Es brauchte nur einen Tweet von Tesla-Chef Elon Musk. Und Deutschland war in Hysterie versetzt. Mitte Juni verkündete er via Kurznachrichtendienst Twitter, Deutschland sei die «führende Wahl» für den europäischen Standort einer Gigafactory. «Vielleicht macht es an der deutsch-französischen Grenze Sinn, nahe der Benelux-Länder.» Gemeint ist der Bau einer riesigen Produktionsstätte.

Für Tesla geht es ums Überleben. Um profitabel zu werden, muss Tesla die Produktion seines für den Massenmarkt gedachten Model 3 drastisch hochfahren. Derzeit liegen 420’000 Vorbestellungen auf dem Tisch. Nur 88’000 wurden im ersten Halbjahr produziert. Bis 2020 sollen es jährlich 500’000 Autos sein. Dazu aber braucht Musk weltweit Fabriken – Gigafactories, wie er sie nennt. Sie sollen die Massen-Herstellung von Batterien und Autosermöglichen.

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Eine erste Gigafactory ging 2017 in Nevada in Betrieb. Fünf Milliarden Dollar kostete sie, über 1000 Mitarbeiter will Tesla dort beschäftigen. Der Vollausbau samt vollständig überdachter Solarzellen ist für 2020 angepeilt. Zu diesem Zeitpunkt soll in Shanghai eine zweite Gigafactory die Produktion aufnehmen. Und nun steht offenbar Deutschland zur Diskussion.

Kurz nachdem Musk besagten Tweet abgesondert hatte, meldete sich SaarlandsMinisterpräsident Tobias Hans als erster: «Come to Saarland!», teilte er Musk auf Twitter mit. Hans ist nicht alleine damit. Auch die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein Westfalenwollen Musk zu sich locken. Nun hat sich sogar die Heimat von BMW ins Spiel gebracht: Der bayerische Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer soll eine «Come to Bavaria»-Botschaft über den Atlantik gesendet haben, schreibt die «Süddeutsche Zeitung». «Der Freistaat bietet für eine Ansiedlung exzellente Voraussetzungen», sagt der CSU-Politiker. Es gebe bereits Kontakte.

Was unternimmt die Schweiz?

Für Musk wäre ein deutscher Standort aus zwei Gründen interessant: Erstens ist Deutschlandmit dem gesamten Know-how das Zentrum der Autoindustrie. Zweitens wäre eine grosse Produktionsstätte ein Stachel für die traditionellen Autokonzernen, die in Sachen Elektromobilität Tesla hinterherjagen. Wahrscheinlich fällt der Entscheid noch dieses Jahr. Ganz Europa buhlt um die Gunst von Elon Musk. Käme eine Gigafactory auch für die Schweizinfrage? Sie brächte Prestige, Arbeitsplätze, Investitionen und könnte Autozulieferern Auftrieb geben. Unwahrscheinlich? Mit Google hat sich bereits ein anderer Gigant aus dem Silicon Valley angesiedelt: Der Techriese betreibt in der Schweiz den grössten Forschungsstandort ausserhalb den USA.

Gigafactory Tesla

In der Wüste Nevadas baut Tesla eine gigantische Produktionshalle.

Quelle: Getty Images

Für einen Tesla-Standort hat sich hierzulande allerdings noch niemand stark gemacht. Reto Sidler von der Standort-Marketingorganisation Greater Zurich Area ist zumindest nicht bekannt, dass auch in der Schweiz Standorte evaluiert würden. Hat die Schweiz Musks Pläne verschlafen? Sidler erklärt: «Glaubt man den Medienberichten, könnte es sich bei diesem Investitionsprojekt um ein reines Batteriewerk oder auch um eine komplette Fahrzeugproduktion handeln. In beiden Fällen wäre die Schweiz aus Kostengründen wohl nicht der aussichtsreichste Standort», sagt er. Hingegen seien für internationale Technologieunternehmen die Schweiz und insbesondere der Wirtschaftsraum Zürich als Produktionsstandort besonders in Kombination mit Forschung und Entwicklung attraktiv.

300 Orte werben um Tesla

Dass Musk weltweit Fabriken plant, wurde bereits vor zweieinhalb Jahren ruchbar. Schon 300 Orte in Europa sollen sich laut Medienberichten beworben haben. Frankreich etwa wollte Tesla auf das Areal des Atomkraftwerks Fessenheim nahe Basel locken. Ende Jahr werden die Reaktoren aus den 70er Jahren eingestellt. «Wir müssen der Bevölkerung Hoffnung geben. Ich möchte ihr zu einer Tesla-Fabrik verhelfen», sagte 2016 die damalige Umweltministerin Ségolène Royal.

Tesla Tilburg

Im niederländischen Tilburg werden bereits die Tesla-Modelle für den europäischen Markt zusammengebaut.

Quelle: Getty Images

In Schweden hofft der Unternehmerverband, dass Tesla sich in den alten Saab-Werken niederlässt, wie das «Manager Magazin» schreibt. Ebenfalls in Skandinavien bringt sich das finnische Vaasa mit einer eigenen Gigavasa-Website in Stellung und wirbt mit den «bedeutendsten Lithium-Vorkommen Europas» und der grössten Kobaltraffinerie – wichtige Rohstoffe für die Batterieproduktion. Gute Chancen könnten wohl auch die Niederlande haben: In Tilburg etwa gibt es bereits eine bestehende Tesla-Fabrik, in der die Endmontage der Modelle für den europäischen Markt erfolgt.  

In Spanien etwa kämpft der Ort Paterna nahe Valencia mit einer eigenen Website und einem offenen Brief um Musks Aufmerksamkeit. Ein Gewerbegebiet mit Anschluss an Bahn, Autobahnen, Hafen und Flughafen ist bereits für Tesla reserviert. In Portugal hat die Facebook-Gruppe «Bring Tesla Gigafactory to Portugal» bereits mehr als 50’000 Mitglieder. Und in Litauen haben Gamer bereits eine Gigafactory gebaut. Wenn auch nur virtuell.