In der Schweiz – zumal in den Schweizer Banken – wird die « Financial Times» gern als Stimme der Londoner City wahrgenommen, und das Weltblatt begleitet UBS und Credit Suisse ja auch durchaus kritisch. Weniger sichtbar erscheint, dass die «FT» die britische Finanzbranche kaum weniger argwöhnisch beurteilt.

Vor diesem Hintergrund versteht es sich vielleicht besser, dass nun ausgerechnet die grosse Stimme des Wirtschaftsliberalismus der Vollgeld-Initiative applaudiert: «Why the Swiss should vote for ‹Vollgeld›», lautet der Titel des heutigen Leitartikels. Er wurde verfasst von Martin Wolf, dem vielfach preisgekrönten Chefökonomen des Wirtschaftszeitung.

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Insgesamt ist Wolfs Lob der Vollgeldinitiative eine bitterböse Kritik am heutigen Bankensystem sowie an der Tatsache, dass es die Politiker seit der Lehman-Krise von 2008 nicht geschafft haben, dieses System sinnvoll zu reparieren.

«Designed to fail»

Martin Wolf rechnet vor, dass der Internationale Währungsfonds von 1970 bis 2011 ingesamt 147 nationale Bankenkrisen feststellen musste: Die Finanzbranche produziert also ein Chaos nach dem anderen. Ihre Verpflichtungen sind unsicher, und besonders labil werden sie in Krisenzeiten. Also genau dann, wenn die normalen Sparer ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit haben.

Kurz und gut: Die Erfahrung zeigt – so der Kommentar –, dass selbst Ideen wie Einlegerschutz oder höhere Eigenkapitalpuffer das Grundproblem nicht lösen. Zwar tragen sie dazu bei, dass es seltener zu Bankenkrisen kommt. Aber wenn es dann doch einmal passiert, wird es umso fataler. «This is a system designed to fail», so Martin Wolf.

Eine Kernaufgabe des Staates

Hier eröffne der Vorschlag der Vollgeld-Initianten, den Banken einen Teil ihrer Geldschöpfung zu entziehen, einen Weg zu mehr Sicherheit. Es wäre gewiss ein «mini-earthquake», wenn das Schweizer Volk diesen Vorschlag annehmen würden – ein kleines Erdbeben: Da gibt Martin Wolf dem SNB-Präsidenten Thomas Jordan ganz recht. Und ja, die Ausgabe und die Steuerung des Vollgeldes sei schwierig.

«Doch diese Herausforderungen sind nicht so fundamental wie der Transfer einer Kernaufgabe des Staates – die Schaffung von solidem Geld – an eine privilegierte Gruppe von profitorientierten Privatfirmen»; und weiter: «In keinem anderen Feld der Wirtschaft sind die hoheitlichen Befugnisse so sehr vermischt mit privaten Interessen. Dass wir uns an dieses Arrangement gewöhnt haben, macht es nicht weniger unerwünscht.»

«Ein glaubwürdiges Experiment»

Dass ihr System funktioniert, sollten längst nicht mehr jene Menschen beweisen müssen, die den Wandel suchen. Sondern nach all den Krisen falle der Beweisdruck auf die Befürworter des Status Quo.

In diesem Rahmen sei die Vollgeld-Initiative ein glaubwürdiges Experiment: Sie trennt die Sicherheit, welche wir vom Geld erwarten, ab von der Risikokultur, die von den Banken gefordert wird. Und am Ende wäre es damit auch einfacher von den Banken zu verlangen, dass sie stets die vollen Konsequenzen für ihr Versagen tragen.
Die Vollgeldinitiative, so das Fazit in der heutigen «Financial Times», böte einen erhellenden Test einer besseren Zukunft für eine Branche, welche zu lange der gefährlichste Sektor der Welt war. «May the Swiss dare»: Auf dass es die Schweizer wagen.