Als Theresa May am 11. Juli vor die Kameras tritt, sagt sie zwei Sätze, die noch lange nachwirken sollen: «Brexit bedeutet Brexit» und «Wir werden einen Erfolg daraus machen». Gerade ist sie von den Abgeordneten ihrer Fraktion zur Nachfolgerin des zurückgetretenen britischen Premiers David Cameron gewählt worden.

Knapp drei Wochen zuvor hatten die Briten den Austritt ihres Landes aus der EU (Brexit) beschlossen. Mit ihren Versprechen verknüpft May ihr politisches Schicksal mit dem EU-Austritt.

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Düstere Ahnung

Doch auch 100 Tage (am 19. Oktober) nach Mays Auftritt vor dem Parlament ist vielen im Land nicht klar, was Brexit tatsächlich bedeuteten soll und wie May daraus einen Erfolg machen will.

Seit ihrem Auftritt beim Parteitag der Konservativen in Birmingham Anfang Oktober gibt es zumindest eine düstere Ahnung davon. Brexit à la May, so glauben viele, bedeutet einen Austritt Grossbritanniens aus dem Europäischen Binnenmarkt mit allen Konsequenzen.

Finanzbranche zittert

Die Finanzbranche zittert seitdem um ihre Passport-Rechte, die es den Unternehmen erlaubt, im gemeinsamen Wirtschaftsraum wie inländische Firmen aufzutreten. Die Autoindustrie bangt um ihre ohnehin kleinen Gewinnmargen, wenn bald wieder Zölle eingeführt werden.

Doch May ficht das nicht an. Spätestens Ende März werde sie mit den Austrittsverhandlungen beginnen, sagt die 60-Jährige in Birmingham und verspricht zwei Dinge: «Die Herrschaft des EU-Rechts in Grossbritannien wird ein Ende haben» und «Wir verlassen die EU nicht, um noch einmal die Kontrolle über die Einwanderung abzugeben».

Verlust des Zugangs zum Binnenmarkt

Für viele ist damit klar: Seinen Zugang zum Binnenmarkt wird das Land aufgeben müssen, denn die übrigen 27 EU-Staaten verlangen dafür, dass Grossbritannien seinen Arbeitsmarkt für EU-Bürger öffnet. Auch der Vorrang des EU-Rechts ist eine Voraussetzung für den vollen Zugang zum Gemeinsamen Markt.

Doch die Botschaft beim Parteitag ist vor allem nach innen gerichtet. Sie will Brexit-Anhänger von sich überzeugen. Und tatsächlich gelingt es May, zumindest vorübergehend die eigenen Reihen zu schliessen. Sie wird von den Delegierten als Vollstreckerin des Volkswillens gefeiert.

Doch mit dem kaum verhohlenen Kurs auf einen so genannten «harten Brexit» hat sie auch die Gegner eines EU-Austritts wieder auf den Plan gerufen. Wenige Wochen nach dem Parteitagsjubel rumort es in der konservativen Fraktion. Längst gibt es Gerüchte, Finanzminister Philip Hammond, der sich vehement für einen Verbleib im Binnenmarkt einsetzt, könne zurücktreten.

Kein Einbezug des Parlaments?

Manch konservativer Abgeordneter stellt sich offen hinter die Labour-Forderung, das Parlament müsse über die Form des Brexit abstimmen. May hatte das bislang erfolgreich abgeschmettert mit dem Argument, man dürfe seine Karten nicht schon vor den Verhandlungen auf den Tisch legen.

Auch die wirtschaftlichen Folgen von Mays Rhetorik sind drastisch. Der Kurs des ohnehin geschwächten Pfundes sinkt weiter, bis er beinahe ein Fünftel seines Werts im Vergleich zum Dollar eingebüsst hat.

Markige Worte oft nur Fassade

Dabei sind Theresa Mays markige Worte oft nur Fassade. Zum Beispiel wenn sie mit viel Aufsehen ein Gesetz zur Aufhebung des Vorrangs Europäischen Rechts (Great Repeal Bill) ankündigt. Ein Schritt der erst nach Ende der Austrittsverhandlungen vollzogen werden kann und zudem Beginn eines mühsamen Prozesses ist.

Jedes einzelne Gesetz muss später vom Parlament geprüft und gegebenenfalls verworfen werden. Doch in Mays Worten klingt es wie ein lang ersehnter Befreiungsschlag.

Noch hoffen viele, dass May über die Phrasen von «Brexit bedeutet Brexit» hinaus eine Idee hat, wie der EU-Austritt tatsächlich noch zu einem Erfolg wird. Sie wird sich daran messen lassen müssen.

(sda/ccr)