US-Botschafter Scott Miller: Grossspender der LGBTQ-Bewegung

Ehrgeizig, superreich und Teil einer Minderheit. Der US-Unternehmer Tim Gill erfüllt alle Klischees eines Outlaws, die sich zwischen gesellschaftlicher Ausgrenzung und politischem Engagement bewegen: ein Homosexueller in den USA, der es trotz grösstem gesellschaftlichem Widerstand zu Geld und Einfluss brachte. Und sich für die Rechte von Schwulen einsetzt, dafür zuerst auf die Strasse geht und schliesslich zum grössten Geldgeber der Bewegung wird. Gill wuchs in einem Amerika auf, das sich als Land of the free bezeichnet, aber in einzelnen Bundesstaaten harsche Gesetze gegen Homosexuelle in Kraft hat. Konservativen Kreisen in den Vereinigten Staaten ist der LGBTQ-Aktivist Tim Gill schon Jahrzehnte ein Dorn im Auge. Für diese geht er zu offen mit seinem gesellschaftlichen Engagement um, ist zu erfolgreich, zu ehrgeizig, zu reich. Immerhin hat der heute 67-Jährige als Technologieunternehmer Hunderte Millionen Dollar verdient. Einen Grossteil hat er für politische Anliegen der Schwulenbewegung eingesetzt und damit viel bewegt. Sein Ehemann, Scott Miller, wird nun US-Botschafter in Bern und inszeniert sich als Parteispender für die US-Demokraten. Auch mit dem Geld, das sein Mann in seiner aussergewöhnlichen Karriere erwirtschaftet hat. Revolutionär der MedienbrancheGill wurde 1953 im US-Bundesstaat Indiana geboren. Seine Familie zog nach Colorado, als Gill noch ein Kind war. Diskriminierung und eine Kultur des «Don’t ask – don’t tell» prägten seinen Umgang mit der eigenen Homosexualität. Der Grundstein für seine Karriere als Entrepreneur wurde ebenfalls im Kindesalter gelegt. Fasziniert von Science-Fiction fror er Grashüpfer aus reiner Experimentierfreude ein und träumte von intelligenten, sprachgesteuerten Häusern. Jahrzehnte später will er mit der 2015 gegründeten Softwarefirma Josh.ai künstliche Intelligenz ins Eigenheim bringen. Einen zweistelligen Millionenbetrag hat er in diese Firma bereits investiert. Seine Lieblingsdisziplin aber ist die Mathematik, wie von Weggefährten berichtet wird. In der Highschool Anfang der 1970er Jahre löste er Mathe-Aufgaben an einem Wochenende, die im Lehrplan für den Zeitraum von Monaten vorgesehen waren. Sein liebstes Hobby: Programmieren. An der University of Colorado erwarb er einen Bachelor in Angewandter Mathematik, arbeitete bei einer Reihe von Startups und heuerte schliesslich als Programmierer bei Hewlett-Packard an. Erst 1981 gründete Gill sein eigenes Softwareunternehmen, die Firma Quark. Mit unbändiger Entschlossenheit und Eifer löste er mit Quark in nur zehn Jahren eine Revolution in der Medienbranche aus. Nahezu jedes Zeitungshaus, jeder Verlag, jede Layout-Abteilung nutzte das Grafikprogramm QuarkXPress. Bereits der Höhenflug von Quark brachte Gill in den 1980ern und 1990ern viele Millionen Dollar ein. Genug, um eine Stiftung zu gründen und einen Teil seines Geldes künftig als Waffe gegen Schwulendiskriminierung einzusetzen. In einem Interview mit dem «5280 Denver’s Mile High Magazine» sagte Ehemann Scott Miller: «Wer sich mit der LGBTQ-Gemeinschaft anlegt, bekommt den Zorn von Tim Gill zu spüren.» Wobei Gill kein Millionär sei, dem es nur darum gehe, Rache zu üben. Wut sei nur der Katalysator. So richtig Munition sammelte Gill 1999, als er seine Anteile an Quark für den Betrag von 500 Millionen Dollar an seinen Firmen-Compagnon Fred Ebrahimi verkaufte. Nach dem Verkauf verfügte Gill mit einem Schlag über einen höheren dreistelligen Millionenbetrag und steckte gleich einmal 200 Millionen Dollar in die Gill Foundation. Die Stiftung gründete Gill 1994, fünf Jahre vor dem Verkauf seiner Anteile an Ebrahimi, dem er die Ambition verdankte, als Stifter tätig zu werden. Ebrahimi motivierte ihn zur Philanthropie. Mit der Stiftung im Rücken ging es mit Gills politischem Aktivismus steil bergauf. Seit deren Gründung kämpfte er gegen die Initiativen Evangelikaler und republikanischer Lokalpolitiker, Schwulen- und Lesbenrechte in den USA einzuschränken. Mit Erfolg: Arbeiten musste Gill nicht mehr, Geld hatte er genug. Im Jahr 2004 hatte er in seiner Freizeit ein soziales Netzwerk à la Facebook namens Connexion ins Leben gerufen, eine Plattform für die LGBTQ-Gemeinschaft von mehr als 100'000 Mitgliedern. Grösster Einzelspender der GeschichteDas bot genug Schlagkraft, um reaktionäre Tendenzen in der Politik inner- und ausserhalb seiner Heimat Colorado zu bekämpfen. Hochrangige Demokraten scharten sich um den aktivistischen Founder und sammelten progressive Stimmen für die US-Demokraten. Gill unterstützte so auch die Karrieren von demokratischen Top-Politikern wie Barack Obama und den Clintons. Der Unternehmer, Aktivist und Spender hatte nicht nur die Verlagsbranche verändert. Er hatte ein politisches Ökosystem auf den Kopf gestellt. Bis heute, 27 Jahre nach der Gründung, hat Gill mehr als 500 Millionen Dollar an Homosexuellen- und Forschungsorganisationen in den USA vergeben. Er ist der grösste Einzelspender in der Geschichte der LGBTQ-Bewegung weltweit. Diesem Einfluss und der Spendierfreude kann sich auch der amtierende US-Präsident Joe Biden nicht entziehen. Immerhin haben Bidens Wahlkämpfer ebenfalls stattliche Summen von ihm erhalten. Stattlich genug jedenfalls, dass Biden Gills Ehemann Scott Miller zum US-Botschafter in der Schweiz ernennt. Geld, Renommee und Einfluss haben dem Power-Couple Gill-Miller einen Platz in der ersten Reihe in Washington gesichert. Der Botschafterposten von Ehemann Miller ist sozusagen die Kür für den Selfmade-Millionär und Aktivisten Tim Gill.

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Das neue US-Botschafterpaar in Bern: Grösste Spender der Geschichte