BILANZ: Ihre Buchtitel lauten «Ausbeuter», «Superkrise», «Staatsbankrott», «Der Crash kommt bestimmt».

Walter Wittmann: «Der Crash» erschien 2007.

Ihr neustes Buch, «Soziale Marktwirtschaft statt Wohlfahrtsstaat», tönt undramatisch. Altersmilde?

Nein. Im September sind in Deutschland Bundestagswahlen, da habe ich gedacht, ein Buch über die soziale Marktwirtschaft passt, zumal sie Kanzler Ludwig Erhard erfunden hat.

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Wir leben im Wohlfahrtsstaat, der die Bürger rundum versorgt.

Ich plädiere für die soziale Marktwirtschaft. Der Wohlfahrtsstaat schnürt ein, die freie Marktwirtschaft ist gescheitert. Ihr verdanken wir das grösste Elend der Finanzindustrie.

Sie reden von Elend und von Dauerkrise des Kapitalismus. Alles Schlagworte.

Überhaupt nicht, die Krisen wiederholen sich. Europa steckt in der Rezession, in den USA wird beschönigt.

Wie bitte? Es werden neue Jobs kreiert.

Billigjobs. Weil der erste nicht reicht, suchen die Leute einen zweiten und dritten Job.

Die Investitionen steigen.

Falsch. Die Ausrüstungsinvestitionen steigen eben nicht. Die Firmen verwenden ihr Geld, um Aktien zurückzukaufen oder Firmen zu kaufen. Die Infrastruktur ist in einem lausigen Zustand. Die Wasserleitung von Upstate New York nach New York City ist aus dem Jahr 1825.

Wie legt man in der Dauerkrise sein Vermögen an?

Ich setze schon lange auf Gold, das verkaufe ich nicht, dann Cash. Aktien halte ich zu einem Viertel. Ich trade, weil ich nicht an das Märchen von der Daueranlage glaube.

Welche Titel bevorzugen Sie?

Ich beobachte die Charts. Cardinal Health in den USA habe ich für 40 Dollar gekauft; wenn der MACD Indicator nach oben geht, verkaufe ich. Gesetzt habe ich auch auf Staples oder St. Jude Medical und sie mit Gewinn verkauft. Ebenfalls auf LSI und MVD Technologies. Bei Royal Dutch Shell bin ich schon lange dabei.

In der Schweiz?

Da setze ich nur auf Nestlé und Novartis. Banken oder Versicherungen rühre ich nicht an.

Walter Wittmann: Der 77-Jährige war Professor für Finanzwissenschaft und schweizerische Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg. Seit seiner Emeritierung ist er Buchautor. Sein aktuelles Werk heisst «Soziale Marktwirtschaft statt Wohlfahrtsstaat» (Orell Füssli, 2013).