Murmeln und Kopfschütteln. Viele Besucher des Wahlfrühstücks der US-Handelskammer in Zürich hatten wohl gehofft, gemeinsam Clintons Sieg feiern zu können. Doch als auf den grossen Leinwänden die CNN-Reporter einen Punktsieg nach dem anderen für Trump verkünden, wird die Stimmung im Raum zunehmend gedrückter. Später, als Trump als Sieger feststeht, brandet kurz Applaus auf. Er gilt der Verliererin.

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Es ist ein Ergebnis, mit dem nur wenige Beobachter in der Schweiz und in Europa ernsthaft gerechnet haben. Wie in der Brexit-Nacht schien ein solches Resultat, knappen Umfrage-Resultaten zum Trotz, schlicht undenkbar. Und doch ist es Realität: Donald Trump, Milliardär und selbsternannte Kultfigur, wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Der Brachialrhetoriker, dessen Kandidatur zu Beginn als Lachnummer erschien, hat sich durchgesetzt. An den Finanzmärkten sorgte das für Durcheinander - während in Japan die Kurse stürzten, der Dollar fiel und Gold teurer wurde, legt der SMI klar zu. Die Schweizerische Nationalbank SNB schweigt sich zunächst aus.

Betroffenheit und Wut

Ungewöhnlich deutlich äussern Politiker und Wirtschaftsgrössen international ihre Betroffenheit. Die Wahlnacht hindurch machte sich Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman per Twitter Luft. «Ich bin im Moment wütend auf eine Menge Leute», schrieb er. «Jetzt geht es darum, was wir in dieser furchtbaren neuen Welt tun können.»

Auch in der Schweiz folgten schnell die Reaktionen. Nationalratspräsidentin Christa Markwalder (FDP) sieht momentan «viele Fragezeichen». Sie sagt: «Trumps Wahlsieg lässt ein Klima der Unsicherheit entstehen, und das ist für Investitionsentscheide nachteilig.»

Schweiz will Beziehungen pflegen

Zugleich erinnert sie daran, dass viel im Parlament der USA entschieden werde. Nicht alles, was im Wahlkampf zu hören gewesen sei, könne den Kongress einfach passieren. Die Schweiz habe ein grosses Interesse daran, die guten Beziehungen zu den USA weiterhin zu pflegen. Die USA sind nach Deutschland das wichtigste Abnehmerland für Schweizer Exporte.

Die Offenheit für eine konstruktive Zusammenarbeit betonte auch Bundesrat Didier Burkhalter in einem Interview mit dem Westschweizer Radio (RTS). Es gelte, der neuen amerikanischen Regierung Zeit zu geben, ihren Weg zu finden. «Frieden und Sicherheit sind unsere Kernanliegen». Die Schweiz wolle diesen Weg mit der neuen Regierung in Washington beschreiten.

Sieg für die «neue Rechte»

SP-Nationalrat Cédric Wermuth schlägt weniger sanfte Töne an. «Jetzt ist es offiziell», schreibt er auf Twitter. «Liberalismus und Sozialliberalismus können die neue Rechte nicht schlagen. Im Gegenteil. Punkt.»

Wermuths Parteikollege Tim Guldimann zeigt sich ebenfalls besorgt. «Die Wahrheit steht zur Disposition. Man kann lügen und kommt damit durch», sagt der SP-Aussenpolitiker zur Wahl von Trump. Er spricht von einem Bruch mit den Werten der europäischen Aufklärung. Erschütternd sei auch der Erfolg eines Kandidaten, der sich offen als Sexist präsentiere.

Diese Meinung teilt Adèle Thorens, die frühere Co-Präsidentin der Schweizer Grünen. Sie zeigte sich gegenüber der Nachrichtenagentur sda erschüttert, «als Frau und als Grüne». Vor allem aber hat sie Angst um das Pariser Klima-Abkommen. Die USA seien eines der Länder mit dem grössten CO2-Ausstoss weltweit. Mit Trump an der Spitze dürfte das Klima-Abkommen von Paris auf amerikanischem Boden nicht umgesetzt werden, befürchtet die Waadtländer Nationalrätin.

«Brandgefährliches» Aufbegehren

Das Aufbegehren gegen die etablierte Politik sei «brandgefährlich», sagt Guldimann. «Die Folgen sind Konfrontation, Ausgrenzung und Rassismus», gab Guldimann zu bedenken. Die Schweiz werde Trumps Nationalismus auch als Protektionismus zu spüren bekommen. Dieser werde Schule machen und die Weltwirtschaft belasten.

Guldimann ist der Ansicht, dass die Frage des Umgangs mit Rechtspopulisten offen angegangen werden müsse, und ihnen die Frustrationen gegen die etablierte Politik nicht überlassen werden dürfe.

SVP-Nationalrätin Natahlie Rickli will schauen, wie Trump sich schlägt. «Trump wird nun zeigen müssen, dass er mehr kann, als alle von ihm erwarten», schreibt sie per Twitter.

 

«Das Wahlergebnis schafft keine Klarheit, sondern Unsicherheit», sagt Michael Strobaek, Global Chief Investment Officer der Credit Suisse. Ähnlich sehen es auch die Beobachter beim Wahlfrühstück in Zürich. Ein ähnliches Schicksal wie für Grossbritannien fürchtet die Britin Jeanette Bider. «Dort zeigt sich bereits: Der Brexit bringt keine Verbesserungen, alles wird teurer. So wird es auch mit Trump sein. Was er verspricht, kann er nicht halten.»

Die Reaktionen von US-Bürgern beim Wahlfrühstück:

Mit Material von sda.