Flugzeuge, Fitnessstudios, Banken, dazu Wein, Musik und Bücher. Nicht zu vergessen: die Casinos, Züge und Hotels. Auch Telekommunikation und Ballonflüge gehören zum Portfolio. Richard Branson hat schon so ziemlich alles ausprobiert, was sich ein Unternehmer vornehmen kann. Er gründete ein weltweites Imperium, die Virgin Group, und baute über die Jahre ein Netz aus über 400 Firmen auf. 68’000 Menschen arbeiten in 50 Ländern der Welt für Virgin, 2013 erreichte die Gruppe einen Markenumsatz von rund 24 Milliarden Dollar, etwa 22 Milliarden Franken.

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Zuletzt hatte der 63-jährige Branson mit Virgin Galactic Schlagzeilen gemacht. Obwohl sich der Jungfernflug und damit der Beginn der kommerziellen Raumfahrt seit geraumer Zeit verzögert, ist der Unternehmer optimistisch, dass es in diesem Jahr mit Virgin Galactic ins All geht: Komplizierte Dinge brauchen eben Zeit. Das gilt auch für den Kampf gegen den Klimawandel, dem sich der Brite mit dem charakteristischen Bart und den blonden, halblangen Haaren verschrieben hat. Richard Branson ist wie viele andere Reiche vor einigen Jahren dem grauen Regenwetter seiner Heimat entflohen und hat sich auf einer Insel in der Karibik niedergelassen. Er ist dort Teil des Problems, das er lösen möchte – die Nutzung von umweltschädlichen Energieträgern zur Produktion von Strom. 80 Prozent des Stroms, der in der Karibik verbraucht wird, wird mit Dieselgeneratoren hergestellt – und das, obwohl Sonne und Wind in grossen Mengen zur Verfügung stehen.

Alles ausprobieren

Dies soll sich jetzt ändern, bei ihm zu Hause auf Necker Island, aber auch auf anderen Karibikinseln, auf den British Virgin Islands, auf Dominica und Aruba. «Wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen, müssen wir auch hier ansetzen», sagt der Unternehmer. Kommende Woche bringt Branson dafür bei der «Ten Island Challenge» Regierungschefs, CEOs und Aktivisten zusammen, auch der deutsche Botschafter, die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und 50 Firmen kommen nach Necker Island. Dort sollen sie Lösungen für das Stromproblem finden, nicht weniger als ein karibischer Marshall-Plan ist das Ziel. Richard Branson macht dies dabei nicht nur aus Gutmenschentum: Er wittert ein Milliardengeschäft für internationale Firmen, die die Karibik mit sauberem Strom versorgen und ihre Lösungen auf andere, schwer zugängliche Standorte übertragen. Der Unternehmer fängt dafür bei sich zu Hause an.

Die Villa auf dem 300’000 Quadratmeter grossen Eiland im Atlantik wird seit Monaten nachgerüstet, spätestens in einem halben Jahr sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Doppelglasfenster, Solarzellen und ein neuartiges Kühlsystem sollen die Insel zu 90 Prozent CO2-neutral machen. Damit spart der Mann, dessen Vermögen von Forbes im März 2013 auf rund 3,5 Milliarden Pfund, etwa 5 Milliarden Franken, geschätzt wurde, auch noch Geld: «Das reduziert meine Energiekosten um 40 Prozent», sagt Branson, «das ist die Investition wert. Wir müssen zeigen, dass wir das Ding gedreht bekommen.» Branson klingt zuversichtlich, als er das sagt. Sein Spitzname Dr. Yes kommt nicht von ungefähr: Der Brite hat den Ruf, alles ausprobieren zu wollen – eine Weltumrundung im Heissluftballon, den Flug ins All, Tauchgänge zur tiefsten Stelle des Atlantiks. Auch für den Job von Londons Bürgermeister Boris Johnson soll Branson schon Interesse gezeigt haben.

Virgin mit wenig Gewinn

Der Brite fühlt sich persönlich für die Karibik verantwortlich; nicht nur, weil er selber auf einer Insel wohnt. «Wenn man aus einer Industrie kommt, die die Umwelt verschmutzt, muss man an anderer Stelle etwas tun», sagt er. Deshalb sei es kein Widerspruch, dass er als Gründer der Fluglinie Virgin Atlantic Airways zum Gipfel einlädt. «Ich fühle mich verantwortlich», sagt Branson. Virgin Atlantic, gibt er zu, müsse «die Bücher abstimmen». Die Airline wird derzeit von einem Amerikaner geführt, Craig Kreeger. Er musste im vergangenen Jahr einen Verlust von 93 Millionen Pfund, etwa 138 Millionen Franken, verkünden, Singapore Airlines hält inzwischen 49 Prozent an der Fluglinie.

«Unsere Airline macht zur Zeit nicht besonders viel Gewinn», sagt Richard Branson. Sobald Virgin Atlantic besser dasteht, wolle er aber neue, umweltfreundlichere Benzinsorten verwenden. Virgin Galactic, sein Reiseunternehmen fürs All, macht auf den ersten Blick ebenfalls nicht den umweltfreundlichsten Eindruck – ein Flug ins All, einmal hoch und wieder runter. Muss das sein? Doch Branson ist auf die Frage vorbereitet. Ihm zufolge stossen die Virgin-Raketen nur wenig Kohlenstoffdioxid aus: «Wir haben den Ausstoss so reduziert, dass wir weniger CO2 produzieren als ein Hin- und Rückflug von London nach Hongkong», sagt der Firmengründer.

Grosse bürokraitsche Hürden

Virgin Galactic soll 2014 endlich starten. Seit 2007 wurde der Erstflug immer wieder verschoben, Branson hat inzwischen 42 Millionen Pfund, etwa 62 Millionen Franken, von 580 Passagieren als Anzahlung eingesammelt. Tom Bower, Autor der gerade erschienenen Branson-Biographie «Behind the Mask», kritisiert den Briten heftig und beschreibt das All-Unternehmen als Fehlinvestition, die zum Scheitern verurteilt sei. Branson lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken. Mit der Caribbean Challenge hat sich der Milliardär ein ähnlich anspruchsvolles Ziel gesetzt. «Wir müssen die Leute ermutigen, mehr in saubere Energien zu investieren», sagt Branson, «schmutzige Energiegewinnung darf nicht mehr subventioniert werden.»

Unternehmen allein könnten Branson zufolge das Problem nicht allein lösen, die bürokratischen Hürden sei zu gross. Rund 4,6 Millionen Menschen könnten mit seiner Initiative auf den teilnehmenden Inseln an sauberen Strom kommen. Rund 25 Prozent des BIP von derzeit rund 88 Milliarden Dollar – so viel geben die Inseln für Diesel aus – würden für andere Projekte frei. «Die Karibik-Inseln waren technisch nie besonders weit vorne mit dabei», sagt Peter Lilienthal, CEO der US-Energiefirma Homer, der die Regierungschefs während des Gipfels beraten soll. «Viele Entscheidungsträger sind sehr skeptisch. Das müssen wir ändern.» Mit an Bord ist auch der «Carbon War Room (CWR)», die Branson-NGO, die sich dem Kampf gegen Kohlenstoffdioxid verschrieben hat.

Nicht immer ein Vorbild

CWR-Chef José Maria Figueres Olsen, früher Präsident von Costa Rica und Ex-CEO des Weltwirtschaftsforums, sieht ein grosses wirtschaftliches Potenzial in der Karibik. «Unternehmen können hier Geld verdienen», sagt er; wenngleich er nicht genau beziffern kann, welche Anfangskosten auf die Unternehmen zukommen und wie schnell sich die Investitionen amortisieren lassen. Doch seine Mitarbeiterin Maya Doolub ist sich sicher: «Die Unternehmen haben Milliarden, die hier sinnvoll investiert werden könnten», sagt die junge Frau, die ursprünglich aus Mauritius kommt. «Wir müssen den Entwicklern kommerzielle Möglichkeiten bieten.»

Für Richard Branson ist Deutschland dabei nur in Teilen ein Vorbild. «Deutschland hat mehr getan als die meisten anderen Länder», sagt er. Die Energiewende habe aber in Verschmutzer-Ländern wie China grosse Verwirrung ausgelöst. «Die Nuklearenergie muss auch in Zukunft eine Rolle spielen, wenn wir die Kohlenstoffdioxid-Emissionen verringern wollen», meint er. Seinen persönlichen Lebensstil will der Milliardär zum Schutz des Klimas nicht ändern. Branson, der in den 70er-Jahren in der Londoner Oxford Street seinen ersten Plattenladen aufmachte, hat hart für seinen Erfolg gearbeitet. Heute ist er der sechstreichste Brite überhaupt, er darf sich seit Dezember 1999 «Sir Richard Branson» nennen.

Mit Bitcoins bezahlen

Seinen Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat Branson inzwischen aufgegeben, aus steuerlichen Gründen, vermutet die britische Boulevardpresse. Den Grossteil des Jahres verbringt er deshalb ausserhalb Grossbritanniens. «Es gibt Bereiche, in denen die Menschen ihren Energieverbrauch verringern können, ohne Einbussen beim Komfort», sagt Branson. Es sei nicht realistisch, den Menschen ihren Urlaub oder das Auto fahren verbieten zu wollen. «Wenn wir sauberere Autos haben, ist das kein Problem mehr», sagt er. Er hofft, dass sich die Regierungschefs auf seinem Gipfel auf konkrete Vereinbarungen einlassen und dass die zehn Inseln deshalb schon bald nicht mehr so viel Diesel benötigen wie heute.

Danach wird sich der 63-Jährige wieder seinem Galactic-Programm und dabei vor allem den Satelliten widmen, die er in den kommenden zweieinhalb Jahren ins All schiessen will. «Mehr als eine halbe Million Menschen auf der Welt bekommt mit unseren Satelliten Zugang zum Internet», sagt er. Im All, so wünscht Dr. Yes, soll dann auch mit der digitalen Einheit Bitcoins bezahlt werden, einige Galactic-Passagiere haben ihre Anzahlung bereits in dieser Form geleistet. «Das ist extrem aufregend, all diese Möglichkeiten», sagt er. Branson lacht leise. Wie einer, der weiss, dass noch viel auf ihn wartet.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwesterpublikation «Die Welt» erschienen.