Der ehemalige EU-Kommissionpräsident José Manuel Barroso trägt künftig den wohlklingenden Titel eines «Chairman» der US-Investmentbank Goldman Sachs. Aus London wird er deren Kunden seine Ideen einflüstern, die «mit einem herausfordernden und unsicheren wirtschaftlichen Marktumfeld» zurechtkommen müssen.
Die Personalie sorgt bisher vor allem in Frankreich für massiven Ärger. Unvergessen bleibt, wie Banker von Goldman Sachs Griechenland dabei berieten, das Ausmass des Haushaltsdefizits geschickt zu verschleiern und so die Kriterien für die Aufnahme in den Euroraum zu erfüllen.
Mit Anlagen Kunden betrogen
Unvergessen ist auch, welch wichtige Rolle die Investmentbanker beim Vertickern der Subprime-Titel spielten, die am Anfang der Finanzkrise im Jahre 2008 standen. Erst dieses Jahr blieb den Wall Street Bankern nichts anderes mehr übrig, als vor Gericht zuzugeben, Kunden mit diesen Geschäften bewusst übers Ohr gehauen zu haben.
Rücktrittsforderungen
Und nun wechselt also einer der ehemaligen EU-Spitzenpolitiker ausgerechnet zu dieser Bank. Die Reaktionen kamen prompt. So verschaffte sich die oberste Europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly mehrfach über Twitter ihrem Ärger Luft, was die Personalie zum portugiesischen Neubanker angeht:
.@euombudsman: ex-Commissioners should behave with integrity when it comes to certain appointments https://t.co/3e6MVouDRn #Barroso
— European Ombudsman (@EUombudsman) July 12, 2016
Auch die französische Regierung ist empört, deren Exponenten fordern Barroso unverblümt zum Niederlegen seines Banker-Mandats auf. So etwa Harlem Désir, der französische Staatssekretär für europäische Angelegenheiten:
Goldman Sachs: moralement, politiquement, déontologiquement une faute de M. #Barroso. Je l'appelle à renoncer. #QAGhttps://t.co/7sMMxqgMoH
— Harlem Désir (@harlemdesir) July 13, 2016
In den Zeitungen tönt es ähnlich. Die Libération titelt in der Internetausgabe, Barroso zeige der EU mit seinem Verhalten den Stinkefinger. «Im schlimmsten Moment setzt er ein desaströses Zeichen für die Union», sein Verhalten sei ein Glücksfall für die Europagegner.
Hart geht auch «Le Monde» mit dem Portugiesen ins Gericht: «José Manuel Barroso, der Antieuropäer» titelte das Blatt mit Bezug auf sein Goldman-Sachs-Mandat.
Unglückliche Aktionen
Barroso machte während seiner EU-Jahre schon mehrfach mit unglücklichen Aktionen von sich reden. So enthüllte «Die Welt» kurz nach seinem Antritt als Kommissionspräsident der Europäischen Union, dass er 2005 bei seinem Uni-Freund und Milliardär aus Griechenland, Spiro J. Latsis, Ferien auf der Luxusjacht «Kalinga» geschenkt bekam.
Der Latsis-Clan dirigiert aus Genf heraus sein Familienimperium – dazu gehört etwa auch die hauseigene Schweizer EFG Bank. Sie war mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in mehreren osteurpäischen Ländern geschäftlich verbunden – und damit Empfängerin von EU-Geldern im grossen Stil.
Auch dass Barroso zu seiner Zeit als EU-Kommissionspräsident allein im Krisenjahr 2009 Repräsentationsspesen von über 730'000 Euro generierte, wie der EU Observer enthüllte, haben ihm viele nicht vergessen.