Was ist das beste an Südchina?  Man kann hier als Pionier wirken, die beruflichen Möglichkeiten sind irrsinnig. Man ist am Puls der Zeit.

Qingxi liegt abseits der grossen chinesischen Wirtschaftszentren - warum dieser Wohnort? Qingxi gilt hier in der Guangdong-Provinz als kleines Städtchen - obwohl es immerhin 350 000 Einwohner hat. Die meisten Einwohner sind chinesische Wanderarbeiter, es gibt hier nur eine Handvoll Ausländer. Ich wählte diesen Wohnort weil hier auch unsere Büros und Produktion sind. Und ich wollte bewusst aufs Land hinaus ziehen, um dort besser in Kontakt mit Kultur und Menschen zu kommen. Fürs Stadtleben habe ich eine zweite Wohnung in Shenzhen, etwa zwei Autostunden entfernt von Qingxi.

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Wie haben Sie sich vorbereitet auf das Leben und Arbeiten in China? Zur Vorbereitung war mir das im ZHAW-Studium besuchte China-Modul eine grosse Hilfe. Dies ist ein dreiwöchiges  Studienmodul in China, in welchem den Studierenden die industrielle Wirtschaft und Kultur Chinas näher gebracht wird. Dieses Modul hat mir den Eintritt in den Fernen Osten ermöglicht.

Was hat Sie am meisten überrascht? Ich dachte, dass Qingxi oder mindestens die Millionenstadt Dongguan internationaler geprägt seien. Doch ausserhalb der Büros spricht kaum jemand Englisch. Ebenfalls erstaunlich ist die geringe Disziplin im Strassenverkehr ausserhalb der grossen Cities: Sicherheitslinien werden meist überfahren und bestenfalls als Dekoration betrachtet, bei Rotlichtern wird nur sporadisch angehalten. Als begeisterter Töff-Fahrer war es zudem eine traurige Überraschung für mich, dass Motorradfahren in meiner Gegend verboten ist.

Das Image der Schweizer? Die Schweiz ist nicht sehr bekannt hier. Lustig: wenn ich mich mit einem Landsmann auf Schweizerdeutsch unterhalte, alarmiert das die Chinesen oft. Unser Dialekt muss für fremde Ohren sehr grob wirken; oft denken die Chinesen, wir hätten Streit.

Wie wird man als Westler behandelt in einem Städtchen, das fast nur von Einheimischen bewohnt wird? Man ist als Weisser schon ein Exot, aber man wird gut behandelt. Mit meiner Körpergrösse von 1.90 rage ich zudem stark aus der Masse heraus. Scherzhafterweise nennt man die Weissen hier «Langnase» oder «Weisse Geister», aber das ist gut zu ertragen. Wer sich als Westler für ein Leben in der chinesischen Provinz entschliesst, fährt gut damit, flexibel und offen für Neues zu sein - dann kommt es gut.

Wie schafft man Verbindlichkeit im Meeting? Man sollte alles protokollieren und seine Leute sehr eng führen. Pushen, kontrollieren - ohne einen Gesichtsverlust herbeizuführen.

Sitzungskultur? Was mich nervt: es gibt kaum eine Sitzung, ohne das Klingeln eines Handys. Nicht selten wird das Telefon dann sogar abgenommen.  

Ein Ort, um den Kopf auszulüften? An den Stränden östlich von Qingxi, beispielsweise in Hui Zhou.

Matthias Bleibler, 27, lebt seit eineinhalb Jahren im südchinesischen Qingxi. Dort baut er für die Schweizer Firma Marti EPC den internen Sondermaschinenbau auf.