Da sind sich alle einig. «Wir können uns nur an der Spitze halten, wenn wir weiter investieren und Innovationen fördern», sagt Nick Hayek, Chef der Swatch Group. «Unsere Industrie benötigt konstante Investitionen in Innovation, einen weiterhin sehr hohen Qualitätsstandard, aber auch ein starkes Swiss-made», meint Karl-Friedrich Scheufele, Chef von Chopard. Und André Hefti, Marketingchef von Maison Cailler, doppelt nach: «Es gilt, die hohen Qualitätsstandards zu wahren und weiter auszubauen.»

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Ob Uhren, Schmuck oder Schokolade: Produkte made in Switzerland gelten weltweit als erstklassig und sind erfolgreich wie nie zuvor. Know-how, Handwerk, Qualitätsbewusstsein und der Mut, immer mal wieder Neues zu wagen, haben die Schweizer Luxusmarken gross gemacht. Das Land ist zwar klein, aber voll von edlen Marken, die Begehrlichkeiten wecken. Und Luxus verkauft sich ohnehin bestens, die Beratungsgesellschaft Bain & Company etwa prognostiziert den De-luxe-Produzenten für 2012 weltweit einen Zuwachs von sieben Prozent und einen Umsatz von 200 Milliarden Euro. Die Schweiz wird einen guten Anteil daran haben.

Die Lust auf Luxus verhilft insbesondere der Uhrenbranche im Land zu traumhaften Geschäftsabschlüssen: Richemont, der grösste Luxuskonzern der Schweiz, schaffte mit den Edelbrands Cartier, Van Cleef & Arpels, Jaeger-LeCoultre und IWC allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Geschäftsjahres ein Umsatzplus von 23 Prozent. In Asien legte der Umsatz um 27 Prozent zu, in Europa um 23 Prozent – das meiste davon dank den Verkäufen an shoppingfreudige Asiaten, vorab aus China. Inzwischen ist ihr Anteil am weltweiten Luxusgüterumsatz bei 20 Prozent angelangt.

Insbesondere Schweizer Uhren haben es den Chinesen angetan: 2001 rangierte China noch nicht auf der Liste der 30 wichtigsten Exportländer für Schweizer Uhren. Inzwischen belegt es den ersten Platz. «Allein in den ersten vier Monaten 2012 wurden Uhren im Gesamtwert von 1,9 Milliarden Franken nach China und Hongkong exportiert», sagt Nicolas Musy, Managing Director der Nonprofitorganisation Swiss Center Shanghai. «Das ist knapp dreimal so viel wie in den zweitgrössten Markt, die USA, und mehr als in alle europäischen Länder zusammen.»

Seit 60 Jahren in Schwung. Das boomende Uhrengeschäft ist fest in Schweizer Hand. Dazu ein paar Zahlen: Die Exporte der Uhrenindustrie betrugen letztes Jahr 19,3 Milliarden Franken, dieses Jahr wird die 20-Milliarden-Grenze überschritten. Damit vergrössert die Schweiz ihren Abstand auf das Uhrenexportland Nummer 2, Hongkong, mit einem Volumen von rund neun Milliarden Franken. Und sie behält den Schwung, der in den letzten 60 Jahren dazu geführt hat, dass die Umsätze alle zwölf Jahre verdoppelt werden konnten. Besonders bemerkenswert: In Stück werden in der Schweiz nur gerade zwei Prozent aller Uhren produziert, wertmässig aber über 50 Prozent.

Zum Schmuck gibt es keine verlässlichen Zahlen. Man geht aber davon aus, dass weltweit erst 10 bis 20 Prozent des Umsatzes dieser Sparte von Branded Jewelery gemacht werden – Tendenz rasant steigend. Auch da ist die Schweiz mit ihren Luxusmarken der Swatch Group und des Richemont-Konzerns bestens aufgestellt.

Erstaunlich: Der weltweite Erfolg von Schweizer Luxusuhren basiert letztlich auf einer Billiguhr. «Ohne Swatch, mit der wir vor 30 Jahren das unterste Segment zurückerobert haben, wären wir nicht an dem Punkt, an dem wir heute sind», sagt jedenfalls Firmenlenker Nick Hayek. Er ist überzeugt, dass auch der künftige Erfolg von Swiss-made-Luxusuhren direkt korreliert mit dem Erfolg in tieferen Preislagen. «Wenn wir hier die Leadership wieder verlieren, würden wir auch beim Luxus nur noch kleine Brötchen backen.»

Eine andere Bedrohung für die blühende Schweizer Uhrenindustrie hat Jean-Claude Biver, Chef der Uhrenmarke Hublot, vor Augen: dass künftige Generationen keine Uhr mehr tragen wollen. «Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was dann mit unseren Angestellten, unserer Industrie passiert.» Indes: Mit Blick auf die Dynamik in den aufstrebenden Ländern könnte Biver eher das Gegenteil fürchten: dass jeder, der sich in den nächsten fünf Jahren von unten in die Mittelschicht hocharbeitet, eine Schweizer Uhr besitzen will. Schon heute hinken die Fabrikanten der Schweizer Haute Horlogerie der galoppierenden Nachfrage hinterher. «Es besteht die Gefahr von zu viel Erfolg, zu viel Arroganz, zu viel Selbstzufriedenheit, vom Absinken in mittelmässigen Service und von Unternehmensleitern, die schlafen und keine Visionen mehr haben», sagt Biver. Chopard-Lenker Scheufele doppelt nach: «Abgesehen von äusseren Faktoren wie Währungsschwankungen, heissen die Risiken für unsere Industrie: zu wenig Investitionen in die Ausbildung und Mangel an Kreativität.»

Die Aussagen könnten auch von Martin Leuthold stammen, Kreativchef des Stoffproduzenten Jakob Schlaepfer in St. Gallen. Hervorgegangen aus einem einstigen Stickereibetrieb, produziert Jakob Schlaepfer heute Stoffe für Couturiers wie Yves Saint Laurent und Christian Lacroix. Als Hoflieferant dieser Big Shots würde Leuthold sich dennoch nicht bezeichnen: «Persönliche Kontakte haben einen Wert, aber man darf ihn nicht überschätzen», sagt Leuthold. «Mode kennt keine Treue.» Die Anforderungen an ihn und seine Stoffe sind mit der wachsenden Anzahl von Konkurrenten laufend gestiegen. Erfolge währen «so lange, bis es jemand besser macht als wir oder günstiger».

Leuthold kreiert im Spagat zwischen Tradition und Innovation. «Bei unserem Produkt muss ersichtlich sein, dass es aus St. Gallen kommt und aus der Schweiz, aber es muss auch immer wieder neu sein.» Die Losung heisst «Innovation», das Rezept «Experiment». «Wir investieren laufend in neue Maschinen, Materialien, Techniken und Mitarbeiter und stellen von Mal zu Mal Produkte her, die wir noch nie gemacht haben.» Ein Seiltanz: Erfolgsgarantien gibt es bei Innovationen bekanntlich nicht. «Trotzdem muss alle drei Monate alles neu sein.»

In ähnlicher Kadenz schreitet Albert Kriemler, mit internationalen Preisen überhäufter Chefdesigner von Akris, voran. Wie Jakob Schlaepfer ist auch Akris in St. Gallen beheimatet und hat ähnliche Wurzeln, aber einen ganz anderen Weg eingeschlagen: State-of-the-Art Fashion. Akris, das andere Schweizer Textillabel mit Weltruhm, hat es 1999 in die Gilde der französischen Haute Couture geschafft. Kriemlers Stil wirkt unangestrengt, seine Kollektionen sind tragbar. Bei ihm, der seit 30 Jahren stilgebend ist im Familienbetrieb, steht und fällt alles mit den richtigen Materialien: «Jedes Design beginnt mit einem Stück Stoff in meiner Hand», sagt Kriemler. Was er macht, verkauft sich in den besten Häusern weltweit und kommt an, obschon er weder den Glamour eines Giorgio Armani hat noch die Allüren eines Karl Lagerfeld. Seine Designphilosophie: «Wenn eine Frau einen Raum betritt, soll man zuerst sie sehen, dann die Kleider, die sie trägt.»

Dank Spitzenreitern wie Leuthold und Kriemler hat die Schweiz auch im Bereich Textil international einen guten Namen. In der Schweiz bietet die Branche rund 15 000 Arbeitsplätze, nur einen Bruchteil davon in der Liga von Akris und Jakob Schlaepfer. Beide bekennen sich zum Standort Schweiz.

Schokolade-Weltmacht. Sich ständig neu erfinden, um den Anschluss nicht zu verpassen, heisst auch die Losung der Schweizer Chocolatiers. Gemäss Branchenverband gibt es in der Schweiz rund 18 Schokoladenproduzenten, die zusammen rund 1,7 Milliarden Franken Umsatz erzielen, rund die Hälfte davon im Ausland. Schweizer Schokolade gehört neben Uhren weltweit zu den wichtigsten Belegen für das Schweizer Qualitätsverständnis. Jedes Jahr werden gemäss Ernst Tanner, CEO von Lindt & Sprüngli, rund um den Globus eine Milliarde Kaufentscheide zugunsten von Schweizer Schokolade gefällt. Dank tüchtigen Leuten wie ihm gilt die Schweiz als Schokoladenweltmacht – und gibt insbesondere im Geschäft mit Luxusschokolade den Ton an. Ein lohnendes Geschäftsfeld: Es ist lukrativ und gemäss Statistik weit dynamischer als Massenschoggi.

Die schönen Margen von Luxusschokolade – Swiss made und handgefertigt – rufen auch Giganten wie Nestlé auf den Plan. Der Nahrungsmittelmulti hat vor drei Jahren ein Forschungsinstitut eigens zur Entwicklung von Premium-Schokolade eröffnet und 2012 Maison Cailler lanciert. Die Idee: auf den Kundengeschmack abgestimmte, auf Mass gefertigte, frische Schokolade. Bevor ein Kunde bestellt, wird sein Schokoladen-Charakter ermittelt, online. Auch verkauft wird online, geliefert wird frei Haus. «Die Personalisierung der Schokolade sehen wir als einen wichtigen Aspekt des wahren Luxus», sagt Marketingchef André Hefti, «nur wer die geschmacklichen Präferenzen seiner Kunden genau kennt und diese mit den besten Kakaos bedienen kann, bietet echte Haute Couture, alles andere ist Prêt-à-porter.»

Wilde Kreationen. Während der Nestlé-Mann Maison Cailler mit der Modewelt assoziiert, bringt Tomas Prenosil, CEO des Zürcher Traditionshauses Sprüngli, sein Geschäft mit dem Finanzplatz Schweiz in Verbindung und spricht von «Private Banking in Chocolate». Ausländern wird Sprüngli vor allem wegen des Hauptgeschäfts am Zürcher Paradeplatz zum Begriff. Prenosil erkannte im Internet bereits 1998 die Chance, den Touristen seine Gourmandisen hinterherzuschicken, und eröffnete den Sprüngli-Onlineshop. Bestellungen gehen vor allem aus dem Mittleren Osten und Indien ein.

Mit Swiss-made-Luxuspralinen – wilde Kreationen mit Lassi, Fleur de Sel oder Olivenöl – mischen die beiden Basler Brüder Dominic und Pascal Beschle die Schweizer Haute Chocolaterie neu auf. Sie sind innert kurzer Zeit zu Shooting Stars der Branche geworden. Der Schub kam von aussen: «Der Schokoladengeschmack hat sich sehr verändert», sagt Dominic Beschle, «viele schauen heute auf die Qualität. Und sie wollen nicht einfach hervorragende Schoggi, sondern ein Geschmackserlebnis wie beim Wein.» Die beiden produzieren inzwischen 30 Tonnen handgefertigte Pralinen und beliefern nicht nur den Schweizer Fachhandel, sondern exportieren bereits in 22 Länder, darunter so exotische wie Kamerun und Algerien.

Wo Traditionen gross sind, sind die Erwartungen hoch, das gilt insbesondere auch für die Schweizer Luxushotellerie, eine weitere Schweizer Paradedisziplin. «Die Schweiz ist die Wiege des Tourismus», sagt Jan Brucker, Präsident der Swiss Deluxe Hotels. In diesem edlen Club haben sich 1934 die besten unabhängig geführten Fünf-Sterne-Hotels zusammengeschlossen; sie bringen es zusammen auf 4500 Zimmer und Suiten, was 40 Prozent der Fünf-Sterne-Kapazität der Schweiz entspricht. In den vergangenen Jahren wiesen diese Nobelherbergen 850 000 Übernachtungen aus, was zwar nur gerade 2,3 Prozent aller Hotelübernachtungen in der Schweiz entspricht, aber 16 Prozent der Gesamteinnahmen der Schweizer Hotellerie.

Zu Weltruhm ist die Schweizer Luxushotellerie nicht zuletzt dank Hotelfachschulen wie jener in Lausanne gekommen, die nach wie vor ein starkes Fundament bilden. Indes: Die Ansprüche der Gäste, die für eine Nacht mehrere hundert Franken bezahlen, steigen im Gleichtakt mit den Angeboten der Wettbewerber. Superservice, Superzimmer, Superessen, Superlage garantieren längst nicht mehr automatisch hohe Auslastung. Um aus der grossen Dichte an Schweizer Luxushotels herauszustechen, braucht es zu den fünf Sternen ein eigenes Profil.

Unterschiedliche Anreize. Unterschiedliche Gastgeber setzen auf unterschiedliche Karten. Vic Jacob vom traditionsreichen «Suvretta House» in St. Moritz, das mit hohen Investitionen umfassend erneuert worden ist, setzt weiterhin auf Charisma und Tradition – und Nachhaltigkeit: «Aspekte wie Wasser, Energie, Umgang mit der Natur und unseren Ressourcen werden immer wichtiger, und wir müssen den Spagat schaffen, die erwartete hohe Qualität zu einem vertretbaren Preis zu liefern und unsere Bestrebungen nachhaltig auszurichten.» Das «Dolder Grand» in Zürich sticht mit Kunst aus der Masse der Schweizer Fünf-Sterne-Hotels heraus: In der Nobelherberge am Zürichberg hängen rund 100 Œuvres aus der berühmten Sammlung des «Dolder»-Besitzers und Milliardärs Urs Schwarzenbach.

Und im «Grand Resort Bad Ragaz» lockt Direktor Peter Tschirky Gäste mit dem Versprechen an, das «führende Well-being and Medical Health Resort Europas» zu sein. Inmitten von Luxushotel, Casino und Bädern ist am Eingang ins Bündnerland für 200 Millionen ein kleines Spital gebaut worden, spezialisiert auf Prävention und Rehabilitation. Abgesehen hat es Tschirky auf die rund 30 000 Ausländer, die jedes Jahr für einen medizinischen Eingriff in die Schweiz reisen und dafür rund eine Milliarde Franken bezahlen. Sein Kalkül geht auf: «Vor allem in der Medizin konnten wir uns etablieren.» Medizintouristen, insbesondere Russen sowie Damen und Herren aus dem Mittleren Osten, legen sich gern in der hoteleigenen Klinik unters Messer. Im gediegenen Ambiente, bei erstklassiger Betreuung lassen sie dann in aller Ruhe ihre Wunden ausheilen, bevor sie frisch erholt und gestrafft wieder heimkehren.

Erlebnisse als Luxus. Aber alles ist in diesen Nobelherbergen nichts ohne das richtige Personal. «Die Leute zu finden, die es schaffen, sich auf den einzelnen Gast einzustellen», nennt «Dolder»-Chef Thomas Schmid seine grosse Herausforderung, und «Grand Resort Bad Ragaz»-Direktor Tschirky pflichtet ihm bei: «Mitarbeiterschulungen rücken immer mehr in den Mittelpunkt.» Fakt ist: In der Spitzenhotellerie stagniert die Zahl der Gäste aus der Schweiz und aus der EU.

Für eine gute Auslastung sorgen die zahlreicher werdenden Reichen aus dem Rest der Welt. «Deren Gepflogenheiten müssen wir genau kennen, um sie glücklich zu machen.» Die Vertrautheit mit Mentalitäten und Bräuchen ist das eine. Die Fähigkeit, auch ausgefallene Wünsche zu erfüllen, das andere. Etwa den Wunsch jenes Gastes, der im Zug von Bad Ragaz ohne Umsteigen nach Genf fahren wollte. Nichts ist unmöglich. Für diesen Gast wurde bei den SBB ein Privatwaggon organisiert.

Gemäss einer aktuellen Studie der Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) in New York wünschen die Schönen und Reichen tatsächlich nicht einfach mehr Luxusgüter, sondern immer mehr luxuriöse Erlebnisse. Diese Feststellung gilt laut BCG insbesondere für die Generation Y: Sie tendiere dazu, sich mehr über das zu definieren, was sie erlebt hat, als über das, was sie besitzt. Leider, so die Autoren, habe das bisher noch kaum ein Luxusgüterproduzent erkannt.

Eine Ausnahme ist die Richemont-Tochter IWC in Schaffhausen. Bei der Lancierung der Pilotenuhr in ihrem Flagship Store in Hongkong bot das Unternehmen den Kunden einen Flug im Flugsimulator an, mit extragrossem Bildschirm und Surround Sound. Wirklich ein Erlebnis. Man darf gespannt auf die Wirkung sein.  

Iris Kuhn Spogat
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