Während mutige Frauen sich in der Causa Weinstein aus der Deckung wagen, hüllen sich prominente Männer Hollywoods in Schweigen. Damit sich im US-Entertainment etwas am Fehlverhalten gegenüber Frauen ändert, müssen auch männliche Mitwisser aufhören wegzuschauen.

Rund eine Woche waren die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen Harvey Weinstein alt, da sah sich Ben Affleck selbst zu einer Entschuldigung genötigt. «Ich habe mich unangemessen gegenüber (Hilarie) Burton verhalten und es tut mir aufrichtig leid», twitterte der Schauspieler aus «Batman v Superman». Der Sturz des Hollywoodmoguls Weinstein bringt prominente weibliche Opfer aus der Deckung – aber vereinzelt auch Männer, die erkennen, die Machokultur im US-Entertainment mit gepflegt zu haben.

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Nur ein Schritt

14 Jahre ist der Zwischenfall in der MTV-Sendung «Total Request Live» (TRL) her, und auf den ersten Blick wirkt er harmlos: Im Interview mit Moderatorin Burton steht der junge Affleck plötzlich auf und legt seinen Arm um ihre Schulter.

Tatsächlich habe er dabei aber ihren Busen begrapscht, erklärte Burton in einem Video später. «Ich musste damals lachen, um nicht zu weinen», schrieb sie auf Twitter am Mittwoch. Afflecks Entschuldigung mag ein wichtiger Schritt sein – unter den prominenten Männern Hollywoods bleibt er eine Ausnahme.

Aktiver Teil der Lösung werden

Hingegen beweisen Schauspielerinnen wie Ashley Judd Mut, die Weinstein als erste öffentlich mit den Vorwürfen konfrontierte, und nun auch Gwyneth Paltrow, Angelina Jolie oder Heather Graham, die den Produzenten zu Fall gebracht haben.

Doch damit sich die tief verwurzelte Kultur sexuellen Missbrauchs – von anzüglichen Kommentaren gegenüber Frauen bis zur Vergewaltigung – im US-Entertainment wandelt, müssen «Männer vortreten», schreibt das Magazin «Variety»: «Wenn Du kein aktiver Teil der Lösung bist, bist Du ein Teil des Problems.»

«Begünstigt oder weggeschaut»

Denn selbst ein Super-Produzent wie Weinstein, dessen Vermögen die britische «Sunday Times» mit seiner (baldigen Ex-)Frau Georgina Chapman auf etwa 217 Millionen Euro schätzte, agiert nicht im luftleeren Raum. Mitarbeiter beschrieben dem «New Yorker» zufolge eine «Kultur der Mittäterschaft an Weinsteins Geschäftsorten». Zahlreiche Kollegen hätten volle Kenntnis von seinem Verhalten gehabt und es entweder «begünstigt oder weggeschaut».

Beispiel dafür mögen die mehr als 20 männlichen Schauspieler und Regisseure sein, die der britische «Guardian» um eine Reaktion zur Causa Weinstein bat. Sie alle arbeiteten oder arbeiten derzeit mit Weinstein, darunter Quentin Tarantino («The Hateful 8»), David O. Russell («Silver Linings») und Michael Moore, der derzeit einen Film über US-Präsident Donald Trump mit Weinstein dreht. Viele von ihnen schweigen zu den Vorwürfen.

Einige, darunter Matt Damon und Colin Firth, kamen erst spät oder auf Nachfrage aus der Deckung. Selbst Ben Affleck entschuldigte sich erst, als eine Nutzerin auf Twitter an sein fragwürdiges MTV-Interview von 2003 erinnerte.

Weinsteins Verhalten als Vorlage für Witze

Im Showbusiness war Weinsteins Verhalten so bekannt, dass es als offener Running Gag durch die Branche wanderte. «Ich bitte Dich, ich habe Angst vor niemandem im Showbusiness», sagt Jenna (Jane Krakowski) in einer im März 2012 ausgestrahlten Folge der Serie «30 Rock» beim Sender NBC. «Ich habe Geschlechtsverkehr mit Harvey Weinstein nicht weniger als drei Mal abgelehnt. Aus fünf.»

Die HBO-Serie «Entourage» stellte einen furchteinflössenden Produzenten namens «Harvey Weingard» vor, der Talenten droht, ihre Karriere zu beenden.

«Family Guy»-Erfinder Seth MacFarlane wagte auf noch grösserer Bühne einen Weinstein-Witz, als er 2013 die Oscar-Nominierungen für die beste Nebendarstellerin verkündete: «Glückwunsch, ihr fünf Ladies müsst nicht länger so tun, als wärt ihr von Harvey Weinstein angetan.» Das Gelächter im Saal war nicht zu überhören.

Kein Ende in Sicht

Mächtige und prominente Männer, die sexuell übergriffig werden, sind nur die Spitze des Eisbergs. Nach Weinstein, Fernsehmoderator Bill O'Reilly und dem mittlerweile verstorbenen «Fox News»-Chef Roger Ailes dürften weitere Fälle bekannt werden.

Stars wie Taylor Swift, die den Po-Grapscher eines Radio-DJs öffentlich machte und ihn dann erfolgreich verklagte, haben den Stein ins Rollen gebracht. Auch der Prozess gegen Entertainer Bill Cosby hat die Debatte beschleunigt.

Aufforderung an Männer

Doch Übergriffe gegenüber Frauen passieren nicht nur auf «Casting-Sofas und in Hotelzimmern», schreibt die Zeitung «USA Today». Es geschieht jeden Tag, in Restaurants, im Einzelhandel, in der Krankenpflege, in Fabriken und in Büros in den ganzen USA und weltweit.

Moderatorin Gretchen Carlson, die Ailes wegen sexueller Belästigung verklagte, schreibt in der «New York Times»: «Je mehr Männer ihre Kollegen (und Vorgesetzten!) zur Verantwortung ziehen, desto schneller können wir dieses Verhalten beenden.»

(sda/jfr)