Die Oscar-Bühne als Plattform für Protest? Mit Donald Trump im Weissen Haus ist eine «politische Veranstaltung» vorprogrammiert, sagt der deutsche Dokumentarfilmer und Oscar-Kandidat Marcel Mettelsiefen. Auch er ist von dem Reisebann betroffen.

Nachdem vor einem Jahr die #OscarsSoWhite-Kontroverse im Mittelpunkt stand, als zum zweiten Mal in Folge kein einziger Afroamerikaner für den Filmpreis nominiert war, richtet sich der Shitstorm in dieser Oscar-Saison gegen US-Präsident Donald Trump. Sein Einreisebann für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern, darunter Syrien, Iran und Irak, betrifft - vier Wochen vor der Oscar-Gala - auch die ersten Filmschaffenden.

Der vielfach ausgezeichnete iranische Regisseur Asghar Farhadi will der Preisverleihung aus Protest fernbleiben, ebenso seine Hauptdarstellerin Taraneh Alidoosti. Ihr Film «The Salesman» ist für den Auslands-Oscar nominiert.

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«Boykott wäre ein falsches Zeichen»

Betroffen reagiert auch der deutsche Oscar-Anwärter Marcel Mettelsiefen. Sein Film «Watani: My Homeland» über die Flucht einer syrischen Familie nach Deutschland ist in der Sparte «Kurz-Doku» nominiert. Die vierfache Mutter Hala, deren Mann von der Terrormiliz IS entführt wurde, war kürzlich noch mit einem Visum zu einem Treffen bei den Vereinten Nationen nach New York gereist. Mitte Februar wollte Mettelsiefen die Syrerin nach Washington und dann nach Los Angeles bringen. «Jetzt sind alle Reisepläne auf Eis gelegt», sagte der Dokumentarfilmer der Deutschen Presse-Agentur.

Er selbst will an der Oscar-Zeremonie am 26. Februar teilnehmen. «Ein Boykott wäre ein falsches Zeichen, gerade jetzt, angesichts der immer stärker werdenden Mobilisierung der Zivilgesellschaft», meint der 38-Jährige. Der Widerstand, der sich in Hollywood formiere, sei ermutigend. «Das wird eine politische Veranstaltung», sagt er über die bevorstehende Oscar-Show.

Besorgte Filmwelt

Protest kommt auch von dem Team um den Oscar-nominierten britischen Regisseur Orlando von Einsiedel, der für die Kurz-Doku «The White Helmets» freiwillige Helfer in Syrien begleitete, die nach Bombenangriffen Opfer aus den Trümmern retten.

Er wollte den Leiter der Weisshelme-Organisation und einen syrischen Kameramann als Ehrengäste zu den Oscars mitnehmen, schreibt Einsiedel in einem Beitrag in dem Filmblatt «Hollywood Reporter». Sie seien «schockiert und aufgebracht», dass die USA nun diesen mutigen Helfern die Einreise verbieten könnten. «Wenn sogar Helden nicht willkommen sind, wo sind wir dann?», klagen die Filmemacher.

Aus Hollywood erhalten sie Rückendeckung. Die Oscar-Akademie, die alljährlich die Preise vergibt, äusserte sich «extrem besorgt» über Trumps Dekret. Man werde Filmemacher und Menschenrechte in aller Welt unterstützen. Oscar-Anwärterin Emma Stone («La La Land») nannte die Entwicklung seit Trumps Erlass gegen Muslime «unverzeihbar und angsterregend». «Das Einreiseverbot ist ein Makel, und es ist unamerikanisch», wetterte die Schauspielerin Julia Louis-Dreyfus am Wochenende bei der Verleihung der SAG-Schauspielpreise in Los Angeles.

Bühne für Proteste

Oscar-Preisträgerin Meryl Streep hatte Anfang Januar die Golden-Globe-Bühne für ein leidenschaftliches und mahnendes Plädoyer gegen Trump benutzt. Bei den Oscars könnten es ihr viele Stars nachmachen, wenn das liberale Amerika vor einem Millionenpublikum im Rampenlicht steht.

Politische Proteste haben Tradition. 1973 etwa blieb Oscar-Gewinner Marlon Brando («The Godfather») der Gala fern. Stattdessen schickte der Schauspieler die indianische Aktivistin Sacheen Littlefeather mit seiner Botschaft auf die Bühne. «Preise sollten in diesem Land nicht entgegengenommen werden, bis sich die Lebensbedingungen der amerikanischen Indianer drastisch verbessert haben», hiess es in dem Statement.

Dokumentarfilmer Michael Moore («Bowling for Columbine») nutzte seine 45 Sekunden im Jahr 2003 für harsche Kritik am Irakkrieg und dem damaligen US-Präsidenten: «Wir sind gegen diesen Krieg, George Bush! Schande über Sie, Mr. Bush! Ihre Zeit ist abgelaufen!».

(sda/ccr)