Ach ja, die G-Klasse. Das letzte Mal, als ich eine gefahren habe, war ich noch keine 20 und beim Militär. Da kommen romantische und bierselige Erinnerungen hoch. Die kantige G-Klasse in «Kurz»-Ausführung war ein Gerät, mit dem sich nur noch der eingestellte Land Rover Defender vergleichen konnte.

Entsprechend neugierig war ich auf den G 63. Die massiven Scharniere am Heck und die bis heute verbauten Kunststofftürgriffe, inklusive Metallknopf mit Öffnung für den Steckschlüssel, den es längst nicht mehr gibt, haben mich als sentimentalen Ex-Militär schnell zum Grinsen gebracht.

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Hoch wie breit

Erinnerungen, das liegt in der Natur der Sache, beziehen sich auf die Vergangenheit. Das erste Mal wurde mir das bewusst, als ich mit dem G 63 in die Tiefgarage unseres Verlags gefahren bin: Ein Blick nach oben durchs Glasdach, und ich sehe die Querstrebe direkt über mir. Gefährlich nahe. Hätte mir schon beim Einsteigen klar sein können, man muss sich regelrecht in den Fahrersitz hinaufwuchten. Fast zwei Meter hoch, fast zwei Meter breit. Über zweieinhalb Tonnen schwer. Schon das riecht nicht nach Gebirgskatze, sondern nach Asphaltpanzer.

Die «Sidepipes» links und rechts vor den Hinterrädern, die Endrohre des Auspuffs also, verringern zudem die Bodenfreiheit. Zwar hat der G 63 noch alle Achssperren und Geländeuntersetzung an Bord, aber Hand aufs Herz: Dafür wird dieses Urvieh von den Käufern ganz sicher nicht in erster Linie angeschafft. Das Gefühl, dass man könnte, wenn man nur wollte, dürfte vollkommen befriedigen. 35 Grad Seitenneigung, 45 Grad Steigung und 70 Zentimeter Wattiefe liegen formal drin. Zum Schnellfahren ist er auch nicht ideal. Zu hochbeinig, zu viel Stirnfläche im Wind.

Mercedes AMG G 63

Der G 63 ist fast zwei Meter hoch, fast zwei Meter breit und über zweieinhalb Tonnen schwer.

Quelle: © Daimler AG

Was dieses Auto allerdings kann wie kaum ein anderes: Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Noch in keinem Lamborghini oder Rolls-Royce haben mir so viele hinterhergeschaut wie in diesem Mercedes. Einige auch kopfschüttelnd.

Eine Art «Trophy Wife» auf Rädern?

Denn ein wenig wirkt der G 63 wie die Blech gewordene Verkörperung des alten Autoaufklebers, den sich gern links-grüne Studenten an den Kofferraum ihres 30 Jahre alten Diesel-Benz pappten, als sarkastischen Hinweis für die Hinterherfahrenden: «Eure Armut kotzt mich an.» Einen G 63 braucht man nicht, den möchte man sich ganz bewusst leisten. Und ja, damit auch die eigene finanzielle Spannkraft darstellen.

Für den Preis meines Testwagens, fast 220 000 Franken, bekäme man schnellere, grössere, exotischere Autos. Doch um in Dubai vor der «Buddha-Bar» vorzufahren oder meinetwegen vorm «Hyatt» in Zürich, gibt es kaum etwas Spektakuläreres. Also eine Art «Trophy Wife» (oder «Toyboy») auf Rädern? Wie immer sollte man sich auch hier von allem Neid befreien und anderen ihren grossen Auftritt gönnen. Schliesslich halten sie unsere Wirtschaft in Schwung.

Mercedes AMG G 63
Antrieb: 4,0-Liter-V8-Biturbomotor
Verbrauch: 13,6 Liter Super Plus
Leistung: 585 PS (430 kW) 0–100 km/h: 4,5 s Vmax: 220 km/h (begrenzt)
Preis: ab 188 000 Fr.

Dirk Ruschmann
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