Ein Vertrauensvorschuss sieht anders aus: Kaum hat der Baukonzern Implenia angekündigt, den langjährigen Konzernchef Anton Affentranger ab Oktober durch den Novartis-Manager André Wyss zu ersetzen, ging es mit der Implenia-Aktie bergab. Steil bergab. Innerhalb von knapp zwei Stunden sank der Börsenwert von Implenia um fast 30 Millionen Franken.

Dabei sollte ein neuer Chef die Investoren doch elektrisieren – quasi als Versprechen für neuen Schwung. Doch genau das scheint die Börse Wyss nicht zuzutrauen.

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Kein «Perfect Fit»

Implenia-Präsident Hans Ulrich Meister hält dagegen. Er lobt Wyss als «Persönlichkeit mit hohen strategischen, operativen und menschlichen Qualifikationen» und betont, Wyss habe «eine gewinnende Persönlichkeit» und verfüge über «internationale Führungserfahrung». Er werde Implenia «strategisch und operativ weiterentwickeln». Intern, so ist zu hören, habe Meister gar von einer «Idealbesetzung» und einem «perfect fit» gesprochen.

Hans Ulrich Meister

Hans Ulrich Meister: Der Implenia-Präsident geht mit seiner Chef-Wahl ins Risiko.

Quelle: Keystone

Meisters Urteil in Ehren. Fakt aber ist: Wyss hat von Presslufthammer, Betonbohrer und Mörtel keine Ahnung. Er ist ein Mann der Pharma. Branchenfremder geht es kaum. Wyss ist gelernter Chemielaborant, der auf dieser Basis eine beeindruckende Karriere hingelegt hat. Bei Novartis, immer bei Novartis. Das heisst: Ab Oktober sind die zwei wichtigsten Posten beim grössten Schweizer Baukonzern von Männern besetzt, die in der Baubranche über keine respektive über kaum Erfahrung verfügen.

Das ist keine Nebensächlichkeit. Aus mindestens drei Gründen. Erstens: Üblicherweise achtet ein Nominationsausschuss darauf, entweder auf dem Chefposten oder auf dem Präsidentenstuhl eine Person aus der Branche zu haben. Ein Blick von aussen schadet einem Unternehmen zweifelos nie, kann zwischendurch sogar gut tun. Zwei Blicke von aussen aber sind eine andere Geschichte. Zweitens: Der abtretende Anton Affentranger hat jahrelang davon gesprochen, einen internen Nachfolger aufzubauen. Nun werden sich jene Top-Leute aus der Baubranche, die bei Implenia die zweite Reihe füllen und denen Wyss vor die Nase gesetzt wurde, drei Mal überlegen, ob sie bei Implenia noch richtig sind. Weniger Bau-Wissen in der Chefétage aber könnte Implenia zuletzt gebrauchen.

Betongiessen im Reinraum? Schwierig!

Drittens: Pharma und Bau unterscheiden sich fundamental. Und das nicht, weil in Laboren unter Reinraumbedingungen gearbeitet wird, und auf Baustellen der Matsch spritzt. Viel wichtiger ist: Das Baugeschäft wirft kaum Gewinn ab. Auch Implenia verdient ihr Geld grösstenteils im Immobiliengeschäft und nicht mit Stadien oder Brücken. In der Pharma dagegen sind die Margen so hoch wie in kaum einer anderen Branche. Das erfordert andere Skills im Management.

Kurz: Wyss Ernennung ist ein Pokerspiel. Und im Poker kann auch ein Meister mal verlieren.

Marcel Speiser Handelszeitung
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