Beim Grossvater waren es Briefmarken. Beim Vater ebenfalls. Und auch die dritte Generation der Weidmanns frönt dem Sammeln. Allerdings sind das, was bei Alex Weidmann sorgsam in Holzkästen aufbewahrt wird, keine Briefmarken. Der Geschäftsmann macht eine abwehrende Handbewegung, «das brauchte zu viel Zeit». Was der Unternehmer akribisch und lückenlos sammelt, ist überschaubar und überaus edel: Rolex-Uhren. Und das seit nunmehr fünf Jahrzehnten.

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In seinem Büro ausserhalb von Zürich streckt Weidmann seinen Arm aus, «die habe ich Ihnen extra mitgebracht», sagt er und deutet auf eine Uhr an seinem Handgelenk. Doch das Prunkstück ist ohnehin nicht zu übersehen. Eine Rolex Beta 21 von 1973 aus Gold. Ein Eyecatcher. «Rolex» steht in dunklen Lettern unter dem goldenen Krönchen auf dem Zifferblatt. Weidmann ist stolzer Besitzer der Nummer 258 des auf 500 Stück begrenzten Vorläufermodells der Oysterquartz Day-Date mit dem legendären Quarzwerk Beta 21, das Rolex, IWC, Patek Philippe, Longines und Bucherer Anfang der siebziger Jahre zusammen entwickelt haben. Nicht ohne Besitzerstolz betrachtet er das schimmernde Gehäuse, preist die filigrane Krone an der Seite. «Das darin eingebaute riesige Quarzwerk war das erste weltweit», sagt er, «entwickelt noch vor denen der Japaner.»

Deswegen hat er diese Uhr gekauft, nein: kaufen müssen. «Was mich an den Uhren fasziniert, sind die Technik und die Feinmechanik der Werke.» Also kauft er ein neues Rolex-Modell, sobald am Werk etwas verändert worden ist. Und immer gleich in dreifacher Ausführung, «einmal in Gold, einmal in Stahl und einmal in Rolesor – in zwei Metallen». Unterstützt wird er von der Chronometrie Beyer in Zürich, die seine Uhrenpassion nun schon in zweiter Generation begleitet. Inzwischen hat sich seine Sammlung so sehr vergrössert, dass sie in speziellen Holzkistchen untergebracht ist. Er besitzt – technisch gesehen – alle Rolex-Modelle lückenlos seit Mitte der fünfziger Jahre. Jede einzelne Uhr hat er fotografiert, von jeder kennt er den Namen, die Geschichte. Allesamt sind sie liebevoll abgelichtet und abgelegt in dicken Fotoalben, die er zeigt.

Diese Art der Dokumentation ist notwendig, denn die Sammlung ist unter festem Verschluss und nicht ständig verfügbar. Da liegen sie nebeneinander, ordentlich sortiert in ihrer Box, die Daytona, die Datejust, die GMT Master, die Submariner, die Yachtmaster und die Day-Date. Und natürlich besitzt er auch besonders begehrte Sammlerstücke wie zum Beispiel den Oyster-Chronographen Daytona «Paul Newman», den er inzwischen dem Sohn geschenkt hat. Er zeigt auf eine blaue Oyster mit Goldzifferblatt, «eine Submariner, gekauft vor 25 Jahren». Ganz genau weiss er das Kaufdatum nicht mehr.

Ein Technikfreak ist er, einer, der zusammen mit seinem Sohn in der Freizeit auch einmal einen Aston Martin restauriert. Eigenhändig. Über den Wert einer technischen Leistung weiss er bestens Bescheid. Bei den Uhren wie bei den Autos. Für ihn sind die Uhrwerke kleine Kunstwerke mit Zahnrädern und Federn und ein Teil der Faszination von Rolex. «Die sind ihrem technischen Standard nie untreu geworden», sagt er, «denken Sie, das waren die Ersten, die wasserdichte Uhren bauten.» Das Design wird dabei zur Nebensache. Und auch, dass sich diesbezüglich bei Rolex in den vergangenen 50 Jahren nicht allzu viel verändert hat. Weidmann nimmt es gelassen: «Eine Rolex ist so zeitlos wie ein Porsche.»

Seine erste Rolex, eine Prince, bekam er 1946, 16-jährig, von den Eltern geschenkt. Aus Tradition, denn die Weidmanns haben zum Genfer Uhrenhersteller ein ganz spezielles Verhältnis.

Der Sammler schlägt die Beine übereinander und lehnt sich zurück. Jetzt kommt er ins Erzählen. Über die Familiengeschichte der Weidmanns – die sich ein Stück weit mit der von Rolex überschneidet.

Der Grossvater, Georg Heinrich Weidmann, ist Mitarbeiter des Seidenherstellers Schwarzenbach, der die Seide für das englische Königshaus liefert. Bei einem London-Aufenthalt Anfang des 20. Jahrhunderts trifft er dort auf den Deutschen Hans Wilsdorf, der – für das Zeitalter der Taschenuhren sehr exotisch – an die Zukunft der Armbanduhren glaubt und diese in England vertreiben möchte. Grossvater Weidmann rät ihm, in die Schweiz zu gehen und dort eine Uhrenmanufaktur zu finden, die seinen Qualitätsansprüchen genügt. Wilsdorf macht sich auf, findet in Biel den Uhrenhersteller Jean Aegler und beginnt, dessen Uhren in England zu vertreiben. Das Geschäft floriert.

Grossvater Weidmann, der Hans Wilsdorf aus den Augen verloren hat, gründet inzwischen die Handelsfirma Liebermann, Wälchli & Co. in Zürich und handelt mit Japan. Anfang der zwanziger Jahre meldet sich eines Tages Hans Wilsdorf wieder bei ihm: «Ich habe eine Firma gegründet, die Rolex heisst», sagt er, «kannst du unsere Uhren in Japan vertreiben?» Georg Heinrich Weidmann kann und will. Gemeinsam besorgen sie sich Geld bei der Kreditanstalt und erobern den japanischen Markt. Rolex wird in der Folge zum Global Brand, und die Verbindung zwischen Weidmann und Wilsdorf hält bis zum Tod des Grossvaters.

Im Hause Weidmann wird fortan konsequent Rolex getragen. Dass die meisten der frühen Rolex der Weidmanns nicht mehr vorhanden sind, schmerzt Alex Weidmann jedoch ein bisschen. Relativ unberührt von der Freundschaft des Grossvaters zu Hans Wilsdorf wächst er auf, hat jedoch während seiner Schulzeit in Neuenburg einen Mitschüler, der auffällt: Dieter Kübel-Wilsdorf. Wie sich herausstellt, ist dieser der Neffe von Rolex-Gründer Hans Wilsdorf und ein kreativer Kopf. Nach der Schule verliert sich der Kontakt.

Erst Mitte der fünfziger Jahre bekommt die Liaison Weidmann/Rolex eine zweite Chance. Auslöser ist eine von Alex Weidmanns Gattin geschenkte Rolex, die notabene ständig kaputt ist. Entnervt telefoniert Weidmann nach Genf und wird weiterverbunden. Am anderen Ende der Leitung: Dieter Kübel-Wilsdorf. Die Uhr wird repariert und die alte Freundschaft aktiviert. Sie hält bis heute.

Weidmann kauft seine erste Day-Date 1957 – der Grundstein für seine Sammlung. Ein Blick auf die Beta 21 an seinem Handgelenk, dann klappt er die Fotoalben zu. «Ich habe», sagt er, «mein ganzes Leben lang nur Rolex getragen.»