Man stelle sich einen Würfel von rund 1,70 Meter Kantenlänge vor, gefüllt mit Gold. Auf den ersten Blick wirkt das wie eine überschaubare Menge, solch ein Kubus hätte in vielen Wohnzimmern locker Platz. Doch dieser Block würde 100 Tonnen auf die Waage bringen. 100 Tonnen pures Gold.

China hat in den vergangenen Monaten genau diese Menge des gelben Edelmetalls gekauft, wenngleich wohl eher in Form von Barren denn als Würfel. Offenbar will sich Peking damit gegen die Gefahren wappnen, die aus dem immer weiter eskalierenden Handelskonflikt mit den USA entstehen. Und parallel dazu haben auch andere Nationen, die ebenfalls im Konflikt mit Washington stehen, in den vergangenen Monaten ihre Goldkäufe verstärkt.

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Absicherung für die Dollarreserven

Im Dezember vergangenen Jahres hatte Pekings Zentralbank nach einer Pause von über zwei Jahren wieder begonnen Gold zu kaufen. Zunächst waren es rund zehn Tonnen, seit Anfang dieses Jahres kamen nun weitere 89,9 Tonnen hinzu, wie aus Zahlen des World Gold Council hervorgeht, einem Lobbyverband der Goldindustrie.

Somit hat China bis August – so weit reichen die Zahlen – rund 100 Tonnen des Edelmetalls gekauft und eingelagert. «Angesichts der angespannten Beziehungen mit den USA braucht China eine Absicherung für seine grossen Dollarreserven, und Gold hat diese Funktion», sagte Howie Lee, Ökonom bei der Oversea Chinese Banking Corporation OCBC gegenüber «Bloomberg».

Dies gilt umso mehr, da die Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung im Handelsstreit zwischen Washington und Peking immer mehr schwinden. In dieser Woche sollen zwar wieder Gespräche stattfinden, doch im Vorfeld hatte die chinesische Seite inoffiziell bereits klargemacht, dass sie nicht mehr bereit sei, über das gesamte Themenspektrum zu diskutieren. Chinas Industriepolitik oder Subventionen stünden für Peking nicht mehr zur Disposition.

«Die Aussichten für ein beständiges, umfassendes Handelsabkommen zwischen den USA und China sind aus unserer Sicht weiterhin gering», schreiben daher die Experten der UBS in einer aktuellen Analyse, und folgern: «Wir gehen davon aus, dass die Zentralbanken Nettokäufer von Gold bleiben werden.»

Russische Nationalbank an der Spitze der Käufer

Dies zielt auch auf andere Akteure, allen voran die russische Nationalbank. Sie war in diesem Jahr der grösste Goldkäufer. Seit Jahresbeginn hat sie bereits 117,4 Tonnen Gold gekauft. Dicht dahinter folgt mit 109,1 Tonnen die türkische Zentralbank.

Beide Länder stehen ebenfalls im Konflikt mit den USA, die Türkei war 2018 sogar in eine regelrechte Währungskrise gestürzt, ausgelöst nicht zuletzt aufgrund von Spannungen mit Washington. Durch eine Umschichtung der Devisenreserven – weg vom Dollar, hin zu Gold – sollen diese offenbar stärker diversifiziert werden.

Auch Polen gehörte zuletzt zu den grossen Käufern am Goldmarkt. Hier basiert dies jedoch auf einer Grundsatzentscheidung, den Goldanteil an die insgesamt deutlich gestiegenen Devisenreserven anzugleichen.

Dieser hatte bis vor Kurzem weniger als fünf Prozent der Reserven betragen, im europäischen Durchschnitt sind es rund 20 Prozent. Ähnlich wie Polen hatte daher zuletzt auch Ungarns Nationalbank seinen Goldanteil aufgestockt.

Insgesamt haben Notenbanken in diesem Jahr bis August bereits rund 450 Tonnen Gold gekauft. Das ist jetzt schon mehr als im gesamten Jahr 2018, und sollten die Notenbanken weiter so kräftig kaufen wie in den ersten acht Monaten, könnte am Jahresende auch der bisherige Rekord aus dem Jahr 2017 mit insgesamt 513,7 Tonnen übertroffen werden.

Dieser Run auf Gold von Seiten der Notenbanken trug allerdings in den vergangenen Monaten auch zu dem kräftigen Preisanstieg bei. Zu Jahresbeginn kostete eine Feinunze (31,1 Gramm) noch knapp 1'300 Dollar, inzwischen sind es über 1'500 Dollar. In Euro gerechnet war der Anstieg sogar noch etwas stärker, da gleichzeitig auch der Dollar zulegte.

Und viele Experten sind derzeit weiterhin optimistisch und rechnen mit weiter steigenden Preisen, so auch die UBS-Experten. «Das gelbe Metall dürfte durch die weitere Rückgänge der US-Realzinsen, Enttäuschungen bei den Makrodaten und die Aussichten auf eine höhere Volatilität an den globalen Aktienmärkten gestützt werden», schreiben sie.

Zudem erwarten sie in den kommenden zwölf Monaten einen schwächeren Dollar, was üblicherweise mit einem Preisanstieg beim Gold einhergeht.

Goldpreis in USD/Uz seit Anfang 2019

Goldpreis in USD/Uz seit Anfang 2019

Quelle: cash.ch

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Welt» unter dem Titel «Der Goldpreis kennt jetzt nur noch eine Richtung».