Bis zu 25 Millionen Einwohner leben im Ballungsraum von Kairo. Doch nun hat die Regierung genug vom Chaos und vom täglichen Verkehrsinfarkt. Innert zwölf Jahren will Ägypten eine neue Hauptstadt aus dem Boden stampfen. Voraussichtlicher Kostenpunkt: 75 bis 80 Milliarden Dollar.

Mit ihren pharaonischen Plänen stehen die Ägypter aber längst nicht alleine da. Vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer haben in der Vergangenheit immer wieder versucht, vielfältige Probleme durch die Errichtung einer neuen Hauptstadt zu lösen. Wirklich gelungen sind die Experimente aber nur selten.

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Nicht nur Profilierung

Die Errichtung einer Planhauptstadt wird in der Öffentlichkeit oft mit Profilierungssucht und Grössenwahn der Machthaber erklärt. Alleine ausschlaggebend sind solche Motive aber selten. Wie nun in Ägypten gab es auch in der Vergangenheit oft gute Gründe für die Verlegung der Hauptstadt in ein neugebautes Utopia.

Exemplarisch für moderne Planhauptstädte ist dabei in verschiedener Hinsicht Brasília. Bereits im 19. Jahrhundert wurde beschlossen, eine neue Hauptstadt für Brasilien zu bauen. Hintergrund war einerseits der Wunsch nach einer neutralen Hauptstadt anstelle der dominanten Küstenstadt Rio de Janeiro. Andererseits wollte man auch das Innere des riesigen Landes erschliessen und die dortige Infrastruktur ausbauen.

Weit ab von jeder Zivilisation

Für Brasília sprachen also sowohl politische als auch praktische Gründe. Trotzdem kam das Projekt nach der Grundsteinlegung 1922 nur schleppend voran. Das Gebiet lag an einer völlig unerschlossenen Stelle im Zentrum des Landes, weitab von jeder Zivilisation. Erst unter Präsident Juscelino Kubitschek (1956 bis 1961) nahmen die Arbeiten Fahrt auf. In nur vier Jahren wurde Brasília schliesslich aus dem Boden gestampft und 1960 zur Hauptstadt erklärt.

Trotz der grossartigen Architektur der öffentlichen Gebäude, die alle von Oscar Niemeyer geplant wurden, ist aus Brasília aber keine pulsierende Metropole geworden. In der Stadt leben vor allem Beamte. Und auch diese fliegen am Wochenende bis heute gerne in ihre Heimatstädte zurück.

«Dieses Experiment war nicht erfolgreich»

50 Jahre später zeigen sich auch klare Planungsfehler. So ging der Wohnraum für einfache Arbeiter weitgehend vergessen. Viele Angehörige der Unterschicht wohnen in Slums und Satellitenstädten ausserhalb der Kernstadt. Weil sich die Industrie nicht im vorgesehenen Ausmass angesiedelt hat, kämpfen die Vororte mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität.

Während Brasília wegen seines architektonischen Werts bereits 1987 ins Welterbe der Unesco aufgenommen wurde, fällt die soziale Bilanz weniger gut aus. In einem Interview sagte Oscar Niemeyer im Jahr 2001: «Dieses Experiment war nicht erfolgreich». Wie sein Lehrmeister Le Corbusier träumte auch Niemeyer von einer Idealstadt, die dem ganzen Land Schwung verleihen würde.

Keine Lehren daraus gezogen

Auch die Regierung Ägyptens verspricht sich von ihrer neuen Stadt nichts weniger als eine «Wiedergeburt» des Landes. Doch im Moment ist bei Ägyptens Plänen noch nicht einmal der Name der geplanten Kapitale bekannt. Und auch die weietren Effekte des Projekts sind im Voraus kaum abzusehen. Denn dass tatsächlich die richtigen Lehren aus dem Fall Brasília gezogen wurden, bleibt mit Blick auf neuere Hauptstadtprojekte in anderen Ländern fraglich.

Abuja in Nigeria und Naypyidaw in Myanmar sind nur zwei Beispiele für die immensen Kosten solcher Pläne – bei sehr begrenztem Nutzen. Retortenstädte sind bisher eher Fremdkörper in ihren Ländern geblieben, als ein Beitrag zu nationaler Identität.

Washington: Ein positives Beispiel

Doch es gibt auch Erfolgsgeschichten. Die Retortenstadt Washington D.C. wurde ab 1792 in einem trockengelegten Sumpfgebiet errichtet. 1800 wurde Washington schliesslich anstelle von Philadelphia zur Hauptstadt der USA erklärt. Heute ist Washington nicht nur die unbestrittene Hauptstadt der Weltmacht, sondern auch Sitz von wichtigen internationalen Organisationen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds.

Eine Zusammenstellung von wichtigen aktuellen und ehemaligen Planhauptstädten sehen Sie in der Bildergalerie oben.