Der Job ist einer der prestigeträchtigsten der Schweizer Wirtschaft, der künftige Inhaber weitgehend unbekannt. Peter Francis Rothwell (49) wird Anfang 2009 Konzernchef der Kuoni Group. Branchenkenner attestieren dem smarten Briten profundes Branchenwissen und strategischen Weitblick. Der Mann, der stets einen militärischen Kurzhaarschnitt trägt, gilt auch als «harter Hund», der sich durchzusetzen weiss. Unter Beweis gestellt hat er diese Primäreigenschaft bei den früheren Arbeitgebern Thomson Travel, Airtours und bei TUI Travel.

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Die grösste Herausforderung, die Rothwell bei Kuoni erwarten dürfte: Der Traditionskonzern positioniert sich nach einem teuren Marken-Relaunch als exklusiver Highend-Touristiker, der auf Sinnlichkeit setzt. Der künftige Chef dagegen ist geprägt vom britischen Massenmarkt, wo knallhart kalkuliert wird und der Preis das Hauptargument für einen Kaufentscheid ist. «Value for Money» lautet denn auch Rothwells Devise; man muss den hart arbeitenden Kunden in ihren Ferien etwas bieten. Wohlklingende Imagebotschaften sind ihm ein Gräuel.

Zuweilen galt der Brite gar als «number cruncher», als ultrascharfer Rechner, der nur dort investiert, wo ein rascher Return on Investment winkt. Denn für Rothwell zählte bis dato nur eines: Rendite, Rendite, Rendite.

Seine Mitstreiter

Bereits vor drei Jahren stand Peter Rothwell als Chef von Kuoni zur Debatte. Doch der Brite schaffte es – nach Gesprächen mit Kuoni-Verwaltungsräten – nicht auf die Shortlist. Stattdessen machte damals der branchenfremde IT-Experte Armin Meier das Rennen. Dessen Gastspiel beim Touristikunternehmen dauerte gerade mal drei Jahre, im Dezember 2007 war Schluss; damit schlug die Stunde des einst verschmähten Rothwell.
Im Kuoni-VR fand der Engländer diesmal den Support von Axpo-Chef Heinz Karrer, Leiter des Nomination Committee, und von Unternehmensberater David Schnell, dem heimlichen starken Mann im Reisekonzern. Rothwell hat in den letzten Jahren
breite Erfahrung als Tourismusmanager im Milliardenkonzern TUI gesammelt und war dank seiner zupackenden Art das Liebkind von Konzernchef Michael Frenzel. Sein Salär soll damals 2,5 Millionen Franken betragen haben. Nach der Fusion der deutschen TUI mit der britischen First Choice (2007) musste Frenzel empfindlich Macht abgeben – sein Intimus Rothwell wurde kaltgestellt. Da kam die neuerliche Anfrage aus Zürich gerade zur rechten Zeit.

Seine Widersacher: Stelios Haji-Ioannou und Thomas Stirnimann

Im Schweizer Reisemarkt ist es definitiv vorbei mit der Ruhe. Kuoni, Hotelplan, TUI Suisse und ITS Coop balgen sich bei Minimargen um Marktanteile. Spannend wird der Kampf zwischen den Platzhirschen Kuoni und Hotelplan. Bei Letzterem hat Thomas Stirnimann einen aggressiven Boys Club aus Ex-Kuoni-Kaderleuten zusammengestellt.

Der künftige Kuoni-Chef ist ein erprobter Wettbewerber. Als Chef der britischen Thomson Travel, die eine eigene Charter-Airline betrieb, balgte er sich mit Online-Anbietern wie Expedia und Billigfliegern wie EasyJet von Stelios Haji-Ioannou. Rothwell modelte seine Chartergesellschaft zum Low-Cost Carrier um, baute das Internet zum wichtigsten Vertriebskanal aus und schraubte an den Kosten. Er baute 1000 Mitarbeiter ab (zehn Prozent der Belegschaft) und verlegte den Thomson-Hauptsitz von London ins wenig glamouröse, dafür billigere Luton.

Seine Vorbilder: David Crossland

Zum Bekanntenkreis von Peter Rothwell gehört alles, was in der europäischen Touristik Rang und Namen hat. Zum Beispiel der Schweizer Peter Diethelm, der für Kuoni in Grossbritannien ein lukratives Geschäft auf- und ausbaute. Der 67-jährige Reiseexperte ist heute als Associate Partner bei Hitz & Partner Corporate Finance im M&A-Geschäft aktiv. Rothwells Vorbild ist David Crossland, Gründer und langjähriger Lenker von Airtours Holidays. In den achtziger und neunziger Jahren galt Crossland als Branchenikone, als einer, der es vom Schulversager bis in die Reichstenliste Grossbritanniens gebracht hatte – und dies innert 20 Jahren. Rothwell arbeitete mehrere Jahre für Milliardär Crossland. Bei ihm lernte er den sparsamen Umgang mit Ressourcen. Selbst als TUI-Vorstand sass Rothwell im Grossraumbüro an einem billigen Normpult.

Sein Privatleben

Der künftige Kuoni-Chef mag (oder darf) bis Stellenantritt nicht reden. So viel lässt sich nachzeichnen: Er hat in Oxford Deutsch und Französisch studiert, beide Sprachen redet er fliessend. Er wohnt in historischen Gemäuern in einem Nest namens Little Gaddesden nördlich von London, wird aber auf Ende Jahr in die Schweiz umziehen. Rothwell ist zum zweiten Mal verheiratet, hat zwei Kinder, Emily (22) und Christian (4).

Vater William Rothwell war Professor für mittelalterliches Französisch an der Universität Manchester. Filius Peter lotste neben dem Studium US-Touristen im Bus durchs Königreich. Kurzweilig sei es gewesen, aber auch «sehr lukrativ», meinte er einst im «Independent».

Seine Hobbies

Rothwell ist ein «action man», stets auf der Suche nach dem nächsten Kick. In der Freizeit fliegt er Helikopter, noch lieber ist er mit seiner einmotorigen Turboprop unterwegs. Dazwischen segelt er, oder er steigt mit Fellen an den Ski Berghänge hoch, um im Tiefschnee wieder nach unten zu sausen.

Zu verdanken hat er seine schier unerschöpfliche Freizeit auch Peter Long, dem Chef von TUI Travel, der bis Ende 2007 sein Vorgesetzter war. Weil sich die beiden Alphatiere nicht vertrugen, musste Rothwell über die Klinge springen. Und da Long auf Rothwells zwölfmonatige Kündigungsfrist pocht, kann dieser bis zum Stellenantritt bei Kuoni noch ein halbes Jahr seinen vielfältigen Hobbies frönen – fürstlich honoriert, wohlverstanden.