Die Academy of Chocolate hat Dominic und Pascal Beschle – den Chocolatiers Beschle – in diesem Jahr für deren Kreation Fleur de Sel et Pistache die Golden Bean verliehen. Und für ihre mit Ingwer aromatisierten dunklen Schokoladentafeln erhielten die beiden Basler Silber. Die Auszeichnungen sind die Oscars unter den Schokoladenpreisen und eine markante Wegmarke für die beiden Brüder, die sich vor vier Jahren aufmachten, mit Pralinen, «handmade in Switzerland», die Welt zu erobern.

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In ihren Kreationen stecken nicht nur hochwertige Rohstoffe, ungewöhnliche Zusätze und 90 Prozent Handarbeit, sondern auch viel Mut. Die beiden jungen Männer führen die Confiserie Beschle, die in Basel jedem, ausserhalb aber kaum jemandem ein Begriff ist, in vierter Generation. «Wir wollten aber Erfolg ausserhalb», sagt Dominic Beschle. «Dafür brauchten wir neue Produkte», fügt Pascal Beschle an, der Tüftler der beiden, «mit Patisserie wären wir nicht weit gekommen.» Daher lösten sie das Schokoladengeschäft aus dem Unternehmen ihrer Vorväter heraus, erfanden alles neu und versuchten ihr Glück im Ausland.

Die erste Filiale eröffneten sie in Singapur, inzwischen verkaufen die Beschles ihre Pralinen – das Kilo zu rund 120 Franken – in 25 Ländern rund um den Globus. Dominic Beschle, CEO im Schokoladenhaus, ist eben aus Korea zurückgekehrt, in der Tasche die Bestellung seines Lebens: «Ein ganzer Container», sagt er, «elf Paletten Pralinen à 500 Kilo.» Die Order ist hart verdient. «Zwei Jahre habe ich dafür gepickelt», sagt Beschle und ist schwer zufrieden, «überhaupt stehen uns tolle Weihnachten ins Haus, wir haben Bestellungen wie noch nie.»

Gut, fabelhaft, besser denn je – bekommt zu hören, wer bei Schweizer Produzenten von Luxusgütern nachfragt, wie das Geschäft laufe. Und auf die Frage, wie sie ihre Zukunft sähen: vielversprechend, rosig, positiv. Die Stimmung in dieser Branche ist grossartig. Und zwar – zumindest im Spitzensegment – durchs Band: Vom Pralinenfabrikanten über den Uhrmacher bis hin zum Möbelbauer und Skiproduzenten reibt sich die Hände, wer Produkte etabliert, die wertvoll, exklusiv und eben made in Switzerland sind.

Schweizer Luxus der obersten Liga floriert, als gäbe es keine drohenden Staatsbankrotte, düsteren Prognosen und keine drückende Frankenstärke. Denn: Ein guter Teil der Menschheit ist von diesen Miseren nicht wirklich betroffen. In aufstrebenden Ländern wie China, Indien, Mexiko und Brasilien wächst der Wohlstand laufend und mit ihm die Kaufkraft sowie die Lust, sich abzuheben mit dem Konsum von Dingen, die sich nicht jeder leisten kann. Gemäss einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company wird dadurch der weltweite Umsatz für Luxusgüter 2011 um acht Prozent auf 185 Milliarden Euro ansteigen.

Akute Lieferengpässe. Wie gut das Geschäft trotz allen Wirren läuft, überrascht auch die Hersteller selbst: «Wir dachten, dass wir auf unseren teuersten Modellen sitzen bleiben würden», sagt Simon Jacomet, Chef der Bündner Skischmiede Zai, «aber das Gegenteil ist der Fall: Sie laufen so gut wie nie zuvor, zulasten der günstigeren.» Diese Feststellung zieht sich wie ein roter Faden durch die Umfrage, die BILANZ bei unterschiedlichsten Luxusgüterfabrikanten erhoben hat. Im allerhöchsten Preissegment brummt das Geschäft. Das gilt insbesondere auch für Uhren. «Wir haben mehr Nachfrage, als wir erfüllen können», sagt Marc Hayek, Chef von Blancpain, Breguet und Jaquet Droz. Die Nachfrage brach zwar mit der Finanzkrise ein, ziehe nun aber an wie nie zuvor, sagt Hayek. Zudem habe sich die Nachfrage inhaltlich verändert: «Vor der Finanzkrise war es so, dass alles, was speziell war und teuer, auch verkauft werden konnte», erklärt Hayek stellvertretend für die Schweizer Haute Horlogerie. «Heute kauft niemand mehr einfach eine teure Schweizer Uhr, sondern man kauft eine teure Uhr von einer etablierten Marke, es gibt ein neues Markenbewusstsein.» Bei Konkurrentin Piaget klingt es fast genau gleich: «Starke Marken im obersten Preissegment haben eine glänzende Zukunft», sagt Piaget-Chef Philippe Léopold-Metzger.

Der Boom kommt aus dem Osten: «Die Chinesen ziehen sehr», sagt Hayek. Und zwar nicht nur in China selbst, wohin der Export der schweizerischen Luxusuhren bereits 2010 um 50 Prozent zugenommen hat, sondern auch in der Schweiz, einer beliebten Destination ausgabefreudiger Chinesen. Das Beste daran: Anpassungen an den Geschmack der neuen Kunden braucht es keine. «Je teurer etwas ist, desto internationaler wird der Geschmack», sagt Jean-Claude Biver, Chef der Uhrenmanufaktur Hublot. «Sich an das jeweilige Land anzupassen, wäre kontraproduktiv, denn viele Kunden kaufen ja keine Uhr, um die Zeit abzulesen, sondern um etwas von sich zu kommunizieren.» Dann fügt er an: «Wenn wir diesen Markt nicht hätten, ginge es uns nicht gut.»

Schweizer Luxusuhrenhersteller haben keine Konkurrenz ausser sich selbst. Die Preisempfindlichkeit ist, verglichen mit andern Branchen, etwa der Maschinenindustrie, entsprechend gering. «Wir haben die Preise im Zug der Frankenstärke angepasst», sagt Breguet-Chef Hayek, «um acht Prozent in Euros und fünf Prozent in Hongkong-Dollars und Dollars.» Das Gleiche berichtet Hublot-Chef Biver. Geschadet habe das nicht. «Die Krise hat unter anderem dazu geführt, dass der Konsument lieber etwas kauft, das echt wertvoll ist, als an der Börse zu spielen», sagt Biver. Effekt für Hublot: ein Umsatzplus für 2011 von 30 Prozent.

Beflügelnde Exklusivität. Ganz oben bleiben, qualitativ wie preislich, lautet auch das Credo ausserhalb der Uhrenindustrie. «Alle Hersteller im mittleren Preissegment versuchen nun ein Trading-up», sagt Alice Stümcke, Chefin von de Sede. In der De-Sede-Manufaktur in Klingnau stellen rund 150 Mitarbeiter exklusive Sitzmöbel her. Kostenpunkt: 8000 bis 12 000 Franken. Auch Stümcke lotete jüngst neue Möglichkeiten aus. «Ich habe den Markenwert von de Sede berechnen lassen, um herauszufinden, ob unser Preispremium zumutbar ist», sagt sie. Antwort: «Es ist.» Stümcke zeichnet derzeit die De-Sede-Landkarte neu: etwa indem sie das Händlernetz in Deutschland von 400 auf 150 gestrafft hat, schliesslich hat Luxus auch mit Exklusivität zu tun. Und Exklusivität beflügelt den Preis. Der Schweizer Produktionsstandort stand für Stümcke nie zur Diskussion. «Hier zu produzieren, ist zwar sehr teuer, aber unverzichtbar, das ist ein wesentlicher Teil unserer Marken-DNA.»

Schweizer Wertarbeit. Der Markenzusatz «made in Switzerland» verpflichtet. «In der Schweiz zu produzieren, ergibt nur Sinn, wenn man keine Konzessionen an die Qualität macht», sagt Markus Landolt, Chef von Horgenglarus, «bei Massenware sind Schweizer Hersteller nicht konkurrenzfähig.» Die Attribute von Horgenglarus-Stühlen sind die gleichen wie vor 100 Jahren: Langlebigkeit, zeitloses Design, Handwerkskunst, Schweizer Holz. Unter jedem Stuhl, der die Fabrik verlässt, klebt der Sticker mit Armbrust und Garantie «Handcrafted in Switzerland since 1880». Die Stühle – Kostenpunkt: 550 bis 2500 Franken das Stück – sind begehrt; Bestellungen gehen aus der ganzen Welt in Glarus ein. Da ordert ein Schweizer Hoteldirektor in Miami das Mobiliar in der Ostschweiz, dort will die Architektin aus New York, die ein Jahr für Herzog & de Meuron in Basel gearbeitet hat, die gleichen Stühle bei sich im Office, die auch im Besprechungsraum der Basler Stararchitekten stehen. Die beiden sind grosse Horgenglarus-Fans. Wo immer sie sich niederlassen, sitzen sie auf Stühlen aus Glarus. «So exportieren wir bereits rund ein Drittel unserer Produktion, ohne dass wir gross etwas dafür tun», sagt Landolt. Künftig will er das Auslandgeschäft nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern es mit mehr Konstanz und System betreiben. Fürs Erste hat er den deutschen Markt im Visier – und kommt gut voran: Bereits haben zehn renommierte Möbelhändler Horgenglarus-Stühle ins Sortiment aufgenommen, trotz Frankenstärke. Sie ist Landolt mehr Ansporn denn Last: «Wenn wir es derzeit schaffen, Aufträge an Land zu ziehen, haben wir in den nächsten Jahrzehnten nur noch mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen», sagt er.

Kontrolliertes Wachstum. Teuer an einem Horgenglarus-Stuhl ist nicht nur das Holz aus dem Jura, sondern auch die Zeit, die es braucht, ihn herzustellen. «Wahrer Luxus sind Sachen, die nicht schnell gemacht werden», sagt Landolt. Das würde Simon Jacomet sofort unterschreiben, mit dem Zusatz: «Zu wahrem Luxus gehört auch, dass anständige Löhne in der Produktion bezahlt werden. Alles andere ist paradox.» Dass Jacomets Ski ein paar tausend Franken pro Paar kosten, erklärt er unter anderem damit. Zudem: «Alles läuft über Qualität und Hochwertigkeit, und wer mehr bietet, kann auch mehr verlangen.» Ende September hatte er Besuch von einem Journalisten, der für ein Buch mit dem Titel «Beyond Luxury» recherchiert. Der Buchtitel ist Programm: Während zweier Tage liess sich der Autor in der kleinen Zai-Manufaktur in Disentis die Herstellung der Edelbretter vorführen und unternahm danach ein Testfährtchen. «Er war fasziniert», sagt Jacomet.

Mehr Publicity freut den Bündner Unternehmer, der bereits mit Testimonials wie Antonio Banderas und Dieter Meier für einige Schlagzeilen gesorgt hat. Aber er fürchtet sich auch ein wenig davor. «Wir wollen wachsen, aber kontrolliert und vorsichtig.» Und möglicherweise auf einem neuen Gebiet: Zai hat eine Partnerschaft mit Bentley und tüftelt mit Golfverrückten an einem Golfschläger herum. Die Prognose darf gestellt werden, dass so ein Bentley-Zai-Golfschläger, so er denn erst erfunden ist, das Zeug zum Topseller hat – egal, was er kostet. Denn die Welt ist voll von Reichen und Superreichen, denen nichts zu exklusiv sein kann und nichts zu teuer ist.

Edelste Materialien. Von solchen Superreichen lebt Roland Iten. Seine Firma heisst Roland Iten Mechanical Luxury und residiert in Genf. Der 50-jährige Iten ist Designer und erfindet so Alltägliches wie Gürtelschnallen und Manschettenknöpfe. Er tut es allerdings konkurrenzlos: Seine Gürtel kosten von 30 000 Franken an aufwärts, das Paar Manschettenknöpfe 15 000 Franken. Sie sind aus reinem Gold und kleine mechanische Wunderwerke. Die Länge des Gürtels etwa lässt sich einfach und unauffällig um 35 Millimeter variieren. Genauso viel geben auch Massschneider beim Hosenbund hinzu, damit die Hose auch im Sitzen bequem ist. Die Schnalle ist aus massivem Gold in 100 Einzelteilen gefertigt, jedes davon lässt Iten in einer Genfer Uhrenmanufaktur herstellen, von Hand, nach seinen Ideen und Massgaben. Kostbar ist auch das Leder, das Iten zur Schliesse liefert. Es stammt von Alligatoren aus nachhaltiger Zucht, zugeschnitten und verarbeitet wird es ebenfalls in Genf. «Klar könnte man das auch in Vietnam oder Marokko machen lassen», sagt Iten, «und wohl zu einem guten Preis, aber: Hier zu produzieren, garantiert nicht nur höchste Präzision, sondern auch die Gewissheit, dass jeder Spezialist, der bei der Herstellung involviert war, auch gut behandelt und bezahlt worden ist.»

Von allem, was Iten entwickelt, gibt es jeweils nur einige wenige Exemplare. Probleme, Männer zu finden, die für einen Gürtel so viel ausgeben wie andere für ein Auto, hat Iten – seit 2004 im Geschäft – nicht. «Es gibt immer mehr Menschen, die etwas wollen, das möglichst niemand sonst hat», sagt Iten, «und diese Leute diskutieren nicht über den Preis.» Allerdings: In letzter Zeit veränderte sich auch Itens Kundschaft, seine Kreationen werden vermehrt von Russen, Brasilianern und Chinesen begehrt. Davor hatte er vor allem mit Amerikanern und Japanern zu tun – freilich sind es nur die happy few, ein paar hundert. Die Männer, die bei ihm einkaufen, bezeichnet Iten übrigens nicht als Kunden, sondern als Klienten. Und sich selbst nicht als Geschäftsmann, sondern als – Pionier.

Iris Kuhn Spogat
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