Der britische Premierminister David Cameron macht den Verbleib seines Landes in der Europäischen Union von einem eingeschränkten Zugang der EU-Bürger zum britischen Sozialsystem abhängig. Um die Einwanderung zu begrenzen sei eine Änderung der EU-Verträge nötig, sagte Cameron am Freitag in Rocester. Es gebe eine Debatte darüber, wie und was genau geändert werden müsse. «Aber es gibt keinen Zweifel, dass für das Paket als Ganzes eine Vertragsänderung nötig ist, und ich bin zuversichtlich, dass wir das verhandeln können«, sagte Cameron.
Die relativ grosszügigen Wohlfahrtsleistungen dürften nicht länger von Nicht-Briten angezapft werden, forderte er laut vorab verbreitetem Redetext. Einwanderer aus der EU, die einen Arbeitsplatz hätten, müssten vier Jahre warten, bis sie solche Leistungen erhielten. Für Arbeitslose solle es gar keine Hilfe des britischen Staates geben. Sie sollten ausgewiesen werden, sollten sie nicht innerhalb von sechs Monaten einen Job finden.
Zu Hause punkten auf Kosten der EU-Beziehung
Mit seiner harten Haltung versucht der konservative Politiker zu Hause Boden gutzumachen, riskiert aber scharfen Protest der EU-Partner. Cameron will im Mai wiedergewählt werden. Er sieht sich allerdings einer wachsenden Konkurrenz durch die EU-kritische Partei Ukip ausgesetzt. Die Einwanderung ist Umfragen zufolge für die britischen Wähler derzeit das bestimmende Thema. Mit einer Kampagne für einen Austritt Grossbritanniens aus der EU hat die UK Independence Party (Ukip) in diesem Monat bei Nachwahlen zwei Sitze im Parlament errungen. Die Abgeordneten waren von der Konservativen Partei zur Ukip gewechselt und hatten damit die Nachwahl erzwungen.
Zwar stellte Cameron die in der EU geltende Freizügigkeit, wonach jeder EU-Bürger innerhalb der Union seinen Wohnort frei wählen kann, nicht infrage. Doch will er die Beziehungen Grossbritanniens zur EU neu verhandeln und 2017 ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten lassen. «Ich werde eine Beschneidung der EU-Migration aushandeln und die Sozialreform zur absoluten Voraussetzung für Neuverhandlungen machen«, sagte Cameron.
Zuwanderung nutzt Sozialkassen mehr als dass sie schadet
In diesem Jahr sind bis Juni rund 228'000 EU-Bürger nach Grossbritannien gezogen. Dieser Rekord erhöht den Druck auf Cameron. Allerdings zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie für Deutschland, dass dort die Zuwanderung den Sozialkassen deutlich mehr genutzt als geschadet hat. Die 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass hätten 2012 für einen Überschuss von 22 Milliarden Euro gesorgt, erklärte die Bertelsmann-Stiftung auf Grundlage einer Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Jeder Ausländer zahle pro Jahr durchschnittlich 3300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an staatlichen Leistungen erhalte.
(reuters/me)