit Beat Curti ein altbekannter Name zu finden. Er figurierte schon auf der Ur-Liste der Reichsten aus dem Jahr 1989. Curti wurde letztmals 2002 mit 250 Millionen Franken aufgeführt. Im Jahr danach musste der Vollblutunternehmer seine an Ertragsauszehrung leidende Detailhandelsgruppe Bon appétit verkaufen – und fiel aus Rang und Traktanden. Jetzt ist er zurück.
Der 82-Jährige gehört zu den Gründern von SoftwareOne. Der Anbieter von Software- und Cloud-Dienstleistungen ging im Oktober an die Börse und bescherte Curti einen mehrere hundert Millionen schweren Vermögenszuwachs. Zu Multimillionären beim IPO wurden die weiteren Mitgründer René Gilli und Daniel von Stockar.
Aus Bayern nach St. Moritz zugezogen ist Dieter Schön, der mit seinen Privatkliniken zum Milliardär geworden ist. Ebenfalls ein gebürtiger Deutscher, wenn auch eingebürgert im steuermilden Hergiswil NW, ist Markus Rieker (siehe Liste «Das sind die reichsten Deutschen»). Er dirigiert ein riesiges Schuh-imperium. Allein in Vietnam werden gut 50 000 Paar Schuhe sowie 110 000 Schuhschäfte gefertigt – pro Werktag.
Von den 13 Neuen stammen 7 aus dem Ausland. Auch unter den 300 Reichsten bilden die Zuzügler von ausserhalb der Schweiz eine grosse Gruppe; beinahe jeder Zweite ist ein Wahlschweizer.
Die 14 wichtigsten Fakten zu den 300 Reichsten 2019
Gesamtvermögen der 300 Reichsten: 702 Milliarden Franken. Die 300 Reichsten waren noch nie so reich wie heute. Jeder besitzt im Durchschnitt 2340 Millionen Franken.
Schwindsucht
Wo 13 neue Namen aufscheinen, müssen zwangsweise 13 Reichste weichen, damit die selbst gesetzte Obergrenze von 300 eingehalten werden kann. Bei einigen hat die Börse in ihrem Vermögen Spuren hinterlassen – negative, notabene.
Gestrichen wurden Sandro Dorigo und Lukas Ruflin, Mitgründer von Leonteq. Die Aktien des Anbieters von strukturierten Produkten haben auch in diesem Jahr an Wert verloren und das Vermögen des Duos unter 100 Millionen Franken gedrückt.
Keinen Deut besser erging es dem Investor Max Rössler: Seine Beteiligungen am Baukonzern Implenia wie am Maschinenbauer Starrag leiden unter Schwindsucht. Ebenso das Aktienpaket, das Stella Ahlers am deutschen Männermode-Schneider gleichen Namens hält.