Er hat auch heute wieder seine Rhein-App mit der aktuellen Wassertemperatur geprüft. Es ist ein sehr warmer Frühlingstag an diesem 8. Mai in Basel. Trotzdem: 15 Grad Celsius sind Stéphane Maquaire doch noch zu kalt, um einen Fuss ins Wasser zu halten. Mindestens 18 Grad müssten es sein. Das Schwimmen im Fluss hat er letztes Jahr entdeckt, nicht lange nachdem er den Manor-Chefposten übernommen hatte. Und er fand es grossartig: «Leute, die in der Badehose im Stadtzentrum herumlaufen: Wenn das kein Zeichen von hoher Lebensqualität ist!»

Die Seine in Paris, seinem alten Wohn- und Arbeitsort, ist nicht zum Baden geeignet. Und Pariser in Badehosen sieht man in der Île-de-France auch nicht. Dafür gabs dort allerdings auch keinen Einkaufstourismus und erst recht keinen starken Franc. So war der 44-jährige Franzose dann doch überrascht, als er Anfang des vergangenen Jahres seinen neuen Job antrat und erstmals mit den Standortproblemen konfrontiert wurde, die Manor seit ein paar Jahren das Leben schwer machten.

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Doch nicht alles lässt sich auf externe Faktoren wie den starken Franken oder die vorsteinzeitlichen Ladenöffnungszeiten abschieben. Manors Misere ist teilweise auch selbst verschuldet: So vernachlässigte die Warenhausgruppe den Aufbau des Onlinehandels und verwässerte mit einem zunehmend heterogenen Sortiment ihr Profil. Das Warenhaus der Mittelklasse hatte sich verirrt.

Überall Einkaufstouristen

Stéphane Maquaire ist ein gross gewachsener und zuvorkommender Mann, stets ruhig und gefasst. Fragt man ihn aber, was er davon halte, dass in gewissen Kantonen die Läden samstags schon um 16 Uhr schliessen müssen, spürt man, wie es in ihm brodelt. Er will es nicht recht verstehen. In Paris kann man selbst am Sonntag shoppen. In Basel hingegen schliessen die Läden vor den Feiertagen noch früher als sonst, während sie drüben in Lörrach bis 21 Uhr geöffnet haben. «Das ist ein Problem», versucht er es nüchtern festzumachen. Die Rechnung sei ganz einfach: «Je mehr Stunden wir offen sein dürfen, desto mehr Umsatz machen wir.»

Stéphane Maquaire

Stéphane Maquaire: «Je mehr Stunden wir offen sein dürfen, desto mehr Umsatz machen wir.»

Quelle: Helmut Wachter für BILANZ

Der Einkaufstourismus traf Manor viel härter als die Konkurrenz. 40 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen mit Filialen in Grenznähe. Ein Begriff, der Maquaire nachdenklich stimmt. Denn die Schweiz wirkt auf ihn wie ein einziges grenznahes Gebiet. Die Tatsache, dass 80 Prozent der Bevölkerung in weniger als 45 Minuten mit dem Auto in Frankreich, Deutschland, Italien oder Österreich sind, hat ihn schockiert.

Ennet der Grenze sind Mode, Kosmetik und Lebensmittel so viel günstiger, dass viele von ihnen die Fahrt auch bei zunehmend unvorteilhafterem Wechselkurs gerne auf sich nehmen. Rund zehn Milliarden gehen dem Schweizer Detailhandel Jahr für Jahr verloren. 45 Minuten: So lange brauchte Maquaire früher etwa, um von seinem Pariser Wohnort an seinen Pariser Arbeitsplatz zu fahren. Und das Tag für Tag.

Filial-Schliessung keine Option

Andere Händler machten Filialen in Kreuzlingen, Lugano oder Basel längst dicht. Für den neuen Manor-Chef ist das keine Option: «Das sind oft unsere grössten Läden», erklärt er. «Wir werden bestimmt nicht unsere Flaggschiffe schliessen.» Dieselbe Garantie gibt Maquaire auch für alle anderen Manor-Warenhäuser ab. 60 an der Zahl, zehn weniger als noch 2010. Die Botschaft stösst auf Skepsis: Manor werde nicht umhinkommen, in nächster Zeit Läden zu schliessen, sind sich viele in der Branche einig.

Trotz Krebsgang: Das Unternehmen ist noch immer der mit Abstand grösste Warenhausbetreiber der Schweiz, beschäftigt 10 000 Menschen und nimmt pro Jahr mit geschätzten 2,5 Milliarden Franken mehr als dreimal so viel ein wie die Nummer zwei. Coop City (773 Millionen) und die Migros-Tochter Globus (643 Millionen) haben jedoch den Vorteil, dass sie von den Einkaufsbedingungen ihrer Mutterhäuser profitieren. Das hält die Marge vergleichsweise hoch. Manor muss alles selber stemmen.

Über Zahlen will Maquaire nicht reden. Den Umsatz kommuniziert man seit seiner Ankunft nicht mehr. Über den Gewinn wurde bislang nur spekuliert. Ein Filialleiter verriet letztes Jahr dem «SonntagsBlick», dass die Marge inzwischen unter ein Prozent gefallen sei.

Manor-Filiale in Spreitenbach AG

Sortiment für den Mittelstand: Aufgeräumte Manor-Filiale in Spreitenbach AG.

Quelle: ZVG

«Eine Niederlage ist gut»

Bertrand Jungo, 27 Jahre bei Manor, die letzten elf als CEO, hatte zuletzt den Rückhalt der Besitzer verloren. Er und die Familien Maus und Nordmann (MaNor), die als Maus Frères Holding hinter der Warenhausgruppe stehen, trennten sich im Januar 2017. Kurz zuvor hatte Präsident Didier Maus mit Paris telefoniert. Dort war Maquaire gerade frei geworden. Nach nur sechs Monaten wurde er von Vivarte auf die Strasse gestellt – einem hoch verschuldeten Konglomerat von dringend
entwicklungsbedürftigen Kleider- und Schuhmarken wie Kookaï oder Naf Naf. Nur vier Wochen zuvor hatte er seinen Fünf-Jahres-Sanierungsplan vorgestellt.

Die Aktionäre, unter anderem die Investmentfonds Oaktree, Alcentra, Babson und Golden Tree, waren nicht zufrieden. «Es war eine Niederlage, ich wäre damals gerne länger geblieben», räumt Maquaire ein. «Aber eine Niederlage in der beruflichen Karriere ist gut.»Maquaire hat gut reden, schliesslich hat er nach seinem Rauswurf etliche Anfragen erhalten, wie er der französischen Presse ohne falsche Bescheidenheit anvertraute. Mit Didier Maus sei er sich «sehr schnell einig» gewesen, sagt er heute.

Im Januar zog Maquaire nach Basel, im Juli folgte seine Familie, Frau und drei Töchter im Alter von 13, 17 und 19 Jahren, im August legte er seinen zweiteiligen Sanierungsplan für Manor auf den Tisch: eine zweijährige Transformationsphase, gefolgt von einer Wachstumsphase mit Ladeneröffnungen. Maquaire denkt da auch an neue, kleinere Formate, beispielsweise in Flughäfen oder Bahnhöfen. In Zürich, wo Manor wohl bald aus dem Haus an der Bahnhofstrasse ausziehen muss, träumt Maquaire vom Bellevue und von Sihlcity. Und er will nach Bern, dem grössten weissen Flecken auf der Manor-Landkarte. Eine Besonderheit, die traditionell mit der starken Stellung von Loeb erklärt wurde.

Stéphane Maquaire mit Gattin Nathalie bei der Baloise Session 2017.

Neu-Basler: Stéphane Maquaire mit Gattin Nathalie bei der Baloise Session 2017.

Quelle: Hervé le Cunff

Maquaire kennt diese Schweizer Geschichten nicht, er sieht nur das Potenzial. Statt mit den gewohnten 10 000 bis 20 000 Quadratmetern gäbe er sich schon mit 2000 bis 4000 zufrieden. Die Zeit drängt, die Besitzer wollen bald wieder Wachstum sehen: «Es wäre gut, wenn wir in einem Zeithorizont von fünf Jahren erste neue Filialen eröffnen könnten.»

Von der Konkurrenz abheben

Und die Warenhausgruppe soll wieder mehr Profil erhalten, sich von der Konkurrenz abheben. Auch hier trifft Maquaire auf eine Schweizer Eigenheit: Nirgends sonst dominieren zwei Grossverteiler das ganze Land. «Heute können die Kunden nur zwischen einem orangen Konkurrenten und einem anderen orangen Konkurrenten wählen», stellt er fest. «In dieser einheitlichen Welt kann Manor den Unterschied machen.» Doch dafür muss jetzt erst mal alles umgebaut werden – «transformiert», wie er es nennt.

Erste Auswirkungen spürt man in der Geschäftsleitung. Marketingchef Alex Sabbag und Finanzchef Pierre-Antoine Binard haben das Unternehmen verlassen. Genauso wie die langjährige Sprecherin Elle Steinbrecher, die zuletzt Teil der erweiterten Geschäftsleitung war und Maquaires Strategie nicht mittragen wollte. Das Gremium und seine Zusammensetzung gab in der Vergangenheit immer wieder Rätsel auf. Lange Zeit bestand es aus zehn Mitgliedern. Heute sind es sieben.

Die Führungsriege ist weder auf der Unternehmenswebsite aufgeführt, noch findet man sie im Handelsregister. Dahinter stecke keine Absicht, heisst es bei Manor. Doch es passt nur zu gut zum Konzern, der am liebsten gar nicht kommuniziert. Der neue Chef jedenfalls ist stolz auf die fast paritätische Konstellation seiner neu zusammengesetzten Chefetage: ein Franzose, ein Deutscher, eine Schwedin und vier Schweizer – zwei Deutschschweizer und zwei Romands.

Die Chefetage:

Maus macht Druck

Dass Stéphane Maquaire einen Detailhandelskonzern neu aufstellen kann, hat er bewiesen – bei Monoprix, wo er vor zehn Jahren als Leiter Finanzen und Entwicklung einstieg. Nicht wenige prophezeiten ihm, dass er der Erste sein werde, der rausfliege, sobald der absehbare Machtkampf zwischen den beiden gleichwertigen Monoprix-Aktionären, Casino und Galeries Lafayette, offen ausbreche. Doch Maquaire flog nicht raus, sondern stieg auf – und zwar schnell. Mit seiner ruhigen, aber bestimmten Art hatte er Erfolg. «Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt er nicht mehr los», sagte der frühere Unibail-Chef Guillaume Poitrinal über seinen ehemaligen Mitarbeiter. «Eine stille Kraft.»

Maquaire überlebt die Querelen zwischen den beiden Aktionären, bei denen letztlich die Casino-Gruppe 2013 als Siegerin aus dem Rennen hervorgeht. Und geniesst das volle Vertrauen von Casino-Big-Boss Jean-Charles Naouri. Maquaire verwandelt Monoprix radikal, frischt das verstaubte Image auf, wischt die noch immer sichtbaren Spuren von der Ende der 1990er Jahre getätigten Prisunic-Übernahme weg, hebt die Preise teilweise an, holt neue, attraktive Marken ins Sortiment, aktiviert die Social-Media-Kanäle für Werbung und eröffnet neue kleinere Läden in Bahnhöfen, Flughäfen, Stadtzentren und entlang der Autobahn. Stéphane Maquaire formt aus dem Billigsupermarkt eine Ladenkette für die «Bobos branchés», wie «Le Monde» schreibt: trendige «Bourgeois-bohème» – urbane, alternativ angehauchte Wohlstandsbürger.

Monoprix, das ist Maquaires Gesellenstück, seine Erfolgsgeschichte. Deshalb bezeichneten ihn die französischen Medien auch als «verrückt», als er nach acht Jahren zur schlingernden Vivarte-Gruppe ging. Aber der Wechsel war ganz nach dem Geschmack des Franzosen, der gerne den amerikanischen Schriftsteller Mark Twain zitiert: «Sie wussten nicht, dass es unmöglich war. Deshalb taten sie es.»

Die Karriere von Stéphane Maquaire

1997: Diplom der École Nationale des Ponts et Chaussées, einer technischen Hochschule in Paris.

1997: Manager bei Arthur Andersen.

2004: Stellvertretender Generaldirektor beim Eventveranstalter Exposium.

2007: COO für die französischen Einkaufszentren der Immobilien- und Investmentgruppe Unibail-Rodamco. Es ist Maquaires Einstieg in den Detailhandel.

2008: Maquaire geht zur Monoprix-Gruppe als Finanz- und Entwicklungschef.

2010: Maquaire wird CEO von Monoprix.

2013: Casino gewinnt den Machtkampf gegen Galeries Lafayette um Monoprix und wird alleiniger Aktionär. Maquaires Position ist gestärkt, und er geniesst das volle Vertrauen von Casino-Lenker Jean-Charles Naouri.

19. April 2016: Maquaire wird Chef der Modegruppe Vivarte, die zahlreiche Kleiderund Schuhmarken besitzt (u.a. Kookaï, Naf Naf, La Halle). Bei Vivarte weht ein rauer Wind, Maquaire ist der dritte Chef innert vier Jahren.

27. Oktober 2016: Maquaire wird bei Vivarte nach nur sechs Monaten abgesetzt, nachdem er kurz zuvor einen Fün?ahresplan zur Sanierung vorgelegt hatte.

11. Januar 2017: Maquaire wird CEO von Manor. Er übernimmt die Nachfolge von Bertrand Jungo.

25. August 2017: Maquaire legt Pläne für einen zweijährigen Transformationsprozess auf den Tisch: Er umfasst unter anderem den Abbau von 200 Stellen am Hauptsitz in Basel.

Und jetzt Manor. Eine zweite Niederlage kann sich Maquaire nicht erlauben. Der Druck ist hoch, auch von den Eigentümern. Laut früheren Kaderleuten ist der Einfluss der Maus Frères – intern von vielen nur «die Familie» genannt – sehr gross. Präsident Didier Maus wird als trocken und wortkarg beschrieben. Mit der Presse spricht der Genfer grundsätzlich nicht. Einmal pro Jahr kommt er nach Basel an den Hauptsitz, zweimal besucht er mit seinem CEO Filialen und diktiert seine Änderungswünsche. Maquaire ist starke Familienaktionäre aus seiner Monoprix-Zeit gewohnt. Die Besitzerfamilie der Galeries Lafayette sei sogar einmal pro Woche bei ihm vorbeigekommen. Bei Manor habe er viel mehr Freiheiten.

Nach dem Vorbild von Monoprix

Stéphane Maquaire muss liefern, und zwar bald. Die Ankündigung, am Basler Hauptsitz jede fünfte Stelle zu streichen, ging wie eine Schockwelle durch die Medien, doch danach wurde es ruhig. Sein Einstieg ist gelungen, sein Plan scheint aufzugehen. In weiten Teilen erinnert er an sein Monoprix-Erfolgsrezept: Le directeur verzichtet auf die harte Komplettsanierung und beult lieber schrittweise die Dellen aus, ohne die preissensitive Kundschaft zu verlieren. Das heisst: Profil schärfen, Sortiment bereinigen, Marken austauschen, neue Filialen eröffnen – und Social Media stärker nutzen.

Und überall Manor draufschreiben, wo Manor drin ist. Aus Eigenmarken wie Maddison und JJ-Benson wird Manor Man und Manor Woman. Die jüngeren Marken heissen neu Avant Première by Manor und Yes or No by Manor. Namenlose Haushaltsartikel wie Geschirr und Besteck sollen neu ebenfalls das Hauslabel tragen. Im Mode- und Lifestyle-Bereich will Maquaire mehr Dynamik. Die Kollektionen sollen schneller wechseln, «sodass Kunden täglich etwas Neues entdecken». Und täglich ins Warenhaus zurückkommen. Dazu sollen sich die Marken besser präsentieren können. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der französischen Kosmetikkette Sephora und dem italienischen Teenie-Modelabel Brandy Melville gelten als Vorbild. Weitere Namen sollen folgen.

Ein schärferes Profil gibts auch für die 31 Foodmärkte, die ein Viertel des Umsatzes generieren. Ihm sei beim Gang durch die Migros- und Coop-Filialen aufgefallen, dass die orange Konkurrenz bei vielen Nahrungsmitteln gar nicht günstiger sei als Manor, erzählt Maquaire. Im Februar führte er darum eine Tiefstpreisgarantie auf zuerst 100 Produkte ein, weitere 100 kommen jetzt hinzu. Flankiert werden diese «Einsteigerprodukte», wie er sie nennt, von einem gestärkten Eigenmarkensortiment. Diese Basic-Produkte-Linie trägt neu das Label Manor everyday und ist im mittleren Preissegment angesiedelt. Bis September soll sie 100 Produkte umfassen. Für die kaufkräftigere Kundschaft, zum Beispiel in Zürich oder Genf, wird das Sortiment mit Premiumware aufgestockt.

Der Missverstandene

Beim Onlinehandel will Maquaire das Sortiment massiv ausbauen, die Kommunikation über Social Media stärken und die Manor-Kartenhalter einbinden, die grundlegenden Spielregeln will er aber nicht ändern. Heisst: Erst ab einem Bestellwert von 100 Franken ist die Lieferung gratis, und Retouren müssen die Kunden selber berappen. «Die Lieferkosten berechnen wir, um zu verhindern, dass Leute einen Kugelschreiber online bestellen und ihn sich umsonst zuschicken lassen», erklärt Maquaire. «Das ist nicht rentabel.»

Er setzt auf «Click and Collect» – online bestellen, stationär abholen. Es heisst, 40 Prozent der Kunden würden beim Abholen der Ware noch einen Zusatzkauf tätigen. In den letzten drei Jahren sei der Online-Umsatz verachtfacht worden, bekräftigt Maquaire, wenn auch auf tiefem Niveau.

Intern hat er die Abläufe angepasst. Seine Vorgänger Bertrand Jungo und Rolando Benedick führten das Unternehmen noch strikt hierarchisch. Der Neue ist teamorientiert. Jeden Montag diskutiert er mit der Geschäftsleitung und den Regionaldirektoren operative Fragen und die Zahlen der vergangenen Woche. Die Zeiten sind vorbei, als alle blind dem CEO folgten. Heute hat zwar immer noch der Chef das letzte Wort, aber die Beschlüsse sind breit abgestützt. «Ich bin überzeugt, dass Entscheidungen kollektiver getroffen werden sollten.» Der Kulturwechsel passte nicht allen. Etliche Bewerbungsdossiers von Manor-Kadern landeten letztes Jahr auf den Tischen der Konkurrenten. Dort fragen sich nicht wenige, ob Maquaire überhaupt eine Strategie habe. Und mehr als einer wäre nicht erstaunt, wenn der Franzose bald wieder rausflöge.

Rolando Benedick (l.) und Bertrand Jungo

Die Vorgänger: Rolando Benedick (l.) entstammt der Maus-Familie und war von 1989 bis 2006 CEO. Bertrand Jungo übernahm nach Benedick und blieb knapp elf Jahre CEO.

Quelle: Keystone

Als unnahbar, hart und kühl wird er beschrieben. Viele kolportieren dies allerdings nur vom Hörensagen. Denn die wenigsten haben ihn bis jetzt persönlich kennen gelernt. Anders als seine Vorgänger nimmt er selten teil an den Treffen der Basler Wirtschaftsund Politszene. Und wenn er auftritt, dann referiert er in seiner Muttersprache. So hat sich innert kurzer Zeit der Mythos des abweisenden und hierarchisch regierenden Franzosen in den Köpfen zementiert. Stéphane Maquaire hat die wenig schmeichelnden Artikel über seinen Stil gelesen, schätzt sich aber selber ganz anders ein. Er sei sehr zugänglich, sagt er: «Meine Türe ist fast immer offen.» Regelmässig lädt der Chef zum Kader-Frühstück, wo bis zu 18 Mitarbeiter teilnehmen und Dampf ablassen können. «Ich lasse andere Meinungen zu. Und ich habe auch schon die Meinung geändert, wenn man mich mit guten Argumenten überzeugt.»

Eine seiner ersten Amtshandlungen, das Englische aus dem Hauptsitz zu verbannen, hat er in Eigenregie entschieden. «Englisch ist keine Schweizer Sprache», betont er. «Ich will, dass wir hier am Hauptsitz nur Deutsch oder Französisch sprechen.» Jeder könne so seine Sprachkompetenzen verbessern. Wer bei Präsentationen Deutsch spreche, müsse die Folien auf Französisch zeigen, und umgekehrt.

Keine Zeit für Deutschkurs

Maquaire selbst kann sich mit Deutsch durchschlagen, fühlt sich aber noch sichtlich unwohl in der Sprache, die er vor 25 Jahren mehr schlecht als recht in der Schule gelernt hatte. Seine Frau Nathalie geht mit gutem Beispiel voran und lernt nicht nur Deutsch, sondern gleich noch «Baseldytsch». Für ihren Mann hat sie ihren Job in der Rechtsdirektion der Caisse des Dépôts aufgegeben, eines staatlichen Finanzinstituts. Jetzt ist sie wieder ins Berufsleben eingestiegen: Seit April ist sie Teil eines PwC-Rechtsberatungspools für Temporäreinsätze.

Maquaire hat für Sprachkurse nicht genügend Zeit. Seine Arbeit absorbiert ihn stärker als erwartet. «Die Situation im Schweizer Detailhandel ist viel komplizierter, als man von aussen meinen könnte – wo man glaubt, dass die Schweiz eine Wohlstandsinsel ist, wo alles gut läuft», resümiert er. Wenn er mal ein paar freie Stunden findet, geht er ins Museum, zieht sich Laufschuhe an oder geht schwimmen – sofern der Rhein dann mal 18 Grad erreicht hat.