Frühmorgens schon verbreitet sich ein betörender Duft von frisch geröstetem Kaffee durch die Zürcher Münstergasse, der bei günstiger Wetterlage bis an die Limmat und gar bis zum Grossmünster wahrzunehmen ist. Ein Duft, der die geschichtsträchtigen Gassen zwischen Nieder- und Oberdorf auf der rechten Limmatseite seit Jahrzehnten prägt. Denn hier ist seit 1910 das Kolonialwarengeschäft Schwarzenbach zu Hause, am selben Ort, wo einst die erste Post Zürichs ihren Sitz hatte. Die heutige Nachbarschaft bilden Cabaret Voltaire, Kaffeehaus Schober und das älteste spanische Lokal der Schweiz, die «Bodega Española».

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Kaffee und Tee gehören zu den Kerngeschäften dieses aussergewöhnlichen Zürcher Traditionshauses, das nicht hinter dem Bekanntheitsgrad der grossen Mode- und Juweliergeschäfte der Zürcher Bahnhofstrasse zurücksteht und dessen Geschichte ebenso alt ist wie jene der grossen Banken am Paradeplatz. Nur: Schwarzenbach heisst auch heute noch so, und an der Fassade des prächtigen Altstadthauses werben noch heute geschwungene goldene Lettern für «Colonialwaren», während im nobleren Teil der Zürcher Altstadt auf der linken Limmatseite Volksbank und Kreditanstalt oder Bankverein und Bankgesellschaft längst ineinander aufgegangen sind und sich mittlerweile unter globalen Namen vermarkten.

Lokal und global zugleich. Doch so lokal und nostalgisch dieses Traditionshaus, dessen Ladeneinrichtung aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammt, auch wirkt – in Sachen Globalisierung ist es vielen sehr modern anmutenden Gourmettempeln und Delikatessenläden voraus. Nicht nur wegen der in der Branche einzigartigen Kompetenz der Verkäuferinnen und Verkäufer, sondern vor allem wegen des Angebots, das für Gourmets, passionierte Hobbyköche oder versierte Sterne-Gastronomen eine wahre Fundgrube ist.

Kaffee und Tee gehören zwar zum Kerngeschäft des alteingesessenen Delikatessengeschäftes, doch sind im reichen Angebot, das rund 3000 Produkte zählt, fast täglich neue Spezialitäten auszumachen, nach denen man sonst vergeblich sucht. Getrocknete Berberitzen etwa, die man für persische Reisgerichte benötigt, erstklassige und gesuchte Pfeffersorten wie der Tellicherry-Pfeffer aus Südindien oder der seltene Mangoblütenhonig aus Uganda. Aber auch das einst in der Schweiz so beliebte Sandelholz, das sich wunderbar zum Färben von Saucen eignet und das Gewürzmischungen wie etwa dem Glarner Magenträs-Pulver – das vor allem für die traditionsreichen Zigerkrapfen verwendet wird – den einzigartigen Geschmack verleiht. Überhaupt kommen Schweizer Produkte trotz aller Exotik nicht zu kurz. Viele einheimische kulinarische Raritäten sind hier zu finden, wie etwa Rhabarber-Sirup oder Tessiner Kastaniencrème, aber auch Höngger Honig oder sortenreine Schweizer Dörrbirnen. Einheimische Dörrfrüchte ergänzen eine reichhaltige Palette von getrockneten Fruchtspezialitäten aus aller Welt, wie man sie sonst wohl nirgends findet. Etwa kolumbianische Stachelbeeren, thailändische Papayas oder philippinische Kumquats, um nur die ausgefallensten zu nennen.

Zu den grossen Leidenschaften von Heini Schwarzenbach, der das Geschäft in fünfter Generation führt, gehören auch die Gewürze. Einmalig ist seine Auswahl, die selbst Kenner immer wieder verblüfft. Da gibt es etwa die wunderbar blumigen, von einer sanften und angenehmen Schärfe geprägten tasmanischen Pfefferblätter oder die kleinen, dafür umso fruchtigeren Voatsiperifery-Pfefferkörner von der Ostküste Madagaskars. Aber auch Mohnsamen oder Tonkabohnen sind im Angebot, Piment aus der Karibik oder spezielle Salzsorten, wie etwa das Pyramidensalz aus Bali, das Heini Schwarzenbach erst kürzlich von einer seiner Reisen in die Schweiz zurückgebracht hat.

Persönliche Note. Obwohl schon alle seine Vorfahren Heinrich hiessen, hat der passionierte Delikatessenhändler dem Laden seine persönliche Note gegeben. Er musste wegen gesundheitlicher Probleme seines Vaters das Geschäft bereits mit 21 Jahren übernehmen.

So hat Heini Schwarzenbach nicht nur das Angebot an Trockenfrüchten und Gewürzen deutlich ausgebaut, auch haben unter seiner Ägide die in den siebziger und achtziger Jahren so populären aromatisierten Teesorten den reinen Teespezialitäten aus Indien, Sri Lanka, China oder Japan Platz gemacht. Auch können Kunden seit zehn Jahren im kleinen und stilvollen «Teecafé» gleich nebenan eine der 20 hauseigenen Kaffeemischungen oder der 150 Teesorten degustieren – dort, wo während Jahrzehnten Kaffeesäcke und Teekisten gelagert wurden. Ebenso gehört der Internethandel (www.schwarzenbach.ch) heute zum Standardangebot und ist bereits nach fünf Jahren zu einem wichtigen Pfeiler für den Delikatessenhändler geworden.

Wichtig ist für Schwarzenbach nach wie vor das Weihnachtsgeschäft, das sich hier an der Münstergasse bereits im September ankündigt, wenn sich die Lager mit Kaffeesäcken, Paletten voller Marmeladen und Senfdosen und Dutzenden von Kisten mit exklusiven Teigwaren und anderen Delikatessen füllen. «Die Vorweihnachtszeit bedeutet für uns das, was für den Bauern der Sommer ist», sagt denn auch Schwarzenbach. «In dieser Zeit machen wir einen Grossteil unseres Umsatzes.» Schon im Oktober stehen die Kunden an den Samstagen bis weit in die Münstergasse hinaus Schlange.

Seinen Ursprung hat Schwarzenbach übrigens in St.  Gallen, wo Heini Schwarzenbachs Ururgrossvater 1864 als gelernter Nudelfabrikant im «Haus zur Taube» sein erstes Geschäft gründete und vorab mit Eiern, Teigwaren, Gewürzen und Kaffee handelte. Im Jahr 1882 eröffnete Heinrich I. an der Augustinergasse in Zürich und am Neumarkt in Winterthur zusätzliche Geschäftslokale, nachdem er schon zwei Jahre zuvor in den beiden Zürcher Städten auf den Wochenmärkten Eier verkauft hatte.

Grosse Träume. Heinrich  II. übernahm das Geschäft 1888, liquidierte den Laden in St.  Gallen und baute das Geschäft in Zürich sukzessive aus. 1910 kaufte er an der Münstergasse die alte Post und baute diese für die Bedürfnisse eines Kolonialwarenhändlers komplett aus. Er vergrösserte den Laden und begann 1928, selber Kaffee zu rösten. Das Geschäft mit dem Eierhandel blieb jedoch lange Zeit eines der wichtigsten Standbeine, noch 1933 verkaufte Schwarzenbach rund 2,7 Millionen Eier. Im Jahr 1969 wurde das Geschäft in Winterthur aufgelöst, fünf Jahre später beendete Heinrich  III. den Engros-Handel und konzentrierte sich auf das Detailgeschäft.

Heute ist das Traditionshaus eine Aktiengesellschaft, die sich noch immer in Familienbesitz befindet. Nebst Heini Schwarzenbach sind seine Schwester Brigitte und seine Mutter daran beteiligt und ebenso im Geschäft aktiv. Einen Heinrich  VI. wird es nicht geben, doch bestehen gute Chancen, dass dereinst eine der Töchter von Heini  V. oder eines der Kinder seiner Schwester den Laden in sechster Generation weiterführen wird. Dann vielleicht wird Heini Schwarzenbach einen seiner grossen Träume verwirklichen können: nicht nur Kaffee zu rösten, sondern diesen sogar auf einer eigenen Plantage irgendwo in Mittelamerika selber anzubauen.