An der diesjährigen Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, wo das Neuste und Coolste an Konsumententechnologie präsentiert wurde, war das grösste Highlight nicht ein Smartphone oder Fernseher, sondern ein Auto: der Audi 7 mit Autopilot. Weshalb sorgt ein Autohersteller an der Schau für Konsumenten-Elektronik für Aufsehen? Und was lernen wir daraus über die Autoindustrie insgesamt? Nachfolgend einige Gedanken darüber, weshalb die Autos der nahen Zukunft dem Konsumenten tatsächlich den Führersitz zuweisen.

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Schöne neue Welt des Kundendienstes

Machen wir uns nichts vor: Wir Kunden sind verwöhnt. Wir erwarten, dass Firmen unsere Reklamationen und Anfragen über soziale Netzwerke beantworten, egal zu welcher Tageszeit. Ebenso wollen wir unsere Lieblingssendungen jederzeit und möglichst billig schauen können. Wir erwarten von den Telekom-Anbietern Dienstleistungen ohne Vertrag oder Verpflichtung und Geräte, die billig, aber «top of the line» sind. Weshalb sollten wir von unseren fahrbaren Untersätzen nicht die gleichen Vorteile erwarten?

Die Rezession von 2008 hat die meisten Autohersteller in die Knie gezwungen, doch nun, fünf Jahre später, geht es der Industrie beinahe blendend. Die Krise scheint die Autobauer dazu bewogen zu haben, stromlinienförmiger zu werden und den Fokus auf die Entwicklung von Fahrzeugen zu richten, für die es einen Markt und eine Zukunft gibt. Dieser Wechsel war eine Vorbereitung auf die Herausforderungen der Gegenwart: der Aufstieg der «kollaborativen» Wirtschaft, die Allgegenwart der Technologie und das Wachstum der urbanen Bevölkerung.

In den heutigen Städten jedenfalls ist das Auto nicht mehr das identitätsstiftende Objekt für Konsumenten, noch das alleinige Symbol für Annehmlichkeit und Unabhängigkeit. Jüngeren Generationen ist ihr Smartphone wichtiger als der Besitz eines eigenen Autos. Das Konzept von Mobilität hat sich durch neue Dienstleistungen wie Uber und Lyft sowie Verbesserungen im öffentlichen Verkehr und eine wachsende Zahl von Fahrradspuren in den Städten radikal verändert.

Dazu kommt, dass neue Akteure wie Tesla und Tech-Giganten wie Google, AT&T, Microsoft und Apple ebenfalls Anspruch auf ein Stück vom Automobil-Kuchen anmelden. Wird es Ford, Volkswagen und Chevrolet in zehn Jahren überhaupt noch geben?

Autos personalisieren

Dank Social Media und Big Data können Firmen heute mehr über ihre Kunden erfahren als je zuvor. Für Unternehmen mit langen Produktionszyklen wie Autohersteller ist es von existenzieller Bedeutung, mit Technologien und Konsumentenerwartungen mitzuhalten. Einige Autobauer nutzen den 24-Stunden-Zugang zu Kunden, um Design-Ideen durch Social Media zu generieren.

Andere sehen im «Connected Car»-Konzept die Möglichkeit, neue und personalisierte Dienstleistungen anzubieten, etwa Vorwarnungen über Gefahren auf der Strasse oder Information über den anstehenden Service. BMW räumt sogar ein, ein Auto zu entwerfen, das an ein Smartphone erinnern soll. Kürzlich haben wir im Gespräch mit Gustavo Filip, der bei HP für Dienstleistungen an Automobilhersteller zuständig ist, mehr über den tiefen Wandel, den die Industrie gerade durchmacht, erfahren.

Sicherer und effizienter

Nach den Aussagen von Filip laufen heute Autos vom Band, die mit intelligenten Systemen ausgerüstet sind, die von der Integration mit Mobiltelefonen bis zu komplexen Telematik-Systemen zur Kontrolle von Zündschloss, Ver- und Entriegelung von Türen und mehr reichen. In den Mega-Städten der Zukunft werden integrierte Informationen über Verkehrsverhältnisse und alternative Transportmöglichkeiten von eminenter Bedeutung für Sicherheit und Effizienz sein. Studien zeigen bereits heute, dass selbstfahrende Autos menschlichen Fahrern überlegen sind. Autoreparatur aus der Ferne, ohne das Service-Center aufsuchen zu müssen? Die täglichen Besorgungen dem selbstfahrenden Auto überlassen? Die Möglichkeiten sind endlos.

Mobilität neu definiert

Autobauer wissen, dass die jüngere Generation urbaner Fahrer sich nicht unbedingt mit den Unannehmlichkeiten, den der Besitz eines Autos mit sich bringt, herumschlagen will. Sie antworten darauf mit Programmen, die Car-Sharing mit herkömmlicher Auto-Miete kombinieren. BMW hat DriveNow geschaffen, das Mitgliedern Zugang zu einem Auto in jeder Stadt, in der der Service angeboten wird, und eine ortsunabhängige Rückgabe ermöglicht. Daimler indessen zählt bereits über 500‘000 Nutzer von Car2Go.

 

Innovation beim Auto-Verkauf

Apple hat unsere Art, Technologie einzukaufen, verändert. Wenn wir einen Laden betreten, erwarten wir, mit dem Produkt interagieren zu können und von kenntnisreichen Angestellten beraten zu werden. Weshalb sollte es sich beim Kauf eines Autos anders verhalten? Filip unterstreicht, dass das neue Konzept von Audi namens «Audi City» exklusive urban gelegene Showrooms beinhaltet, welche es potenziellen Kunden erlauben, ihr Traumauto auf einem Bildschirm zu entwerfen.

Ebenso kann man einen neuen BMW i3 online bestellen und vor die Haustür liefern lassen. Tatsächlich plant BMW bald alle Modelle online zu verkaufen und eine Flotte mobiler Verkäufer zu beschäftigen, welche zum Kunden reisen und die Autohandelszentrale ablösen soll. Der Newcomer Tesla wiederum, der in Kalifornien im Luxussegment BMW und Audi bereits überholt hat, bietet die gesamte Palette des Einkaufserlebnisses: glänzende Showrooms, Online-Einkauf und Türservice. Wird der Autoverkauf dem Beispiel der Reiseindustrie folgen und komplett online gehen? Es sieht sehr danach aus.

 

Verbündung mit den Tech-Giganten

Kunden wollen, dass ihre Autos genauso intelligent sind wie ihre Smartphones. Sein Smartphone mit dem Audiosystem des Autos zu synchronisieren ist Peanuts. Wie wäre es, die Annehmlichkeiten Ihrer Apps direkt über das Armaturenbrett Ihres Autos «heraufzubeschwören»?

Das Potenzial im „Connected Car“-Markt wird auf 50 Milliarden Dollar aus mobiler «in-vehicle»-Werbung, 500 Milliarden Dollar aus Wartung und 5 Milliarden aus Service-Bezügen geschätzt. Es ist daher kaum überraschend, dass Automobil- und Tech-Giganten Partnerschaften einzugehen beginnen. Diese Betriebssysteme werden bereits heute millionenfach genutzt. Weshalb sollte man sie nicht auf Autos ausdehnen?

Die neu geschaffene Open Alliance, mit der die Android Platform ins Auto gebracht werden soll, hat den Konkurrenzkampf zwischen den Betriebssystemen neu angefacht. Die Idee eines Betriebssystems für Autos geht auf das Jahr 1998 zurück, als Microsoft Pläne zur Zusammenarbeit mit Autobauern ankündigte.

Die Konkurrenz schläft nicht

Obwohl Microsoft auf diesem Feld führend ist (Microsofts SYNC-System ist in 5 Millionen Ford-Vehikeln zu finden), holen die anderen rasch auf. Google hat an der CES 2014 Partnerschaften mit Audi und anderen Autobauern angekündigt. Apple hat bereits Allianzen mit GM, Honda, Mercedes Benz und BMW geschmiedet. Kein Autohersteller will den Anschluss verpassen. Die untenstehende Tabelle zeigt, dass die meisten Autobauer mehreren Initiativen angehören.

Innovation ist in jeder Branche der Schlüssel, um der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. Die Autobauer scheinen erpicht darauf zu sein, uns – den Kunden – das Beste zu geben, was die Technologie zu bieten hat. Werden wir das Auto jemals wieder in den Status von einst erheben? Man kann es bezweifeln.

Trotzdem glaube wir an eine glänzende Zukunft für die Autoindustrie; für uns Kunden wird sie gar strahlen. Auf sicherere und effizientere Fahrzeuge, in welcher Form auch immer! Aber vergessen Sie nicht, den Blick auf der Strasse zu halten – es sei denn, Ihr Auto fährt sich selbst...

* Christian Simm ist Gründer und CEO von swissnex San Francisco. Mitarbeit : Florencia Prada & Ramona Krucker.