BILANZ: Herr Kracht, der Dollar und der Euro sind seit Monaten im Tiefflug. Halten Ihnen Ihre ausländischen Gäste noch die Treue?

Andrea Kracht: Im Moment verzeichnen wir noch keinen drastischen Einbruch. Mit einem Anteil von 17 und 14 Prozent sind die Amerikaner und die Deutschen zwar unsere wichtigsten Gästegruppen. Aber die Kunden aus diesen Märkten sind hauptsächlich individualreisende Geschäftsleute. Diese entscheiden selber, wann und wohin sie reisen, und sind weniger preissensitiv. Ganz anders verhält es sich in Drei- und Viersternhotels in Ferienregionen: Von dort kommen alarmierende Zahlen, vor allem mit Blick auf den bevorstehenden Winter.

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Ein Einzelzimmer kostet in Ihrem Hotel 540 Franken. Für Deutsche hat sich dieses Zimmer in einem Jahr um 100 Franken verteuert. Das schmerzt doch auch Ihre Klientel?

Wie gesagt, bis jetzt sind wir von extremen Reaktionen verschont geblieben. Aber das kann sich rasch ändern. Unsere derzeitige Auslastung ist mit 78 Prozent zufriedenstellend, aber nicht vergleichbar mit dem Spitzenjahr 2008, als wir bei 90 Prozent lagen. Doch unser Umsatz liegt leicht höher als im Vorjahr.

Warum das?

Nach dem letzten grossen Umbau 2008/09 konnten wir den durchschnittlichen Zimmerpreis um 200 auf 980 Franken steigern. Die Gäste sind bereit, für die grösseren Zimmer, über die wir nun verfügen, mehr zu bezahlen. Damit dürften wir schweizweit aber eine Ausnahme sein. Bei den meisten Fünfsternhotels weist der durchschnittliche Zimmerpreis nach unten.

Würden Sie die Preise senken, wenn die Euro-Krise doch noch durchschlägt?

Das ist in unserem Segment sehr gefährlich. Wir müssten wohl eher mehr Leistung für denselben Preis bieten.

Was erwarten Sie nun von der Politik?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat ja bereits Gegensteuer gegeben. Das könnte zumindest eine Konsolidierung der derzeitigen Währungsdisparität bedeuten. Vergessen wir nicht, dass der Franken in der zweiten Augustwoche haarscharf an der Parität mit dem Euro vorbeischrammte. Zehn Rappen nach unten – das ist schon ein erster Erfolg.

Gäste, die in einem Hotel wie Ihrem verkehren, haben extrem hohe Ansprüche. Wie stellen Sie sicher, dass die Leistung im «Baur au Lac» stimmt?

Uns zeigt vor allem die Leading Quality Assurance auf, wo wir stehen. Das ist die Qualitätsorganisation, die alle 450 Leading Hotels of the World (LHW), aber auch Top-Hotels ausserhalb der Organisation regelmässig testet. Daneben vergleichen wir uns auch mit kleineren Luxus-Hotelgruppen wie etwa Four Seasons, Peninsula Hotels, Dorchester Collections oder Mandarin Oriental.

Was ist mit dem «Dolder Grand»?

Das «Dolder» ist komplett anders positioniert. Deshalb hat der Vergleich nur eine bedingte Aussagekraft für uns.

Das «Dolder» hatte grosse Startschwierigkeiten, die Auslastung zeigt nur langsam nach oben. Glauben Sie, dass das Hotel die Kurve kriegt?

Was Urs Schwarzenbach mit dem Umbau des «Dolder» für Zürich getan hat, ist grossartig. Die Herausforderung des «Dolder» liegt wohl darin, dass es mit unterschiedlichen Zielgruppen arbeitet oder arbeiten muss. Auf diesem Preisniveau ist die Kundschaft aber sehr heikel, da verträgt es nicht viel nebeneinander. Seit Jahresbeginn zeigen sich erste positive Anzeichen. Für Zürich ist das «Dolder» eminent wichtig.

Sie investierten über die letzten 15 Jahre rund 150 Millionen in die Erneuerung Ihres Hotels. Kann sich das jemals rechnen?

Möglicherweise gibt es rentablere Investments. Natürlich wollen wir eine angemessene Rendite auf dem eingesetzten Kapital. Als Besitzerfamilie haben wir aber noch eine andere Optik der Dinge. Wir können mit dem «Baur au Lac» unsere Träume verwirklichen. Auch das ist für uns eine Form von Entschädigung.

Man hört immer wieder, dass die Hotelbranche bei den Banken nur noch schwer zu Geld komme. Stimmt das?

Was uns betrifft: nein. Das «Baur au Lac» arbeitet seit vielen Jahren mit denselben zwei Hausbanken. Generell ist es sicher so, dass die Hotelbranche von den Banken relativ kritisch begutachtet wird. Handkehrum lancierte die Credit Suisse letztes Jahr einen Hospitality Fund, der in Hotels in der ganzen Schweiz investiert, unter anderem ins «Palace» in Luzern. Für mich ist das paradox.

Sie würden keine Anteile an diesem Fonds kaufen?

Nein, ich würde nicht in Hotels investieren – ausser in mein eigenes. Ich frage mich, wie man mit diesem Fonds langfristig Geld verdienen will.

Ihr Hotel wäre sicher auch ein interessantes Objekt für das Anlagevehikel.

Wir erhalten regelmässig Kaufofferten, das steht aber ausser Diskussion. Wir hängen am Haus und haben die Absicht, es in der siebten Generation weiterzuführen.

Mit dem Präsidium der grössten Vereinigung der Luxushotels weltweit, der Leading Hotels of the World, haben Sie Anfang Jahr ein Prestige-Amt übernommen. Was sind Ihre Ziele?

Die 450 LHW sind schon sehr gut, aber wir wollen die Qualität weiter steigern. Bis 2013 wollen wir bei den Tests unserer Qualitätsprüfungsorganisation fünf Prozent besser abschneiden. Das tönt nach wenig, ist aber sehr ambitiös.

Und wie merken die Kunden weltweit, ob die Qualität fünf Prozent besser ist?

Das ist für den Einzelnen nicht spürbar. Das Problem der LHW ist, dass einige Hotels dabei sind, die nicht dorthin gehören, weil sie die Qualitätskriterien nicht erfüllen. Diese Häuser ziehen den Durchschnitt herunter. Für eine Luxusmarke wie LHW ist das gravierend.

Also wollen Sie sie loswerden?

Mittelfristig ja. Allein in den letzten zwei Jahren mussten wir uns von 50 Hotels trennen, weil sie nicht dem Standard entsprachen.

Welches sind die klassischen Problemzonen der Luxushotellerie?

Vieles läuft bei der Annahme der Reservationen schief. Eine weitere neuralgische Stelle bildet die Ankunft. Der erste Eindruck zählt. Leider werden viele Fünfsternhäuser diesem Anspruch nicht gerecht. Entscheidend ist, dass man die Erwartungen des Gastes erfüllt.

Was nervt Sie persönlich am meisten, wenn Sie Gast in einem Hotel sind?

Fehlende Sauberkeit und Betten mit schlechten Matratzen sind mir ein Graus.

Steigen Sie beim Hotelbesuch auch mal persönlich auf den Stuhl und prüfen, ob sich auf der Lampe der Staub türmt?

Ich mache das nicht routinemässig, aber es kann vorkommen. Sie müssen wissen, dass ich vor vielen Jahren als Trainee in einem amerikanischen Hotel ein halbes Jahr lang im Housekeeping tätig war. Jeden Tag säuberte ich Zimmer. Das war hart, aber ich habe viel gelernt.

Im Unterschied zu anderen Kategorien konnte sich die Fünfsternhotellerie in den vergangenen Jahren gut behaupten. Wie erklären Sie sich das?

Es gibt weltweit immer mehr Millionäre, die sich Unterkünfte dieser Preisklasse leisten können. Die grösste Zahl der neuen Hotelprojekte weltweit liegt im Luxusbereich. Bei den LHW verzeichnen wir so viele Aufnahmegesuche wie nie: Derzeit streben über 500 Hotels die Mitgliedschaft in unserer Organisation an.

Haben Sie keine Angst, dass die Preise in der Luxushotellerie infolge eines weltweiten Abschwungs unter Druck geraten?

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Die Buchungserträge lagen im ersten Halbjahr 2011 19 Prozent über Vorjahr. Wir erwarten, dass sich der Durchschnittspreis von 499 Dollar, den die Leading Hotels verzeichnen, über die nächsten fünf Jahre auf rund 600 Dollar steigern lässt. Unser Ziel ist es, den Umsatz, den wir über das Reservationssystem der LHW generieren, bis 2013 von 650 Millionen Dollar auf 1 Milliarde Dollar zu erhöhen.

Andrea Kracht (54) ist Besitzer und VR-Delegierter des «Baur au Lac» in Zürich. Das 167-jährige Fünfsternhaus erzielt einen Jahresumsatz von 75 Millionen Franken, wovon 50 auf die Hotellerie und 25 aufs Weingeschäft entfallen. Der Absolvent der Ecole hôtelière de Lausanne lernte das Geschäft von der Pike auf und arbeitete in diversen Positionen in der Luxushotellerie. Seit 2011 ist er Präsident der Leading Hotels of the World mit weltweit 450 Mitgliedern.

Andreas Güntert
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