Das Timing ist perfekt: Boris Collardi verlässt Julius Bär auf dem Höhepunkt. Die Assets under Management sind auf Rekordniveau, die Gewinne sprudeln. Angesichts des massiven Kursanstiegs rangierte die Bank am Vortag der Ankündigung seines Ausstiegs mit einem Plus von über 33 Prozent in der Top 3 der Börsengewinner des laufenden Jahres.

Im jetzigen Zeitpunkt kann er darauf zählen, dass sein Wirken als CEO  in erster Linie positiv gesehen wird. Gut möglich, dass das zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr so gewesen wäre. In Zukunft dürfte auf die Bank einiges an Zusatzkosten hinzukommen, weil einzelne Investitionen auf die lange Bank geschoben wurden. Auch in Sachen Kapital bietet Julius Bär in Zukunft wohl nicht mehr den breiten Spielraum, den Collardi für seine forschen Expansionsschritte gerne nutzte, etwa 2012 beim Kauf des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäfts von Merrill Lynch.

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Collardi muss sich als Teamplayer bewähren

Auch die Wahl seines neuen Arbeitgebers ist geschickt gewählt: Bei Pictet ist er als Partner zwar in wichtiger Rolle, aber nicht mehr unmittelbar im Rampenlicht. Viel verdienen wird er auch dort, und all dies ohne die bösen Kommentare, die sein hoher Lohn – für  2016 waren es rund 6,5 Millionen Franken – mitunter auslöste. Bei der Gewinnmaschine Pictet – im ersten Halbjahr stieg der Reingewinn um 29 Prozent auf 247 Millionen Franken an – fällt in guten Jahren für die Partner gut und gerne eine Jahresauszahlung von je 20 Millionen an, wie Insider schätzen.

Für Collardi bietet der Job aber auch neue Herausforderungen. Er, der seit seiner Wahl zum CEO 2009 angesichts eines zuletzt eher schwachen Verwaltungsrats seine Machtposition stetig ausweiten konnte, muss sich neu wieder vor allem als Teamplayer bewähren. Denn das Partner-Gremium bei der noblen Genfer Privatbank baut stark auf den Konsens und die Einheit. Collardi muss für seine neue Aufgabe also noch einen wichtigen Entwicklungsschritt machen, und lernen sich selber als Person stärker zurückzunehmen.

Erik Nolmans
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