«Endlich weg», titelte BILANZ im Februar 2013 und sprach damit der Mehrheit der Wirtschaftsführer aus dem Herzen. Freunde jedenfalls hatte Daniel Vasella kaum mehr. Und so war die Erleichterung gross, als er nach 17 Jahren «endlich» abtrat. Denn in Erinnerung bleiben wird der langjährige Novartis-Lenker weniger als Kopf der geglückten Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz und auch nicht dafür, dass ihn die «Financial Times» einst zum einflussreichsten Wirtschaftsführer Europas kürte, sondern wegen seines opulenten Bonus-Bezugs, mit dem er alle anderen Manager in den Schatten stellte: Vasella machte sich mit einer Spitzenauszahlung von 40 Millionen Franken zur Ikone der exzessiven Saläreintreiber.

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Elfmal zierte er in den letzten 40 Jahren das BILANZ-Cover – mehr als jeder andere im Land. Und das, obwohl er relativ spät zu seinem ersten Auftritt kam: 2003 mit seinen Übernahmeplänen für Roche, dann gleich ein Jahr später mit jenen für Aventis. Beide Male scheiterte er. Fortan war Daniel Vasella immer wieder Symbolbild für unkontrollierte Machtfülle, für die gescholtene Elite, für überbezahlte Verwaltungsratspräsidenten – und eben für die leistungsfremden Salärexzesse. Das vom Filmplakat von Quentin Tarantinos «Inglourious Basterds» inspirierte BILANZ-Cover wies ihm den Platz des Bösewichts zu. Keiner hätte Christoph Waltz’ Rolle besser einnehmen können.

«Manager-Schreck» Thomas Minder auf der anderen Seite konnte als Brad-Pitt-Ersatz in die «Schlacht» ziehen, die er letztlich auch gewann: Am 3. März 2013 wurde seine Initiative «Gegen die Abzockerei» mit stolzen 68 Prozent angenommen, kein einziger Kanton lehnte das Volksbegehren ab. Eine nie da gewesene Niederlage für das ganze Wirtschaftsestablishment, für die Verwaltungsratspräsidenten und ihre Konzernchefs, für die bürgerlichen Parteien – und für die Wirtschaftsverbände, die sich von dieser Schmach bis heute nie richtig erholt haben. 

Nummer zwei ist Christoph Blocher

So gesehen ist es nur richtig, dass Daniel Vasella die Rangliste der Coverboys anführt. Die Nummer zwei auf den 613 Titelseiten  – von 2005 bis 2016 erschien BILANZ zweimal im Monat – ist Christoph Blocher: Der unbestritten einflussreichste Schweizer Politiker der letzten 40 Jahre wirbelte auch die etablierte, vom Freisinn dominierte Wirtschaftsszene nachhaltig durcheinander – häufig zusammen mit seinem Mitstreiter Martin Ebner. Als hemdsärmeliger «Chef der Emser Werke» war Blocher 1978, bereits im ersten BILANZ-Jahr, ein «Mann des Monats» und erntete Beifall. Nach dem EWR-Nein vom 6. Dezember 1992 stieg die Verunsicherung: Blocher wurde zum «Alpträumer», zum Verantwortlichen für den «Rückfall des Jahres» – auch wenn sich die Horrorszenarien der EWR-Beitrittsbefürworter im Nachhinein kaum bestätigten. Das wiederum dank dem Abschluss der Bilateralen.

Cover Bilanz

Auf dem zweiten Platz der beliebtestens BILANZ-Coverboys: Christoph Blocher. Hier die Januarausgabe von 1996.

Quelle: Bilanz

Doch Erfolg macht bekanntlich attraktiv – für Wähler ebenso wie für Wirtschaftsvertreter. Der schlingernde Freisinn biederte bei der SVP an, und auch viele Wirtschaftsgrössen liebäugelten mit dem «starken Mann» der Politik – bis heute: Der frühere CS- und UBS-Lenker Oswald Grübel etwa gehört an der Albisgüetli-Tagung zu den Stammgästen, Adecco- und Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig tritt auch mal an der traditionellen SVP-Kadertagung in Bad Horn auf. Und auch die Medien werden schwach beim Namen Blocher, sorgt dieser doch zuverlässig für grosse Nachfrage. So landete Christoph Blocher immer wieder auf dem BILANZ-Cover – einmal sogar mit seiner ganzen Familie. 

Nach dem 9. Februar 2014 kühlte sich die Liebe etwas ab. Das Ja zur SVP-Zuwanderungs-Initiative und die damit einhergehende Gefahr, die Bilateralen zu verlieren, gingen vielen dann doch zu weit. Auch die neuste Initiative aus der SVP-Küche, die letztlich zur Kündigung der bilateralen Verträge führen würde, hängt wie ein dunkler Schatten über der Wirtschaftszunft. Deshalb wenden sich nicht wenige wankelmütige Manager erneut dem Freisinn zu, der mittlerweile wieder auf die Siegerstrasse eingebogen ist.

Banken über alles

Vasella, Blocher und der langjährige Nestlé-Kapitän Peter Brabeck, der es ebenfalls in die Top 10 der meistgezeigten Personen auf der BILANZ-Titelseite geschafft hat, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweiz in erster Linie ein Finanzplatz ist. Und so ist es denn auch nicht weiter erstaunlich, dass alle anderen Topplatzierten Banker oder Nationalbanker sind. Einer allerdings hat es nie bis auf das Cover geschafft, der – trotz seines eher unrühmlichen Abgangs – vielleicht populärste Schweizer Banker überhaupt: der langjährige Raiffeisen-König Pierin Vincenz.

Paul Bulcke, Peter Brabeck Bilanz Cover

Der damalige Nestlé-Chef Paul Bulcke mit dem langjährigen VR-Präsident Peter Brabeck.

Quelle: Bilanz

Die Dominanz des Finanzplatzes zeigt sich auch bei der Auswertung nach Häufigkeit der Firmen, die es – meist personifiziert durch den Chef – als Titelgeschichte aufs BILANZ-Cover brachten. Ungeschlagen sind die beiden Grossbanken UBS und CS und ihre Vorläuferorganisationen: Sie beherrschen die Schweizer Wirtschaftswelt mit ihren Fusionen, Rekordgewinnen, Machtkämpfen, ihren Abschreibern, Pleiten, serbelnden Aktienkursen, mit ihren Schlaumeiereien rund ums Bankgeheimnis, ihren Problemen mit der US-Justiz und ihren exzessiven Boni. 

Am besten symbolisiert wird der Sektor durch den ehemaligen UBS-Lenker Marcel Ospel, den «mächtigsten Banker der Welt», wie er 1998 von der BILANZ betitelt wurde. Heute, nach dem Swissair-Grounding und der UBS-Fast-Pleite, ist Ospel abgetaucht. Als Wirtschaftsführer hat er in der breiten Bevölkerung kaum mehr Kredit als Vasella – obwohl er sicher nicht allein für das Swissair-Grounding vom 2. Oktober 2001 verantwortlich gemacht werden kann.

Philippe Bruggissers «abenteuerliche Partnersuche» war gewiss auch nicht hilfreich. Die grösste Firmenpleite der Schweizer Wirtschaftsgeschichte, die hektischen Tage und Wochen danach sowie deren Aufarbeitung sind mit ein Grund, dass die Airline auf den dritten Platz des Firmenrankings kommt. Das Grounding des «Nationalheiligtums» dürfte nebst den hohen Boni eine zweite Erklärung für den grossen Vertrauensverlust gewesen sein, den die Wirtschaftselite in der Öffentlichkeit erleiden musste. 

Erst ab Rang vier im Firmenranking folgen die Flaggschiffe der anderen Branchen: Novartis, die Swatch-Gruppe mit all ihren Ursprungsfirmen und fast allen Mitgliedern des Hayek-Clans, Nestlé und die noch immer grösste Arbeitgeberin der Schweiz, die Migros. Migros-Chef Pierre Arnold war dafür jener Mann, der es als Erster ein zweites Mal aufs BILANZ-Cover schaffte – dann allerdings als Chef des Swatch-Group-Vorläufers Asuag/SSIH. Titelheld der allerersten BILANZ war Alusuisse-Chef Paul Müller. Wegen der starken Präsenz in den frühen BILANZ-Jahren brachte es der Industriebetrieb noch in die Top 10. 

Die Vormachtstellung des Finanzsektors – und der Grosspharma – entspricht dem Selbstverständnis «der Wirtschaft», auch wenn in den Sonntagsreden gerne immer wieder die wichtige Rolle der KMUs gefeiert wird, die das Rückgrat der hiesigen Wirtschaft bilden sollen. Diese ungleiche Machtverteilung führte innerhalb der Wirtschaftsverbände wiederholt zu Spannungen – zwischen den Grosskonzernen und den kleinen, zwischen dem binnenorientierten Gewerbe und der exportorientierten Wirtschaft sowie zwischen den verschiedenen Branchen. So drohten etwa Swissmem, der Baumeister- und auch der Uhrenverband mit dem Austritt aus dem Dachverband Economiesuisse. Auch das ist ein Teil der Umbruchphase, die noch nicht abgeschlossen ist.

Boys, Boys, Boys

Bis in die 1980er Jahre war die Welt noch in Ordnung: Der Chef war «männlich, Schweizer Staatsbürger, Jurist, freisinnig, Milizoffizier» und Mitglied «in mehreren Verwaltungsräten von Grossunternehmen». So fassen es die Autoren des jüngst erschienenen Buchs «Schweizer Wirtschafts-Eliten 1910–2010» zusammen. Der Lausanner Politologie-Professor André Mach und seine Mitstreiter haben dazu statistisches Material aus den 110 grössten Unternehmen im Land ausgewertet und können die Aussagen zum Wandel der letzten 20 bis 30 Jahre mit Zahlen untermauern. Was das Geschlecht betrifft, hat sich jedoch nicht viel bewegt. Die Wirtschaft bleibt eine Männerwelt – in der Realität ebenso wie auf den BILANZ-Covers.

Gerade mal 31 von 613 Titelseiten waren in reiner Frauenhand. Das entspricht mageren fünf Prozent. Und die Sache sieht noch trister aus, wenn man all jene Ausgaben abzieht, bei denen die Frauen als reines Deko-Material benutzt wurden, um irgendetwas zu illustrieren – eine Uhrenmarke zum Beispiel, ein Luxus-Lebensgefühl –, oder auch nur, um der Leserschaft zu erklären, dass bei den Schweizer Firmen die Euphorie für China nun verflogen sei. Ohne Penélope Cruz, Nicole Kidman, Patricia Schmid und Co. gehörten noch gerade 23 Titelseiten den Frauen aus Wirtschaft und Politik. 

Magdalena Martullo-Blocher war am häufigsten auf Cover

Siegerin ist Magdalena Martullo-Blocher – wie der Vater, so die Tochter. Zweimal war sie als Ems-Chefin allein auf dem BILANZ-Cover, einmal gehörte sie zu elf reichen Erbinnen, einmal war sie einfach Teil ihres Familienclans. Dank des Blocher-Familienfotos schafft es sogar ihre Mutter Silvia in die illustre Gruppe jener fünf Frauen, die mehr als einmal auf der BILANZ-Front abgebildet waren: Als Bundesratsgattin war sie «Die rechte Hälfte: Ehefrau, Einflüsterin, Mikro-Managerin» – eine Karriere, die kurz darauf mit der Abwahl ihres Ehemanns aus der Regierung auch schon wieder beendet war.

In ihrer Startphase war die BILANZ vergleichsweise progressiv – immerhin dauerte es «nur» ein gutes Jahr, bis das Magazin die erste «Frau des Monats» aufs Titelblatt hievte: Odette Ueltschi, geborene Gegauf – zuerst Chefin, dann Verwaltungsratspräsidentin der vom Grossvater gegründeten Nähmaschinenfabrik Bernina, eines bis heute unabhängigen Familienunternehmens, das dieses Jahr sein 125-Jahr-Jubiläum feiert. Odette Ueltschi schaffte später noch den Einzug in den PTT-Verwaltungsrat und den Bankrat der Nationalbank, für ein weiteres Mal BILANZ-Titelgeschichte reichte es allerdings nicht.

Wie auch ziemlich lange für keine andere Frau. Nicht weniger als sechs Jahre dauerte es, bis eine zweite auf dem Cover erschien: Elisabeth Kopp wurde Ende 1984 zur «Frau des Jahres», nachdem sie am 2. Oktober zur ersten Bundesrätin gewählt worden war – 13 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz.

Erfolgreicher als die Frauen waren die Ausländer

Sie knackten die Bastion des Alpenreduits, das die Wirtschaftsführer seit dem Ersten Weltkrieg noch verstärkt hatten, indem sie sicherstellten, dass alle dieselben Studiengänge durchliefen, an denselben inländischen Universitäten studierten, in derselben Armee dienten, zu denselben Netzwerken gehörten und die Kontakte zu denselben, freisinnigen Politikern pflegten.

1980 besassen 96,3 Prozent der Spitzenmanager einen Schweizer Pass, 2010 waren es nur noch 65,5 Prozent. Die Ausländer nahmen nicht nur zahlenmässig zu, sondern angelten sich auch Prestigejobs. Früher mussten sie sich mit Chefposten bei «marginalen Firmen» begnügen, wie André Mach es formuliert. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Deutsche Helmut Maucher, der sich bei Nestlé über Jahrzehnte hocharbeitete und schon 1981 als «Mann des Monats» auf dem Cover landete. 

Bundesräte: «Acht?»

Seit der Jahrtausendwende werden etliche Grosskonzerne von Nicht-Schweizern geführt. Die meisten kommen aus Europa, einzelne aus Übersee – wie etwa der Amerikaner Brady Dougan, der es als «Mr. Cool» und sechs weitere Male aufs BILANZ-Cover schaffte, hierzulande aber wegen zweier Episoden in Erinnerungen bleiben wird: erstens, weil der CS-Chef nicht lange nach der UBS-Rettung, die letztlich auch seiner Grossbank eine implizite Staatshilfe garantierte, einen 70-Millionen-Bonus einstrich, und zweitens, weil Dougan auf die Frage des «Magazins» nach der Anzahl Bundesräte mit «Acht?» antwortete. Deutlicher hätte er nicht zeigen können, dass er sich keinen Deut um die Schweiz und ihre Politik scherte.

Brady Dugan Bilanz Cover

Der frühere CS-Chef Brady Dougan war ein beliebtes Motiv.

Quelle: Bilanz

Die Internationalisierung der Chefetagen befeuerte die durch die Globalisierung des Geschäfts eingeläutete Abkehr von Bundesbern zusätzlich. Waren 1980 noch 42 Parlamentarier Verwaltungsrat oder Generaldirektor eines der 110 grössten Schweizer Unternehmen, waren es 2010 noch gerade 13. Die schwindende Nähe zur Politik zeigt sich auch bei der BILANZ. Die Front überliess man zu Beginn regelmässig dem Bundespräsidenten, selbst wenn er ein Linker war wie Willi Ritschard, später kamen auch die Wirtschafts- oder Finanzminister zum Zug.

Ab den 1990er Jahren waren Bundesräte als Aushängeschilder nicht mehr gefragt – Ausnahmen waren Pascal Couchepin nach Amtsübernahme («In hundert Tagen von null auf hundert») oder der «überforderte» Hans-Rudolf Merz, der mit den Wirren der Bankenkrise zu kämpfen hatte. Über das schwindende Interesse an der Bundespolitik konnte auch die kurzzeitige Umfirmierung nicht hinwegtäuschen: Von Mai 1992 bis Juli 1995 lautete der Untertitel der BILANZ nicht mehr «Schweizer Wirtschaftsmagazin», sondern «Schweizer Magazin für Politik und Wirtschaft» – befördert vor allem durch den Zusammenschluss mit dem Magazin «Politik und Wirtschaft».

Karl Marx und Adam Smith

Die Politiker waren also zu langweilig fürs Titelblatt, ausser sie waren Frauen (Vreni Spoerry) oder Linke: So schaffte es SP-Präsident Helmut Hubacher ebenso auf die Titelseite wie Armee-Gegner Andreas Gross oder Peter Bodenmann. Dieser sogar zusammen mit seinem Vater Hermann als die «Walliser Boten». Oder noch besser: Sie waren beides, Frau und links wie Ursula Koch. Einmal zierte gar Karl Marx die BILANZ, später dann auch Adam Smith.

Andere Exoten sind diverse Oberbefehlshaber der Armee (Eugen Lüthy, Heinz Häsler, Christophe Keckeis), der Basler Bischof Otto Wüst sowie mehrere Fussballfreunde – vom Xamax-Chef Gilbert Facchinetti über den Nationalmannschaftstrainer Roy Hodgson zum Fifa-Lenker Sepp Blatter. Ebenfalls in die Ahnengalerie schafften es der Künstler Bernhard Luginbühl, der Bestsellerautor Johannes Mario Simmel oder die Architekten Jean Nouvel sowie Herzog & de Meuron.

Mitte der 1990er Jahre – der Topf der Exoten ist fast ausgeschöpft – hatte man offenbar genug von Köpfen. Vielleicht lag es auch an der anhaltenden Wachstumsschwäche, die trotz gut gemeinten «Komitees für den Aufschwung» und bemüht wirkenden «Der Aufschwung beginnt im Kopf!»-Plakatkampagnen nicht enden wollte. Jedenfalls mehrten sich jetzt die thematischen Titelseiten, die aus heutiger Sicht nicht über jeden Zweifel erhaben sind – weder ästhetisch noch inhaltlich. Im Katastrophenjahr 2001 zum Beispiel setzte die BILANZ nach dem  Anschlag auf das World Trade Center und beim Swissair-Grounding eher fragwürdige Kontrapunkte: «Halte durch, Herz» respektive «Steuer sparen» waren die jeweiligen Titelgeschichten. 

Das allererste Cover ohne Kopf erschien im Mai 1990: «Italia 90» – pünktlich zur bevorstehenden Fussballweltmeisterschaft. Ab 1991 kommt auch die Reichsten-BILANZ ohne Köpfe aus – vielleicht, weil es auf dem Podest wenig Bewegung gab: Die Goldmedaille ging in den Anfängen mehrheitlich an die Roche-Erben-Familien Sacher, Oeri und Hoffmann (siehe auch «Die Reichsten» auf Seite 94). Nach einem Intermezzo von Ernesto Bertarelli 2001 übernahm der soeben verstorbene Ikea-Vater Ingvar Kamprad mit seinen Söhnen die Spitze – und gab sie nie mehr ab. Aufs Cover schaffte es Kamprad nie. Auch ein Übergangener wie Vincenz.

Eine Blase und ein Retter

Auch die BILANZ lag mit ihren Titelgeschichten nicht immer richtig – so viel Selbstkritik muss sein. Als Markus Lusser 1988 das Zepter bei der Nationalbank übernahm, wurde er auf dem Cover als «freundlicher Herr aus Uri» beschrieben, im Heft als «kolossal kompetent». Heute fällt der Name von Lusser nur noch, wenn über die Folgen einer allzu restriktiven Geldpolitik diskutiert wird. Die Gewerkschaften bezeichneten Lusser als «Job-Killer der Nation», die Arbeitgeber warfen ihm vor, den Werkplatz zu ruinieren. Ein Club von Exportindustriellen bedankte sich sogar in einem Inserat dafür, dass mit seinem Rücktritt im Frühjahr 1996 die Periode des überbewerteten Frankens verkürzt werde. 

Und Swissair-Chef Jeffrey Katz – «der erste Ausländer an der Spitze unseres Nationalheiligtums», wie die BILANZ festhielt, wurde als «Jeff, der Retter» gefeiert. Er sagte Sätze wie: «Swissair ist ein Superlogo – ein Killer-Brand.» Doch letztlich konnte auch er die Airline nicht vor dem Grounding bewahren, höchstens sich selber, weil er den Chefposten rund ein Jahr zuvor abgab. Urs Fischer wiederum wurde Anfang 2001 zum «Aufsteiger des Jahres» gekürt. Mag sein, dass sich der Wechsel von Sunrise zu Ascom für ihn ausbezahlt hat. Für den bereits stark geforderten Ascom-Konzern jedoch war es der Anfang vom Ende. Fischer zog nach zwei Jahren weiter – inklusive Abgangsentschädigung und Bonus. 

Schneller weg als erwartet war auch Leonteq-Gründer Jan Schoch. Kaum feierte ihn die BILANZ auf der Front als «Comeback Kid», musste er seinen Chefstuhl bei der Finanzgesellschaft räumen. Länger als von der BILANZ prophezeit blieb hingegen Eveline Widmer-Schlumpf: «Aus der Traum?» war da 2011 zu lesen – mit Fragezeichen zwar, doch die Wiederwahl der BDP-Magistratin in den Bundesrat war nie wirklich gefährdet. 
Manchmal malte die BILANZ auch einfach zu schwarz.

So warnte sie im Jahr 2010 «vor dem Absturz» der Steuerparadiese und erklärte, wieso die Zeit von Wollerau, Feusisberg und Co. ablaufe. Mag sein, dass deren Geschäftsmodell mit den tiefen Steuersätzen ein paar Korrekturen braucht, funktionieren tut es – vorerst jedenfalls – noch immer. Nach dem Frankenschock titelte die BILANZ: «Die Rezession ist da.» Doch zur Überraschung aller ist die Schweizer Wirtschaft im zweiten Quartal 2015 real gewachsen, wenn auch nur um mickrige 0,2  Prozentpunkte.

Und dann war da noch die «Facebook-Blase»: Die BILANZ erkannte 2012 in der Euphorie im Vorfeld des Börsengangs Analogien zum Dotcom- und New-Economy-Desaster von 2000, heute ist Facebook so mächtig, dass man sich eher fragt, wie man die Dominanz des Unternehmens wieder einschränken kann.

Accessoire zum Vergessen

Der heimliche Star der BILANZ-Cover-Galerie ist jedoch ein Accessoire. Nein, nicht die Krawatte. Diese gehört zur Uniform, weshalb wir sie gar nicht ausgezählt haben. Nein, es sind auch nicht die heute verpönten Raucherutensilien wie Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen. Damit haben sich insgesamt nur neun Herren abbilden lassen – der letzte war 1998 der UBS-Mann Rudi Bogni. Nein, es ist eine Brille, nicht irgendeine, sondern ein bestimmtes Modell: Nicht weniger als 45 Mal schaffte es diese überdimensionierte, quadratische Hornbrille aus den 1970er Jahren aufs Cover der BILANZ. 

Alle hatten eine solche Brille, vom Gewerkschafter über den Bundesrat bis zum Topmanager. Man kann sagen, dass sich darin alle gleich waren, diese Brille war ideologie- und milieuübergreifend. Mit der Zeit wird das Hornmodell von einer Metallversion abgelöst, teilweise werden die Ecken etwas abgerundet. Aber das Teil bleibt unverkennbar übergross. Die hartnäckigsten unter den Managern konnten sich bis in die 1990er Jahre nicht von diesem Modell trennen. Auch wenn man aus heutiger Sicht sagen muss: Wirklich gut sah keiner damit aus.