Die politische Lage in Italien erinnert derzeit ein wenig an einen Hühnerstall. Es wird überall wild mit den Flügeln geschlagen und viel gegackert.

Nachdem Regierungschef Matteo Renzi nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum seinen Rücktritt angekündigt hat, sucht nicht nur seine sozialdemokratische Partei PD einen neuen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Auch die Opposition braucht einen Kopf, der Italien in die nächsten Wahlen führen könnte.

In jedem Fall ist bekannt, dass Staatspräsident Sergio Mattarella schnell wieder Ruhe in das Land bringen will. Er hat Renzi aufgefordert, noch so lange zu bleiben, bis das Haushaltsgesetz verabschiedet ist. Das soll bereits am Mittwoch geschehen.

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Die Zeit drängt

Aber was - beziehungsweise wer - dann kommt, ist noch unklar. «Wer Italien zukünftig regieren wird, ist derzeit offen», sagte die Direktorin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Italien, Caroline Kanter.

Die Zeit drängt. Von Januar an hat Italien den Vorsitz der G7-Länder inne, also der sieben wichtigsten Industrienationen. Im Mai 2017 findet der G7-Gipfel in Sizilien statt. Aber so weit in die Zukunft muss man gar nicht schauen: Schon nächste Woche findet in Brüssel der Jahresendgipfel statt. Unklar ist, wer aus Italien dabei ist.

Mehrere mögliche Kandidaten

Also zurück zu den Köpfen: Vor allem der derzeitige Finanzminister Pier Carlo Padoan wird als potenzieller Chef einer möglichen Übergangsregierung gehandelt. Wenn Fachwissen der einzig ausschlaggebende Punkt für einen Regierungschef wäre, wäre der 66-Jährige der perfekte Mann.

Der parteilose Wirtschaftswissenschaftler hat viel Erfahrung, vor allem was Finanzen angeht. Nicht ganz unwichtig in dem Land, das von einer Bankenkrise geplagt wird.

Padoan tritt zurückhaltend auf und ist auch in der EU bestens bekannt. «Angesichts der Tatsache, dass die meisten Herausforderungen wirtschaftlicher Natur sind - Banken, Haushalt und so weiter -, ist Padoan der wahrscheinliche Kandidat», sagt Francesco Galietti von der Polit-Denkfabrik Policy Sonar.

«Vergesst Renzi 2.0»

Dann wäre da noch der derzeitige Senatspräsident Pietro Grasso. Der 71-Jährige Jurist und Staatsanwalt war einst als Mafia-Jäger bekannt. Zudem hatte er vor der Amtszeit von Präsident Mattarella dessen Posten übergangsweise inne. Weitere Namen sind Kulturminister und PD-Schwergewicht Dario Franceschini und Verkehrsminister Graziano Delrio.

«Zwei Dinge kann man mit einem gewissen Grad an Sicherheit über den nächsten Premierminister sagen: Es wird ein Mann und er wird älter und vermutlich ein wenig reservierter als der jugendliche und redselige Renzi sein», schreibt die Zeitung «Financial Times».

Renzi selbst klang in seiner Rücktrittsrede so entschlossen, dass es unwahrscheinlich ist, dass er in nächster Zeit weiter machen wird. «Vergesst Renzi 2.0», sagt Politexperte Galietti.

Heterogene Opposition

Auch wenn nun über schnelle Neuwahlen möglicherweise schon im Februar 2017 spekuliert wird: Die Opposition selbst muss sich nun erst mal richtig aufstellen. Sie hat sich zwar bei dem Referendum geschlossen hinter dem «Nein» versammelt. Aber: «Schaut man sich die Referendumsgegner an, so sieht man, dass es sich um eine sehr heterogene Mischung handelt», sagt Kanter von der Adenauer-Stiftung.

Die Fünf-Sterne-Protestbewegung hat Anhänger am linken und rechten Rand. Würde sie sich jedoch mit der rechtspopulistischen Lega Nord zusammentut, würden ihr die linken Wähler abtrünnig werden, sagt Politologe Giovanni Orsina von der römischen Universität Luiss. Ihr Anführer Beppe Grillo hat zwar im Hintergrund alle Fäden in der Hand. Nach einem Verkehrsunfall 1981, bei dem drei Menschen starben, ist er aber wegen fahrlässiger Tötung vorbestraft und darf nicht im Parlament sitzen.

Die Bürgermeisterin von Rom, Virginia Raggi, wäre nach ihrem Fehlstart auch keine glanzvolle Kandidatin. Jungstars wie Vorstandsmitglied Luigi di Maio versuchen sich erst zu positionieren.

Wahlrecht als Stolperstein

Neben dem Personalgeschacher gibt es aber noch andere Stolpersteine auf dem Weg zu Neuwahlen. Allen voran das Wahlrecht. Darauf wird sich die politische Diskussion in den kommenden Wochen konzentrieren. Denn es ist nach dem Scheitern der Verfassungsreform unvollständig.

Das «Italicum», so heisst das von Renzi reformierte Wahlrecht, gilt nämlich nur für das Abgeordnetenhaus und nicht für den Senat. Denn der sollte ja mit der Verfassungsreform nicht mehr direkt gewählt werden. Nun bleibt in Italien der Senat wie er ist, aber mit einem anderen Wahlrecht als das Abgeordnetenhaus. Dieser Mangel muss nun auch erst mal behoben werden, bevor gewählt werden kann. Wer auch immer.

(sda/ccr)