Zahlen kann man so oder so deuten. Auch Statistiken lassen sich unterschiedlich interpretieren. Ein Faktum bleibt: Die nach dem Lehman-Desaster scheinbar nicht mehr zu bremsende Aufwärtsdynamik der Schweizer Uhrenindustrie hat in den vergangenen Monaten einen spürbaren Dämpfer erlebt. Die damit einhergehenden Signale sind in den Chefetagen der Manufakturen und Etablisseure angekommen. Das Fazit lässt sich vorweg in wenige Worte kleiden: Auch der fernöstliche Markt, den viele Uhrenhersteller in den vergangenen Jahren als Allheilmittel europäischer Kümmernisse betrachteten, kann durchaus schwächeln.

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Nichts anderes bringen die letzten Monatsberichte der Fédération Horlogère Suisse (FH) zum Ausdruck. Speziell die Septemberzahlen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Gegenüber dem Vorjahresmonat reduzierten sich die Ausfuhren von Armbanduhren um 2,1 Prozent auf 1,631 Milliarden Franken. Für diese gewaltige Summe verliessen die Eidgenossenschaft 2,6 Millionen Uhren, was einem Stückzahlenminus von 10,1 Prozent entspricht. Aus der beachtlichen Differenz zwischen wert- und stückzahlmässigem Rückgang lässt sich unschwer auf gestiegene Durchschnittspreise schliessen. Konkret leiden Armbanduhren bis zu 3000 Franken Exportpreis. Jene darüber, welche rund 60 Prozent des gesamten Exportumsatzes generieren, legten hingegen mit 3,7 Prozent zu.

Der neuerliche Exportrückgang dürfte kaum etwas daran ändern, dass 2012 als Rekordjahr in die Schweizer Branchengeschichte eingehen wird. Summa summarum liegen die Ausfuhren während der ersten neun Monate 2012 um 13,6 Prozent über dem Vorjahresniveau (siehe Tabelle). Es ist kaum denkbar, dass der Saldo bis Jahresende noch ins Negative rutscht.

Nachdenklich stimmt jedoch die Tatsache, dass die drei asiatischen Mega-Märkte Hongkong, China und Singapur im September zu den grössten Verlierern gehörten. Beachtlich ist dagegen das Comeback des alten, von einigen Uhren-Chefs kalt lächelnd abgeschriebenen Europa. Frankreich, Deutschland und Italien sind in der Tat wieder da. Zusammen mit Hongkong, den USA und China absorbiert das europäische Top-Trio nicht weniger als 55 Prozent aller Uhren aus der Schweiz. Der Blick hinter die Kulissen zeigt indessen ungeschminkt, dass im Endeffekt nur ein Teil der dorthin exportierten Ware auch tatsächlich in Europa verbleibt.

Beachtliche Quantitäten gehen an Heerscharen chinesischer Touristen, die von ihren Reiseleitern – gegen entsprechende Provision – in Juweliergeschäfte gelotst werden. Die Reisenden profitieren ebenfalls. Nach dem Verlassen des Gastlandes gibt es die Mehrwertsteuer zurück. Zudem lässt sich die hohe Luxussteuer in China elegant umgehen. Eine echte Win-win-Situation also, welche den Konzessionären in touristisch attraktiven Regionen blendende Umsätze beschert. Ganz neu ist diese Art Boom indessen nicht. Die japanische Uhrenhausse liegt noch gar nicht so lange zurück. Die zunehmende Bedeutung der asiatischen Klientel für den europäischen Fachhandel zeigt sich in Luzern ebenso wie in Interlaken, Genf, Mailand, Berlin, Wien oder bald auch in Paris, wo Bucherer im Frühjahr 2013 auf 2500 Quadratmetern Verkaufsfläche eine Art Mega-Store und damit das weltgrösste Uhrengeschäft eröffnet.

Was bringt 2013 der Branche noch? China, der Tempomacher der letzten 18 Monate, wird weiter leicht schwächeln, aber nicht in die Krise schlittern. Gemäss der diese Woche erscheinenden Studie «Swiss Watch Industry» von Deloitte rechnen die grossen Schweizer Marken weiterhin mit einem Wachstum ihrer Exporte nach China von 8,6 Prozent; Asien bleibt damit mit 58 Prozent die wichtigste Konsumregion. Geht es um die Sorgen der hiesigen Industrie, so steht nach wie vor der starke Franken an oberster Stelle. Eher marginal ist mit 18 Prozent hingegen die Angst vor Fälschungen.