Ein Gericht in Belgien hat den früheren katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und vier seiner Minister nach einer Anhörung im Auslieferungsverfahren gegen Bedingungen auf freien Fuss gesetzt.

Das teilte die Justizbehörde in der Nacht zum Montag mit. Nach der Entscheidung des Untersuchungsrichters dürfen die Betroffenen das Land vorerst nicht verlassen und müssen eine feste Wohnadresse haben. Über das weitere Verfahren werde innerhalb der nächsten 15 Tage entschieden.

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Stundenlange Vernehmung

Die Freilassung der Katalanen wurde von Mitstreitern in Spanien gefeiert. Separatisten in Katalonien bejubelten die Entscheidung der Brüsseler Behörden und übten Kritik an der spanischen Justiz. Der Sprecher des abgesetzten Bündnisses Junts pel Si (Gemeinsam fürs Ja), Roger Torrent, postete auf Twitter: «Das ist der Unterschied zwischen einer wirklichen Gewaltenteilung und einem politisiertem Justizsystem. Zwischen einer reifen Demokratie und einem gescheiterten Rechtsstaat.» Die Bürgerinitiative ANC twitterte: «Grosse Gerechtigkeitslektion fürs spanische Justizsystem!»

Puigdemont und die vier Minister hatten sich am Sonntagmorgen den belgischen Behörden gestellt. Nach einer stundenlangen Vernehmung entschied der Ermittlungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft, die fünf Katalanen unter Auflagen aus der Haft zu entlassen. Ein weisser Kleinbus, in dem Puigdemont vermutet wurde, verliess kurz vor Mitternacht das Gelände der Brüsseler Staatsanwaltschaft.

60 Tage Aufschub

Spanien hatte in der Vorwoche einen Europäischen Haftbefehl gegen die Separatisten beantragt. Ihnen wird in Zusammenhang mit der Unabhängigkeitserklärung Kataloniens Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Allein für die Rebellion drohen ihnen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft.

Nach den EU-Regeln hat die belgische Justiz insgesamt 60 Tage Zeit, über die Auslieferung zu entscheiden – lediglich in Ausnahmefällen kann die Frist um weitere 30 Tage verlängert werden. In der Regel werde ein europäischer Haftbefehl aber vollstreckt.

Wahlen vor Weihnachten

Dem 54-jährigen Puigdemont und seinen Mitstreitern drohen in Spanien lange Haftstrafen. Ihnen werden von der Justiz Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Unterschlagung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Grund dafür ist die einseitige Unabhängigkeitserklärung, die das katalanische Parlament am Freitag vor einer Woche beschlossen hatte.

Die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die katalanische Regierung daraufhin abgesetzt. Die wirtschaftsstarke Region im Nordosten Spaniens steht nun unter Zwangsverwaltung aus Madrid. Für den 21. Dezember setzte Rajoy Neuwahlen an.

Puigdemont war bereits vor der Anklageerhebung nach Brüssel ausgereist.

(sda/jfr/me)