Es ist der Schlusspunkt eines speziellen Verfahrens: Mit der Einstellung des Enforcement-Verfahrens gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz geht ein Medienspektakel zu Ende, das die Wirtschaftspresse sieben Wochen lang zu immer neuen Spekulationen inspirierte. Das Problem dabei: Niemand ausserhalb der Finma kennt die Anschuldigungen gegen Vincenz – auch er selbst nicht.

Nachdem er am 1. November vom Finma-Enforcement-Chef Patric Eymann in einem einseitigen Brief über das Enforcement-Verfahren informiert worden war, bat er um einen Termin, um mehr Details zu erfahren. Vincenz und Eymann trafen sich in Bern, doch die Finma konnte ihm keine Akteneinsicht frühestens Ende Dezember möglich, anschliessend würde das Verfahren etwa sechs Monate dauern.

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Patric Eymann

Patric Eymann: Das Verfahren des Finma- Enforcement-Chefs zog sich hin.

Quelle: Finma

Vorwürfe bleiben geheim

Für den medienerprobten Banker war damit klar: Vor der Generalversammlung der Helvetia am 20. April würde es keine Entscheidung geben, und der öffentliche Druck auf ihn würde weiter steigen. Zudem wurde auch im Helvetia-Verwaltungsrat die Kritik lauter, und Nachfolger wie der frühere Swiss-Life-Schweiz-Chef Ivo Furrer standen parat. Vincenz bot seinen Rücktritt gegen die Einstellung des Verfahrens an. Eymann willigte ein, dann gab am Mittwoch auch Behördenchef Mark Branson als Leiter des Enforcement-Ausschusses grünes Licht.

Doch das heisst: Was genau Vincenz vorgeworfen wird, wird nicht bekannt werden. Gegenüber der «Berner Zeitung» hatte Branson spezifiziert, dass es um Corporate-Governance-Fragen gehe, und Raffeisen-Chef Patrik Gisel hatte nach Rücksprache mit Branson die Beteiligung der Raiffeisen-Tochter Investnet genannt, an der Vincenz nach seinem Ausscheiden bei Raiffeisen 15 Prozent übernahm. Vincenz war sicher jemand, der Grenzen auslotete und manche Schnittstelle touchierte. Doch was immer auch schief lief: Für die Corporate Governance ist der Verwaltungsrat zuständig, und dem gehörte Vincenz nie an.

Bundesverwaltungsgericht kritisierte Finma scharf

Interessant auch: Gerade geisselte das Bundesverwaltungsgericht die Finma, sie habe «eine Organisation auf die Beine gestellt, die in keiner Weise die verfassungs- und gesetzesmässige Garantie des Rechts auf ein gerechtes Verfahren respektiert». Beanstandet wird, dass Branson den Enforcement-Ausschuss selbst leitet und dabei beim Konkurs des Lebensversicherers Zenith Vie erst die Strafe verhängte und dann die Haftungsklage persönlich abwies. Vincenz tritt also wegen angeblicher Corporate-Governance-Verstösse ab – auf Druck einer Aufsichtsbehörde, deren Corporate Governance höchstrichterlich als mangelhaft taxiert wurde.

Der Rücktritt zeigt die Macht der Finma: Wenn sie ein Verfahren gegen eine prominente Person startet, ist die mediale Welle so gross, dass ein Weitermachen fast keine Option ist. Doch anders als eine Strafbehörde kann sie das Verfahren nach Belieben einstellen, wenn die beschuldigte Person nicht mehr ihrer Aufsicht untersteht. Und so viel darf als sicher gelten: Vincenz wird in kein Geschäft mehr einsteigen, das von der Finma reguliert wird. 

Dirk Schütz
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