Google-Mitgründer Larry Page will in Neuseeland ein Lufttaxi testen. Haben Sie von seinem Projekt «Kitty Hawk» gehört?  
André Borschberg*: Ja, ich kenne Larry Page persönlich, weil Google ein Partner von Solar Impulse war. Das sind gute Nachrichten, Larry Page hat viel in dieses Projekt investiert. Ich freue mich, dass immer mehr Leute die Entwicklung elektrischer Flugzeuge vorantreiben. Diese Technologie wird unsere Mobilität revolutionieren.

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Was meinen Sie damit?  
Der elektrische Antrieb wird nicht einfach den Verbrennungsmotor ersetzen, sondern die Aviatik grundlegend verändern. Elektromotoren haben viele Vorteile. Im Gegensatz zu den Verbrennungsmotoren reagieren sie sofort auf Impulse. Deshalb schwirren jetzt überall kleine Drohnen mit vier Motoren herum. Sie sind äusserst stabil, auch in windigen und turbulenten Verhältnissen – stabiler als Helikopter. Zudem sind Elektromotoren leise und sauber, es wird kein CO2 freigesetzt. Auch die Sicherheit ist hoch, weil die Maschinen über mehrere Motoren verfügen. Und die Technologie ist kostengünstig. Unser Elektroflugzeug von H55, Aero1, hat zehnmal tiefere Energiekosten, als wenn es mit fossiler Energie fliegen würde. Alle diese Faktoren machen den Elektroantrieb äusserst attraktiv.

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André Borschberg im Flugzeug Aero1 von H55: Der Motor stammt von Siemens.

Quelle: ZVG

Werden elektrische Flugzeuge und Passagierdrohnen schon bald in Serie produziert?  
Viele Konzerne arbeiten an Elektrofliegern, beispielsweise der Taxidienst Uber. Die grösste Hürde für Elektroflugzeuge und Passagierdrohnen ist nicht die Technologie: Diese Lösungen sind bereits vorhanden. Das Problem ist unser Denken. Unsere Gesellschaft – etwa die Behörden – reagieren nur langsam auf diese revolutionären Veränderungen. Alles muss neu gedacht werden, beispielsweise, wie wir unsere Städte planen.

Sie haben mit H55 ein Unternehmen für Elektroflugzeuge gegründet. Was haben Sie mit diesem Unternehmen vor?  
Mit H55 fokussieren wir auf den Elektroantrieb: Die Motoren, Propeller und Energiequellen. Es geht darum, Flugzeugherstellern zu ermöglichen, auf neue elektrische Antriebsformen zu setzen. Heute ist es einfach, den Prototyp eines Elektroflugzeugs in die Luft zu schicken. Die Schwierigkeit liegt darin, die Bewilligungen dafür einzuholen.

Aero1: Zurzeit entwickelt H55 einen weiteren Elektroflieger.

Aero1: Zurzeit entwickelt H55 einen weiteren Elektroflieger.

Quelle: ZVG

Was meinen Sie damit?  
Stellen Sie sich ein vierplätziges Flugzeug vor, welches mit einer 500 Kilogramm schweren Lithium-Batterie bestückt ist. Wenn dieser Flieger Feuer fängt, können Sie den Brand nicht löschen. Die Sicherheit steht bei der Entwicklung solcher Flugzeuge im Vordergrund. Dank unserer Erfahrung mit Solar Impulse wissen wir, worauf es zu achten gilt, weil wir unser Solarflugzeug auch zertifizieren mussten. Solar Impulse 2 durfte über die grössten Städte der Welt fliegen. Dieses Know-how wollen wir den Flugzeugherstellern weltweit nun zur Verfügung stellen.  

Woran arbeitet H55 gerade?  
Wir haben bereits ein Flugzeug entwickelt, den Aero1. Nun planen wir, einen Zweisitzer für Flugschulen zu bauen. Elektroflugzeuge sind für Flugschulen attraktiv, weil die Stromflugzeuge wenig Lärm verursachen. Im Sommer wollen wir das neue Flugzeug testen. Daneben konzentrieren wir uns darauf, unsere Technologien mit Patenten zu schützen, und treiben neue Ideen voran. 

H55

H55 setzt die Luftfahrt unter Strom: Das Walliser Unternehmen will dem Elektroantrieb in der Aviatik zum Durchbruch verhelfen. Bereits hat H55 das elektrische Akrobatikflugzeug Aero1 entwickelt. Zurzeit arbeitet H55 am Firmensitz in Sitten an einem weiteren elektrischen Flieger für Flugschulen, der Erstflug ist im Sommer geplant. Das Startup hat kürzlich einen prominenten Investor gewonnen. Der US-Schweizerische Risikokapitalgeber Aymeric Sallin hat sich mit seinem Fonds NanoDimension mit 3,5 Millionen Franken beteiligt.

Wie viele Leute arbeiten für H55?  
Für H55 arbeiten etwa zehn Leute. Zusätzlich spannen wir mit vielen Leuten aus dem Netzwerk von Solar Impulse zusammen. Bei Solar Impulse hatten wir rund 80 Unternehmen als Partner.  

Wie eng ist diese Verbindung zwischen H55 und Solar Impulse?  
H55 ist wie ein Spin-Off von Solar Impulse. Solar Impulse war ein Aushängeschild für erneuerbare Energien – Betrand Piccard ist weiterhin daran, diese Botschaft zu verbreiten. Weil wir so viel Erfahrung in der Fliegerei gesammelt haben, wollen wir die neuen Technologien weiterentwickeln. Zuerst hatte ich nicht vor, bei H55 mitzumachen, aber dann konnte ich doch nicht widerstehen. Mit Blick auf was wir alles erreicht haben, und was für Möglichkeiten offenstehen – da konnte ich nicht Nein sagen. Deshalb bin ich nun voll für H55 engagiert. Ich bin Präsident und Chef und habe zwei Mitgründer: Seb Demont, der Chefingenieur von Solar Impulse, und Greg Blatt, ein weiterer langjähriger Kollege von Solar Impulse. 

Sie haben für H55 einen Investor aus dem Silicon Valley gewonnen: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Beteiligungsgesellschaft NanoDimension des US-Schweizers Aymeric Sallin?  
Wir wollten jemanden aus dem Silicon Valley an Bord haben, im Hinblick auf die künftige Finanzierung des Projekts.

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Patrick Aebischer (Ex-Direktor der ETH Lausanne), Borschberg und Aymeric Sallin: Der Fonds von Sallin beteiligt sich an Borschbergs Unternehmen.

Quelle: ZVG

Sein Fonds ist auf Nanotechnologie fokussiert.  
Ja, aber auch auf andere disruptive Technologien. Für NanoDimension zählen auch die Elektroflugzeuge zu den Erfindungen, welche Industrien verändern werden.  

Wie profitieren Sie von dieser Zusammenarbeit?  
NanoDimension hat Erfahrung damit, Unternehmen mit grossem Wachstumspotential zu fördern. Zudem kennen sie viele andere Geldgeber im Silicon Valley – so können wir Kontakte knüpfen für die weitere Finanzierung von H55. Ich werde in zwei Wochen im Silicon Valley sein, um Leute zu treffen und Projekte anzuschauen. Wir haben genügend Geld für die nächsten achtzehn Monate. Aber wir müssen ständig mit potentiellen Investoren sprechen, nicht erst dann, wenn wir das Geld benötigen.

André Borschberg

*André Borschberg ist ein Schweizer Pionier der Luftfahrt. Der 66-jährige Romand und sein Partner Bertrand Piccard sind 2016 als erste Piloten im Solarflugzeug um die Welt gesegelt. Die nötige Erfahrung für den Rekordflug hat sich Borschberg unter anderem bei der Schweizer Luftwaffe geholt: Er war jahrelang Jetpilot, bevor er als Unternehmer und selbständiger Berater Karriere machte. Ab 2003 widmete er sich gemeinsam mit Piccard der Vision, die Welt im Sonnensegler Solar Impulse 2 zu umrunden.

André Borschberg
Quelle: Keystone

Sehen Sie die Zukunft von H55 in der Schweiz?  
Die Schweiz ist ein ausgezeichneter Standort für H55 – wir müssen uns nicht verstecken. Es gibt hierzulande sehr gute Ingenieure, dass hat Solar Impulse gezeigt. Google und Facebook entwickeln derzeit autonome Solar-Drohnen, ähnlich wie Solar Impulse, aber ohne Piloten. Beiden Konzernen ist der Erstflug mit ihren Prototypen missglückt. Dieses Beispiel zeigt, dass wir in der Schweiz wissen, wie neue Projekte gelingen.  

Hat die Schweiz das Potential, eine führende Rolle bei Elektroflugzeugen einzunehmen?  
Zumindest was die Technologien betrifft, Ja. Die elektrische Aviatik ist ein sehr breites Gebiet: Es geht um neuartige Wege, Flugzeuge zu bauen, um neue Materialen oder um das autonome Fliegen. Besonders in der Elektrotechnik ist die Schweiz sehr gut positioniert, um bei dieser Entwicklung mitzuhelfen.  

Hat H55 bereits Kunden gewonnen?  
Ja, wir nennen aber erst Namen, wenn wir marktreife Produkte haben. Es sind vertrauliche Verhandlungen. Wir sind im Gespräch mit potentiellen Kunden auf der ganzen Welt – deshalb müssen wir in den USA vor Ort sein, um Zugang zu den wichtigsten Unternehmen auf unserem Gebiet zu haben.